Автор: Bernhard Sven Anuth
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Forschungen zur Kirchenrechtswissenschaft
isbn: 9783429063092
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Zuvor hatte noch Gerald Göbel 1993 in seiner Studie über „Das Verhältnis von Kirche und Staat nach dem CIC von 1983“ zutreffend eine „gewisse Verwirrung“25 im Schrifttum festgestellt: Denn bei einigen Autoren erscheint c. 227 tatsächlich „als bloße Verstärkung der grundsätzlichen Aussage in c. 225 § 2 und bleibt somit funktionslos, während andere Autoren zwar einen spezifischen Bezug zu den neuzeitlichen Menschen- und Bürgerrechten sehen, diesen aber nicht allein für den Laien vindiziert sehen wollen, so daß eine Aufnahme in den Katalog der allgemeinen Rechte der Gläubigen nähergelegen hätte.“26 Dagegen kommt Göbel zu dem Schluss, c. 227 normiere ein Vorrecht der Laien im spezifisch politischen Bereich und impliziere damit, „daß (1) die katholische Kirche ihren Frieden mit den modernen Menschen- und Bürgerrechten gemacht hat und (2) der CIC offenbar als Staatsmodell ein demokratisches im Auge hat“27. Eine Verbindung zwischen weltlichem und kirchlichem Rechtsbereich entsteht durch c. 227 gleichwohl nicht, wie Stephan Haering nachgewiesen hat.28
Elisabeth Braunbeck hat die einschlägigen Canones der kirchlichen Gesetzbücher von 1983 und 1990 mit Blick auf den Weltcharakter der Laien ausgewertet. Für sie ist c. 227 „ein geistliches Freiheitsrecht im Sinne der von W. Aymans getroffenen Unterscheidung“29, das „in direkter Verbindung mit c. 225 stehen [sollte], damit in dieser Zuordnung die theologische Wurzel des Rechtes auf ‚Freiheit in den Angelegenheiten des irdischen Gemeinwesens‘ deutlich wird.“30 Der kirchliche Gesetzgeber sei zwar bestrebt gewesen, die konziliare Aussage aufzunehmen, habe ihr aber durch Herauslösung aus dem Kontext eine veränderte Sinnrichtung gegeben.31 Gegen Knut Walf, der in cc. 225-227 das „klassische Bild“ des katholischen Laien skizziert sieht, dessen Dienst für die Kirche im gesellschaftlichen Kontext „in gehorsamer Gefolgschaft gegenüber den kirchlichen Hierarchen“32 besteht, beschreibt Braunbeck die Bindung der Laien an das Lehramt als „Selbstbeschränkung der kirchlichen Autorität in ausgesprochen weltlichen Angelegenheiten.“33
Ausgehend von einer Symmetrie zwischen Religionsfreiheit und weltlicher Freiheit der Laien resultiert für José Tomás Martín de Agar aus der Nichtzuständigkeit der Kirche im weltlichen Bereich die Pflicht der kirchlichen Hierarchie, „sich jeglicher Aktionen zu enthalten, die die Freiheit der Gläubigen im weltlichen Bereich einschränken können.“34 Allerdings treffe diese Pflicht nicht nur die Hirten, sondern alle Gläubigen.35
Wie Martín de Agar36 sprechen auch andere Autoren in Bezug auf c. 227 von einer „Autonomie“ der Laien im Bereich des bürgerlichen Gemeinwesens. Diesen Begriff hatte 1969 schon Alvaro del Portillo gebraucht, um den Inhalt des entsprechenden Rechts im Entwurf des Katalogs der Rechte und Pflichten der Laien zu charakterisieren.37 Die Reichweite dieser Autonomie wird in der Kommentar- und Forschungsliteratur zu c. 227 unterschiedlich bestimmt.38 Julián Herranz betont: „to speak of the autonomy of the laity in the development of their specific task of sanctifying the temporal order is not to say independence or indifference with regard to the moral and canonical demands of their Christian personality.“39 Eine extensive Auslegung vertritt dagegen Edward W. Doherty: Katholik(inn)en hätten das Recht, „sich am politischen Leben ihrer Gemeinschaften ohne Einmischung oder Einschüchterung durch die institutionalisierte Kirche zu beteiligen,“ und seien durch c. 227 geschützt „gegen Versuche von Amtsträgern ihrer Kirche, politische Entscheidungen für sie zu treffen, z. B. ihnen zu sagen, was sie in politischen Streitfragen oder wen sie als Kandidaten zu wählen haben.“40
Gegen eine solche Auffassung hat Ilona Riedel-Spangenberger 1998 auf einer Studientagung der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz ausgeführt, den Laien komme aufgrund von c. 227 zwar das grundsätzliche Recht zu, im politisch-sozialen Bereich frei und eigenverantwortlich zu wirken; seine Ausübung unterliege jedoch der doppelten Bindung an Evangelium und kirchliche Lehre. Die Vermittlung zwischen Freiheit und Bindung sei „das eigentliche Kernproblem in der Wahrnehmung des kirchlichen Weltauftrages.“41 Insofern aber die Aufgabe der Hirten lediglich darin bestehe, die für den kirchlichen Weltauftrag tätigen Laien durch sittliche und geistliche Hilfen zu „konditionieren“, ergebe sich „ein Programm des kooperativen und relationalen Zusammenwirkens der Hirten und Laien in sozial-politischer Hinsicht.“42
Mit einigen anderen Autoren43 vertritt Georg Schmidt in seiner Dissertation über „Kirche und Öffentlichkeit“ (1998) die Meinung, c. 227 wolle die bürgerliche Freiheit der Laien gegenüber dem Staat sichern. Nach Schmidt mache die Kirche damit „deutlich, daß sie nicht bereit ist, einen minderen gesellschaftlichen Status von Katholiken in der staatlichen Ordnung hinzunehmen.“44 Zwar verleihe c. 227 „dem einzelnen Gläubigen kein prozessual einklagbares, wohl aber ein moralisches Recht auf Beistand, Solidarität und Hilfe seiner Kirche, wenn er rechtlichen oder faktischen Diskriminierungen ausgesetzt ist“45.
Für Burkhard Josef Berkmann ist die kirchliche Anerkennung bürgerlicher Freiheiten das kirchlicherseits „eigentlich Komplementäre“ zur staatlich-weltlichen Anerkennung der Religionsfreiheit.46 In seiner aus einer juristischen und einer theologischen Dissertation zusammengefügten Studie „Katholische Kirche und Europäische Union im Dialog für die Menschen“ (2008) vergleicht Berkmann EU-Recht und römisch-katholisches Kirchenrecht, „um festzustellen, ob sie zueinander passen oder ob es hier und dort Anpassungsbedarf gibt.“47 Dabei prüft er die Vereinbarkeit beider Rechtsordnungen nach dem Prinzip der Komplementarität.48 Aufgrund dieser Zielsetzung ist es ihm ein Anliegen, die kirchliche Anerkennung bürgerlicher Freiheit als Recht aller Gläubigen zu erweisen.49
Vor diesem Hintergrund50 behandelt er sodann ausgewählte Aspekte aus den Lebensbereichen Familie, Beruf und Politik als Inhalte der bürgerlichen Freiheit i. S. v. c. 227, wobei er auch hier sein Hauptaugenmerk auf die Komplementarität beider Rechtsordnungen richtet, „also auf die Frage, wie weit das, was die Kirche als bürgerliche Freiheit anerkennt, mit dem zusammenpasst, was im weltlichen Bereich von der Europäischen Union geregelt wird.“51
In den letzten Jahren hat sich auch Helmuth Pree in verschiedenen Beiträgen mit dem Spannungsfeld von kirchlicher und weltlicher Ordnung befasst und die Rechtsstellung geistlicher Personen in der zivilen Sphäre52, die Autorität der Kirche in (rein) weltlichen Fragen53 und eben die Freiheit der Laien i. S. v. c. 22754 untersucht: „Dieser in seiner Bedeutung oft unterschätzte Kanon“, so Pree, markiere „den Ort, an dem die Kirche durch die einzelnen Gläubigen und daher in nicht-amtlicher Form der weltlichen Wirklichkeit […] begegnet“55. Das Laienrecht auf Freiheit in den Angelegenheiten des irdischen Gemeinwesens liege insofern an der Schnittstelle kirchlicher und weltlicher Kompetenz und mache den Weltlaien zum „Bindeglied zwischen geistlicher und weltlicher Ordnung“56. Inhaltlich bedeute c. 227 eine „Begrenzung der Reichweite der kirchlichen Jurisdiktionsgewalt gegenüber Katholiken“57. Die Norm trage sowohl dem СКАЧАТЬ