Автор: Bernhard Sven Anuth
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Forschungen zur Kirchenrechtswissenschaft
isbn: 9783429063092
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2.3.3 Nur private Antworten auf lehramtlich (noch) nicht entschiedene Fragen
3. Schluss
3.1 Zusammenfassung
3.2 Würdigung und Ausblick
Abkürzungsverzeichnis
Quellen-und Literaturverzeichnis
Quellen
Sekundärliteratur
Stellenregister
Personenregister
Sachregister
1. EINLEITUNG
1.1 Problemstellung
Nach der Lehre des II. Vatikanischen Konzils ist den katholischen Laien in besonderer Weise der „Weltcharakter“ eigen (LG 31). Laien haben deshalb einen spezifischen Auftrag zum Weltdienst: Sie sind zwar nicht ausschließlich, aber doch „eigentlich […] zuständig für die weltlichen Aufgaben und Tätigkeiten“ (GS 43). Dies impliziert ein Engagement in unterschiedlichen gesellschaftlichen bzw. politischen Kontexten und die Ausübung jener Rechte, die den Laien als Bürgerinnen und Bürgern ihres Staates zukommen. Ihre „gerechte Freiheit, die allen im irdischen bürgerlichen Bereich zusteht, sollen die Hirten sorgfältig anerkennen“ (LG 37). Damit, so der Politikwissenschaftler und spätere ZdK-Vorsitzende Hans Maier schon 1968 in seiner Studie Der Christ in der Demokratie, habe das II. Vatikanische Konzil die politische Betätigung der Laien „in eine Selbständigkeit entlassen, die neu ist und der Einübung bedarf.“1 Der „‚Machtverzicht‘ der Hierarchie“ auf dem Gebiet des Politischen bedeute, dass „an die Stelle institutioneller Einwirkung […] stärker als bisher der seelsorgliche Dienst am christlichen Politiker tritt“2. In einer Ansprache an den Vierten Nationalen Kongress der katholischen Kirche in Italien hat Papst Benedikt XVI. dies am 19. Oktober 2006 bekräftigt: „Die unmittelbare Aufgabe zum Handeln im politischen Bereich, das dem Aufbau einer gerechten Gesellschaftsordnung dient, kommt […] nicht der Kirche als solcher zu, sondern den Laien, die als Staatsbürger in eigener Verantwortlichkeit wirken […], erleuchtet durch den Glauben und durch das Lehramt der Kirche und beseelt von der Liebe Christi.“3 Und auch Papst Franziskus hat zuletzt betont: Wenn sich Laien eines direkten Einsatzes in der Politik enthielten, würden sie ihre Mission verraten, auf diese Weise Salz und Licht der Welt zu sein.4
Papst Johannes Paul II. hat die beiden kirchlichen Gesetzbücher von 1983 und 1990 ausdrücklich als „Ergänzung“ bzw. „Vervollständigung“ (novum complementum) der Lehren des II. Vatikanischen Konzils bezeichnet, insbesondere von Lumen gentium und Gaudium et spes.5 Sowohl im CIC wie auch im CCEO ist die o. g. Verantwortung der Laien als Rechtspflicht verankert: Nach c. 225 § 2 CIC6 haben die Laien „die besondere Pflicht, und zwar jeder gemäß seiner eigenen Stellung, die Ordnung der zeitlichen Dinge im Geiste des Evangeliums zu gestalten und zur Vollendung zu bringen und so in besonderer Weise bei der Besorgung dieser Dinge und bei der Ausübung weltlicher Aufgaben Zeugnis für Christus abzulegen.“ Ähnlich formuliert c. 401 CCEO, Laien hätten „aufgrund der eigenen Berufung durch die Gestaltung und gottgemäße Ordnung der zeitlichen Dinge das Reich Gottes zu suchen und daher im privaten, familiären und politisch-sozialen Leben Zeugen für Christus zu sein und ihn anderen offenbar zu machen, sich für gerechte Gesetze in der Gesellschaft einzusetzen und, erfüllt von Glaube, Hoffnung und Liebe, nach Art des Sauerteiges zur Heiligung der Welt beizutragen.“ Mit dieser ausdrücklichen Laien-Pflicht korrespondiert in beiden Gesetzbüchern das spezifische Recht von Laien, dass ihnen „in den Angelegenheiten des irdischen Gemeinwesens jene Freiheit zuerkannt wird, die allen Bürgern zukommt“ (c. 227 CIC; c. 402 CCEO).
Katholische Laien sind also verpflichtet, im Rahmen ihrer Möglichkeiten die Welt mit christlichem Geist zu durchdringen.7 Wie frei aber können sie ihr gesellschaftliches Engagement und ihre politische Betätigung dabei gestalten? Sind sie tatsächlich nur ihrem Gewissen verpflichtet? Auseinandersetzungen wie die in den 1990er Jahren um die Schwangerschaftskonfliktberatung in Deutschland oder die bis heute in verschiedenen Ländern Europas und darüber hinaus aktuelle Debatte um die rechtliche Anerkennung homosexueller Lebenspartnerschaften bzw. Ehen haben gezeigt: Das von c. 227 CIC und c. 402 CCEO verbürgte Freiheitsrecht wird sehr unterschiedlich ausgelegt. Die Kongregation für die Glaubenslehre sah sich 2002 veranlasst, in einer Nota doctrinalis zu einigen Fragen des Einsatzes und Verhaltens von Katholik(inn)en im politischen Leben Stellung zu nehmen.8 „Bei den sich oft überstürzenden Ereignissen der letzten Zeit traten nämlich zweideutige Auffassungen und bedenkliche Positionen zu Tage“, so dass der Kongregation „eine Klärung wichtiger Aspekte und Dimensionen dieses Themas angebracht“ erschien.9 Unter anderem stellte sie in diesem Zusammenhang fest: „Es wäre ein Irrtum, die richtige Autonomie, die sich die Katholiken in der Politik zu eigen machen müssen, mit der Forderung nach einem Prinzip zu verwechseln, das von der Moral- und Soziallehre der Kirche absieht.“10 Der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kard. Lehmann, hat die Nota doctrinalis als „wichtige[n] Beitrag zum gesellschaftlichpolitischen Zeugnis katholischer Christen“ begrüßt und im Namen der deutschen Bischöfe „um eine freundliche Aufnahme des Textes und um eine sachliche engagierte Diskussion über diese lebenswichtigen Fragen“11 gebeten.
Auch nach 2002 sahen sich Diözesanbischöfe bzw. Bischofskonferenzen allerdings verschiedentlich veranlasst, katholische Politiker bei aktuellen politischen Entscheidungen zur Einhaltung der kirchlichen Lehre aufzufordern bzw. ein Abweichen von ihr zu sanktionieren.12 Wohl auch mit Bezug auf diese Ereignisse hat der Erzbischof von Köln, Joachim Kardinal Meisner, in einem zu Pfingsten 2007 veröffentlichten Interview unmissverständlich klargestellt, die Bischöfe könnten sich „leider nicht immer in Lebensschutzfragen auf unsere christlichen Politiker verlassen, die auf diesem Gebiet Verantwortung zu tragen haben.“13
Mit den Aufgaben von Katholik(inn)en im öffentlichen Leben und in der Politik hat sich vom 20.-22. Mai 2010 auch der Päpstliche Rat für die Laien bei seiner jährlichen Vollversammlung befasst. Das Thema „Zeugen Christi in der politischen Gemeinschaft“14, so Papst Benedikt XVI. bei seiner Audienz für die Teilnehmer, habe „besondere Bedeutung“15, denn die Politik sei „ein sehr wichtiger Bereich des Liebesdienstes, der ‚caritas‘“. Es bedürfe daher „wahrhaft christlicher Politiker, an erster Stelle jedoch gläubiger Laien, die Zeugen Christi und des Evangeliums in der zivilen und politischen Gemeinschaft sind.“16 Dem müssten die Ausbildungsgänge der kirchlichen Gemeinschaften Rechnung tragen; zudem würden neue Formen der Begleitung und Unterstützung durch die Hirten verlangt.17
Das dementsprechende Selbstverständnis katholischer Laien hat etwa 2012 der damalige ZdK-Präsident Alois Glück betont: Das Engagement katholischer Laien sei ein „wichtiger und unverzichtbarer Wesenskern unserer Kirche […]. Kirche lebt durch das Volk Gottes, wir Laien machen – in der ganzen Vielfalt unseres Engagements – Kirche präsent, wo sie nur durch uns präsent sein kann, in der Familie, am Arbeitsplatz, in der sozialen Gruppe, in der Nachbarschaft, in der Gemeinschaft vor Ort.“ Wenn Christ(inn)en keine politische Verantwortung übernähmen und die „Option für die Armen“ nicht mehr in die Gesellschaft einbrächten, werde „das Diakonische in unserer Kirche schwächer.“ Doch nicht nur die katholischen Laien müssten sich „verstärkt zum öffentlichen Engagement bekennen“. „Freilich“, so Glück, sei auch erforderlich, „dass wir Laien durch die kirchliche Verkündigung hierin bestärkt werden. Dies gilt – ausdrücklich und insbesondere – auch im Hinblick auf die Bedingungen einer pluralen Gesellschaft und die damit oft verbundene Notwendigkeit kompromisshaften Handelns.“18
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