Mordgelüste in der Schlossklinik Buchenhain. Herbert Seibold
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Название: Mordgelüste in der Schlossklinik Buchenhain

Автор: Herbert Seibold

Издательство: Автор

Жанр: Юриспруденция, право

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isbn: 9783957448330

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СКАЧАТЬ Frau war doch noch relativ jung gewesen. Hat sie ihn verlassen, nachdem das üppige Gehalt ausblieb? Der arme alte Kerl. Der Herrgott meint es nicht gut mit den Seinen! Bekümmert verließ sie den Supermarkt, immer noch in Gedanken an Herrn Trost. Die Ungerechtigkeit seines Schicksals sah sie sehr wohl. Das hatte dieser herzensgute und auch kompetente Mann nicht verdient.

      An ihrem Arbeitsplatz sah sie den Frust im Gesicht ihres neuen Chefs mit anderen Augen. Ihr Chef war immer akkurat gekämmt, zog sich jeden Morgen einen geraden Scheitel in das duschnasse Haar mit dem beginnenden Grauansatz und den Geheimratsecken. Was aber die bösen Zungen und selbst seine Sekretärin nicht wussten, war die frühe traurige Kindheit ihres Chefs.

      Sein Vater – ein pietistischer Pastor – hatte ihn als Kind regelmäßig geschlagen, wenn er nicht korrekt mit Mittelscheitel frisiert war. „Gott mag keine Schlamper“ war dessen Standardsatz. In der Schule war er auch gemobbt worden. Muniels hageres Gesicht hätte schön sein können, wenn die tiefen senkrechten Falten an den Wangen und seine spröden Lippen nicht wären. Er war schon einmal wegen eines Magengeschwürs behandelt worden. Sein leicht schräger Mund und die von oft wiederkehrenden Herpesbläschen gezeichneten Lippen luden seine Frau und in der Fantasie der Sekretärin nicht gerade zum Küssen ein. Diese lädierten Lippen waren der Sekretärin erstmals aufgefallen, als sie ihm auf Facebook eine Nachricht über das Krankenhaus zeigte. Darin stand Ungeheuerliches: „Der Geschäftsführer wäre lieber Arzt geblieben. So bräuchten wir ihm nicht eine Spritze mit unbekanntem tödlichem Inhalt ansetzen und ihn zwingen, seine zynischen Ansichten über die Mitarbeiter zu rächen.“

      Es war eine hinterhältige Drohung, die das Blut zum Stocken brachte. Von wem kam so was? Waren Verbrecher hinter ihm her? Berieten Psychopathen untereinander, wie sie ein rätselhaftes Drehbuch, ein tödliches Spiel inszenieren sollten? Wie räche ich mich an einem unbequemen und zynischen Vorgesetzten? Steckten jetzige oder frühere Mitarbeiter des Krankenhauses dahinter?

      Auch in der Personalkantine war dieser Internetauftritt hinter vorgehaltener Hand diskutiert worden. Niemand konnte sich aber vorstellen, wer hinter der Drohung stand. Ein naseweiser Assistent, Doktor Gscheidle aus Ulm, meinte nur lapidar: „Wer Angst sät, wird Angst ernten.“ Betroffen nickten alle am Tisch.

      Zu Hause machte seine Frau sich große Sorgen um ihn. „Kurt, du bist doch auf deine Mitarbeiter angewiesen. Du lähmst ja ihre Motivation durch deine gnadenlose Strenge – schau doch mal in den Spiegel!“, warf ihm seine Frau manchmal vor.

      Wenn man ihn bei seinen Gängen über die langen Flure ansprach, verlangsamte er nur unmerklich sein Schritttempo und neigte dazu, den ihn Ansprechenden grundsätzlich nicht anzuschauen. Eine Augenbraue zog dabei nach oben, die andere blieb unbeweglich: Eine pantomimische Meisterleistung! Der linke Arm schwang kräftig mit, der rechte bewegte sich nicht. Fast so wie bei Putin, durchzuckte es Frau von Hess. Ein psychiatrischer Konsiliarius hatte sich mal verplaudert: „Euer Verwaltungschef hat, glaub ich, ein Asperger Syndrom und eine Erwachsenenform des ARDS!“

      Auch die Sekretärin hatte eine Weile gebraucht, um zu begreifen, dass eine seltene, fast unmerkliche Veränderung von Kurt Muniels Gesichtsmuskeln als Lächeln zu deuten war. Tatsächlich wirkte diese von ihm als Freundlichkeit angelegte Mimik auf seine Mitarbeiter eher wie Eisregen. Unterhaltungen waren zeitlich nur sehr begrenzt möglich. Er selbst hielt sein Lächeln für gewinnend.

      Amalie, seine Frau, hatte seit einem halben Jahr Bemerkungen über seine kalte Überheblichkeit eingestellt. Jeder Kritik enthielt sie sich, seit er einmal handgreiflich geworden war. Voller Wut hatte sie ihn einen pathologischen Narziss und Soziopathen genannt. Nein, das hätte sie nicht sagen sollen. Seitdem zeigte sie keine Wut mehr. Im Spiegel versuchte sie ihr von leichten Furchen verändertes Gesicht mit einem geheimnisvollen Lächeln zu verschönern.

      Ihrer einzigen Freundin Christine im Tennisclub war dieses sybillinische wie einstudierte Lächeln aufgefallen. Sie erzählte Amalie aber nicht, dass sie dieses Lächeln wie eingefroren erlebte, ein Dauerlächeln, wie von manchen bekannten Politikergattinnen gezeigt. Stattdessen schmeichelte sie Amalie mit Lob für ihren entspannten Gesichtsausdruck. „Amalie, wunderbar – du wirkst ja so entspannt. Ich merke es auch an deinem Spiel. Nicht mehr so verkrampft hältst du den Schläger in der Hand.“

      Amalie legte ihr nur ihre Hand auf die Schulter und sagte: „Du bist eine verdammte Schmeichlerin!“

      Die Chefsekretärin Veronika von Hess-Prinz und Amalie Muniel waren nie befreundet gewesen. Allerdings trafen sie sich bei offiziellen Feiern der Klinik und schwätzten nach dem zweiten Glas Wein gelegentlich auch mal persönliche Dinge. Veronika hielt sich dabei immer zurück. Amalie begann seit einigen Jahren an den Hüften ein wenig in die Breite zu gehen und aus Frust und Stress sich schon mal über ihren Mann zu beklagen. Es kam ihr nach dem zweiten Glas Sekt gewissermaßen aus den Poren. Als Veronika sie zum ersten Mal erlebt hatte, dachte sie: Ach! Auch so eine frustrierte Ehefrau! Vorher ein sonderbares Lächeln und jetzt ein Gesicht, das wohl einiges zum Verbergen hat.

      Amalie hatte sich einmal nach dem dritten Glas Sekt bei der Sekretärin Veronika über ihn beklagt, ohne zu berücksichtigen, wen sie vor sich hatte. Themen wie Frust in der Ehe ganz allgemein wurden schon vorher eher abstrakt als Allgemeinthema angeschnitten. Nach all den Jahren, in denen die Karriere des Mannes Vorrang hatte, Jahre, in denen Schlucken- und Duldenmüssen zum Alltag gehörten, traute sie sich jetzt, Tabuthemen anzusprechen.

      Mordgedanken kamen in den Gesprächen natürlich auch im Scherz nicht vor. Dabei hatte Frau Muniel schon einmal geträumt, statt Salz, Pfeffer und Zucker weniger Bekömmliches – nämlich für die Leber und Nerven giftiges Pulver – in den Salat oder die Brombeermarmelade zu streuen – sie hatte ja immerhin Pharmazie studiert. Sie wusste, dass N-Nitrosodimethylamin ein schwer nachweisbares Lebergift ist, das Mutationen im Erbgut verursacht, so Leberkrebs erzeugt und nach Monaten und Jahren zum Tode führen kann. Von einem Mordfall mit diesem Gift an der Uniklinik Ulm vor dreiunddreißig Jahren hatte sie immerhin bei Google gelesen und hatte sich die Originalarbeit über den Fall besorgt, die der Oberarzt der Abteilung Gastroenterologie und sein Chef verfasst hatten. Mit der Sekretärin hatte sie diese Träume natürlich nicht erörtert. Glücklicherweise hakte sie solche Gedanken spätestens nach dem ersten morgendlichen Espresso als reine Fantasiegebilde ab – vorerst? Über eines war sie sich ganz sicher, dass sie nicht zur Mörderin taugte. Ihre Erziehung, ihre anerzogene Religiosität, ihre Ängstlichkeit und vor allem ihre Passivität würden sie Zeit ihres Lebens vor solchen Schritten bewahren. Sie bekam schon Herzklopfen, wenn sie daran dachte.

      „Wie können denn die forensischen Psychologen und Psychiater behaupten, dass jeder Mensch in extremen Situationen oder im Kollektiv zum Mörder werden könne? Blödsinn!“

      Natürlich hatte sie auch das Interview mit dem Psychiater Andreas Marneros über das Böse, das in uns allen steckt, und über die Liebe, die zum Tode führen kann, im Spiegel gelesen. Intimizid – die Tötung des Intimpartners – war seine werbewirksame Wortneuschöpfung. Blödes Geschwätz eines Psychiaters, dachte sie dabei! Das kommt doch nur in der islamischen Welt vor, war ihre Privatmeinung. Ihr Mann in seiner eiskalten Arroganz war ja der Meinung, dass sie nur Modehefte und nie das Ärzteblatt lese.

      Diese Ignoranz von Kurt regt mich gar nicht mehr auf. Das weiß doch jeder, dass jedes Jahr Ehe jeweils Lichtjahre von der ursprünglichen romantischen Nähe entfernt. Statt Wut kommt dann nur noch Langeweile auf. Die Folge davon: manchmal ein strahlender jüngerer Liebhaber – ist das nicht die logische und zugleich befreiende Lösung? Insgeheim war sie richtig stolz über ihre Einfälle, die sie natürlich nie äußern würde!

       Ein verhängnisvoller Vormittag

      Der Geschäftsführer konnte den beginnenden Wonnemonat Mai nicht genießen. Doktor Muniel hatte anstrengende Tage hinter sich gebracht. СКАЧАТЬ