Gesang der Lerchen. Otto Sindram
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesang der Lerchen - Otto Sindram страница 23

Название: Gesang der Lerchen

Автор: Otto Sindram

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

Серия:

isbn: 9783927708464

isbn:

СКАЧАТЬ will einfach nicht«, meinte sie.

      Jacob musste einen Strick aus dem Stall holen, und zu zweit zogen sie einen Jungen auf die Welt. Josepha wickelte »das kleine Würmchen«, wie sie es nannte, in ein Tuch, legte es in einen Schuhkarton, schob den Karton in den Backofen, stellte die offene Ofenklappe mit einem Holzscheit fest und legte genügend Kohlen nach, damit der Herd über Nacht nicht aus ging.

      Lisa ging es schlecht; sie bekam hohes Fieber. Die Hebamme ließ einen Arzt holen. Er gab der Familie wenig Hoffnung.

      »Wenn sie die Nacht übersteht, gibt es eine Chance. Geben Sie ihr nichts zu trinken. Ich schaue morgen wieder vorbei.«

      Paul war nach der Schicht nicht nach Hause gekommen. Er feierte mit seinem Kumpel Philipp dessen Geburtstag bei Hermann. Als er in der Nacht heimkam, teilte Josepha ihm mit, dass er einen Sohn habe und zeigte auf den Schuhkarton im offenen Backofen. Paul verstand sie nicht und schlief am Tisch ein.

      Später in der Nacht bat Lisa um etwas zu trinken. Josepha stand aus ihrem Bett auf, ging in die Küche und sah, dass die Ofenklappe zugefallen war. Sie öffnete die Klappe wieder, stellte sie mit einem größeren Holzscheit erneut fest und verhinderte so, dass Lisas Kind erstickte. Dann gab sie ihrer Tochter von dem Weihwasser, das sie in einer alten Weinflasche am letzten Palmsonntag aus der Kirche mitgebracht hatte. Lisa trank einen Schluck und musste sich übergeben.

      »Das ist ja faul!«, sagte sie.

      Josepha nahm das Wasser und besprenkelte Lisa damit, besonders deren Leib. Am nächsten Tag erzählte sie dem Arzt davon und dass sie damit ihre Tochter über die Nacht gerettet habe.

      Der Arzt bereitete eine Permanganatlösung, spülte damit den Unterleib seiner Patientin und stoppte so die Infektion. Die Flasche nahm er mit und schüttete das geweihte Wasser draußen auf den Misthaufen.

      Paul bekam den Tag nach der Geburt frei, nahm das Familienbuch, ging zum Standesamt und meldete seinen Sohn an. Als der Standesbeamte ihn fragte, wie denn der neue Erdenbürger heißen solle, dachte Paul an die Geburtstagsfeier vom Vortag mit seinem Kumpel Philipp und wie spendabel der war.

      »Philipp soll er heißen, jawoll, Philipp.«

      »Gut«, sagte der Standesbeamte, »Philipp Siebert also. Ich wünsche Ihnen, dass Ihr Sohn Philipp viel Erfolg im Leben haben wird.«

      Philipp arbeitete in den Semesterferien in einer Duisburger Gärtnerei, um sein Stipendium durch Westgeld aufzubessern. Der Gärtnereibesitzer hielt ihm bei der Einstellung einen Vortrag über die Vorteile der freien Marktwirtschaft und dass seit der Gründung der Bundesrepublik es jeder zu etwas bringen könne, wenn er nur tüchtig zupacke.

      Philipp musste mit vielen anderen an den Emscherböschungen das Gras kurzschneiden. Die Emscher war früher ein Fluss, jetzt aber war sie kanalisiert und führte nur stinkende Industrieabwässer.

      »Pass bei der Arbeit auf, dass du da nicht hineinrutschst«, warnte ihn der Vorarbeiter, »lebend kommst du aus der Chemiebrühe nicht wieder raus.«

      Immer nach der Frühstückspause verschwanden die anderen Arbeiter für einige Zeit, und Philipp war mit dem Vorarbeiter allein.

      »Was ist mit denen, wo gehen die alle hin?«, fragte er.

      »Das sind alles Arbeitslose, die müssen sich täglich beim Arbeitsamt melden, sonst verlieren sie ihre Unterstützung. Das ist für den Alten ein gutes Geschäft, aber auch für die Arbeitslosen.«

      Einen Teil von seinem Lohn gab Philipp seiner Mutter, den Rest nahm er mit.

      Als er nach Berlin zurückkehrte, war er reich. Er rechnete sich aus: Das Westgeld, in Westberlin umgetauscht in − wenn der Kurs günstig war − bis zu sechsmal so viel Ostmark, machte mehr als drei Monate Stipendium aus.

      Zuerst aber ging Philipp nach Karlshorst und lieferte den Stadtplan ab. In dem Büro saß ein ihm unbekannter Offizier. Philipp fragte nach dem Vorgänger und zeigte den Stadtplan. Der Mann sprang auf und holte aus dem Nebenraum einen weiteren Offizier dazu. Sie legten Philipp eine Art Verbrecherkartei vor, und er musste seinen Auftraggeber heraussuchen. Dann prasselten die Fragen der beiden Männer auf ihn ein: Wann, wo, wie oft er sich mit diesem Staatsfeind getroffen habe.

      Die Offiziere drohten: »Geben Sie zu, Sie haben gegen die Sowjetunion gearbeitet! Wir wissen alles!«

      Philipp erzählte immer wieder, wie der Offizier ihn um den Plan gebeten und dass er den Mann nie vorher gesehen habe. Endlich durfte er gehen. Der Stadtplan wurde einbehalten; Geld für seine Auslagen bekam er nicht.

      Nach seiner späteren Flucht in den Westen erzählte er manchmal, dass die Sowjetunion ihm noch Dreimarkzwanzig in Westwährung schulde. Als aber das Riesenreich pleite war, sagte er: »Nun werde ich mein Geld wohl nie mehr bekommen.«

      Am zweiten Tag nach seiner Rückkehr fuhr Philipp in den Westsektor, um seinen Ferienlohn umzutauschen. In der Schlange vor der Wechselstube am Bahnhof Zoo sah er Werner Peitz, den neuen Klassensprecher. Philipp wusste, dass Werner ein Genosse war. Als der Philipp sah, versuchte er sich hinter den anderen Wartenden zu verstecken, aber Philipp ging auf ihn zu und begrüßte ihn freundlich.

      »Man muss das ja mal kennen lernen«, sagte Werner.

      »Genau!«, sagte Philipp, »nur darum bin ich auch hier.«

      Wieder in Ostberlin, ging Philipp zuerst in einen HO-Laden, um einzukaufen. Endlich konnte er sich Lebensmittel leisten, welche auf Marken nicht zu bekommen waren und für die ihm sonst das Geld fehlte. Als er den Laden verließ und die Rechnung überdachte, stellte er fest, dass er für diesen Einkauf im Westen sicher den doppelten Betrag hätte zahlen müssen.

      Draußen standen eine Frau und ein Kind und betrachteten die Schaufensterauslagen.

      »Mutti, ich möchte auch mal Milch haben«, bettelte das Kind.

      »Das können wir uns nicht leisten«, entgegnete die Mutter.

      Als Philipp am ersten Unterrichtstag nach den Ferien das Schulgebäude betrat, fiel ihm zuerst das neue Schild auf: Arbeiter- und Bauernfakultät ABF der Humboldt-Universität Berlin.

      Philipp dachte zunächst daran, dass sie ab sofort nicht mehr wie bisher ihr Kotikow-Süppchen im Keller stehend löffeln mussten, sondern wie richtige Studenten in der Mensa im Sitzen essen konnten.

      Werner Peitz, der ein Oberschul-Abbrecher und Sohn eines Geschichtsprofessors war, wollte erreichen, dass die Klasse ab jetzt allmorgendlich vor dem Unterrichtsbeginn ein fortschrittliches Lied sang und jemand einen Tagesspruch aufsagte, aber die Mehrheit war dagegen.

      Christian erzählte Philipp, dass er in die Partei eingetreten sei und jetzt in dem Studentenheim in der Wilhelmstraße wohne.

      »Es war nicht leicht, einen Platz zu bekommen«, sagte er. »Aber mit dem Dicken ging es nicht mehr so weiter, und die Fahrerei kostete zu viel Zeit.« Philipp verstand. Er war neugierig und ließ sich die Heimvorteile schildern. »Gleich hinter dem Heim ist die Musikhochschule. Viele von den Musikstudentinnen wohnen im Heim. Ich habe schon an dich gedacht und dich für einen Platz vormerken lassen. Jetzt wohne ich noch in einem Achtbettzimmer. Ich besorge uns ein Zweibettzimmer; lass mich nur machen.«

      Ruth war aus den Ferien nicht СКАЧАТЬ