Der größte Irrtum der Weltgeschichte. Hans-Erdmann Korth
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Название: Der größte Irrtum der Weltgeschichte

Автор: Hans-Erdmann Korth

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Жанр: История

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isbn: 9783954889884

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СКАЧАТЬ nicht streng widerlegen, da praktisch jede Vermutung durch zusätzliche Hypothesen als irgendwie doch möglich dargestellt werden kann. Nach Karl Popper1 ist deshalb die 'konventionalistische Wendung', d.h. die Immunisierung eines widersprüchlichen Befundes durch Ad hoc-Hypothesen ausdrücklich verboten.

      Der Philosoph Imre Lakatos modifizierte allerdings Poppers Methode.2 Theorien müssen bei ihm nicht durch bessere ersetzt werden, wenn sie falsifiziert wurden, sondern sie dürfen unter gewissen Bedingungen mit einem Schutzgürtel aus Ad hoc-Hypothesen versehen werden. Dieser muss dazu dienen, bewusste oder auch unbewusste Grundüberzeugungen im Kern der Theorie zu schützen, die ein so genanntes Forschungsprogramm oder Paradigma bilden. Die Grundüberzeugungen, die den Kern eines Forschungsprogramms ausmachen, können und sollen nach Lakatos erst dann aufgegeben werden, wenn das Forschungsprogramm sich degenerativ entwickelt und durch ein besseres Forschungsprogramm ersetzt werden kann. Die Auffassung, dass Theorien sogleich aufgegeben werden müssten, sobald sie von experimentellen oder empirischen Resultaten widerlegt werden, verwarf Imre Lakatos als „naiven Falsifikationismus”.

      Werden solche Überlegungen der Situation des forschenden Wissenschaftlers gerecht, oder sind etwa auch sie naiv? Wissenschaftliche Motivation gilt vorrangig der Entdeckung bislang unbekannter Zusammenhänge, deren Einordnung in das große Theoriegebäude gern den weniger kreativen Fachkollegen überlassen wird. Einen Widerspruch zwischen Beobachtung und Theorie wird man zunächst einmal als Entdeckung von etwas Neuem, bis dahin nicht Beobachtetem sehen – als Erfolg der Arbeit des Forschers. In diesem Sinne wird jener nach einer erklärenden Hypothese suchen. Der Gedanke, dass er zum Schutz der allgemein anerkannten Theorie nun einer Ad hoc-Hypothese bedürfe, oder dass seine Erklärung des Beobachteten als eine solche angesehen werden könnte, dürfte den meisten Forschern wesensfremd sein und auch ihrem Sinn für wissenschaftliche Redlichkeit widersprechen.

      Auf diese Weise kann es geschehen (und die Chronologie, deren Kern die angenommene Stimmigkeit der Jahreszählung bildet, ist hier das beste Beispiel), dass eine ganze Reihe von unabhängigen Befunden, die dem Paradigma eigentlich widersprechen, als unabhängige Entdeckungen anerkannt werden – ohne dass irgendjemand auf die Idee käme, 'das Forschungsprogramm entwickle sich degenerativ'. Woran wäre dies denn überhaupt zu erkennen? Solange ein Paradigma akzeptiert ist, ist es nicht 'degeneriert'. Wird es von einem Großteil der wissenschaftlichen Gemeinschaft nicht mehr anerkannt, so wird man es schnellstens ersetzen. Werden jedoch mehrere Ad hoc-Hypothesen oder ihnen gleichwertige Erklärungen akzeptiert, so lässt sich der Wahrheitsgehalt eines Paradigmas nicht mehr bewerten. In diesem Falle verbleiben dem Wissenschaftler letztlich nur Aussagen unter Bezug auf den Erfahrungsschatz der Menschheit. Letzterer umfasst mit der kausalen Logik insbesondere das Wissen um den gerichteten, stetigen Verlauf der Zeit, sowie die Gesetze der Wahrscheinlichkeit.

      Aussagen zur Chronologie müssen sich also ohne Zusatzannahmen als widerspruchsfrei erweisen, um glaubwürdig zu sein. Wie wir sehen werden, trifft dies für den uns überlieferten Ablauf der Geschichte jedoch nicht zu. Wo immer sich eine Möglichkeit zur Überprüfung bietet, stoßen wir auf Widersprüche und Vermutungen. So fehlen zu den für das Frühmittelalter überlieferten Personen und Ereignissen fast alle sicher datierbaren Artefakte. Dagegen finden sich zu einer Vielzahl von Berichten der Antike überprüfbare Bestätigungen – aber offenbar durchweg um drei Jahrhunderte verschoben. Bei diesem Befund erscheint nur eine Erklärung möglich: Unsere gebräuchliche Jahreszählung stimmt nicht mit den für das Römerreich tradierten Jahreszahlen überein. Allerdings haben sich in manchen Fällen neben den unstimmigen auch Hinweise auf das wahre Datum geschichtlicher Ereignisse erhalten. Zusammen mit den physikalischen Messwerten lässt sich aus diesen ein beweiskräftiges, überzeugendes Bild der Vergangenheit gewinnen.

      Die extreme, von einigen Skeptikern vertretene Vorstellung einer etwa zur Zeit der Renaissance vollständig gefälschten Überlieferung ist dagegen unhaltbar, eben weil sie aller Erfahrung über menschliche Möglichkeiten und Motive widerspricht.

      Und wer schließlich die Aussagekraft naturwissenschaftlich gewonnener Daten grundsätzlich anzweifelt, der muss sich fragen lassen, auf welche Weise sich seine Position dann überhaupt prüfen und bewerten ließe.

       Darf man an der Chronologie denn zweifeln?

      Unsere Jahreszählung erscheint sakrosankt. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe: Die Jahreszahlen beziehen sich auf die Geburt Christi. Auf den ersten Blick schließt daher der Zweifel an der Stimmigkeit der Zahlenfolge auch den Zweifel am zentralen Ereignis des christlichen Glaubens ein. Wem ist schon bewusst, dass mit dieser Art, die Jahre zu benennen erst viele Jahrhunderte nach den im Neuen Testament beschriebenen Ereignissen begonnen wurde, dass sie erst im 14. Jahrhundert erstmals in einer päpstlichen Urkunde benutzt wurde? Unsere Jahreszählung beruht jedenfalls auf einer Rückberechnung des Geburtsjahres Christi durch fehlbare Menschen!

      Sodann bildet die Abfolge der historischen Ereignisse die Voraussetzung dafür, sich ihr mit den Mitteln der Logik zu nähern. Dort wo Vorher und Nachher nicht mehr zu bestimmen sind, lässt sich keine Kausalität erkennen und daher auch kein Verständnis gewinnen. Wer könnte sich auf so etwas einlassen?

      Ganz offensichtlich lässt sich die Jahreszählung auch nicht um einen bestimmten Wert verändern, ohne dass dies weitere Unstimmigkeiten zur Folge hätte: Das Zusammenspiel von Schaltjahren, Wochentagen und Mondlauf wiederholt sich erst nach 532 Jahren. Hinzu kommen weitere, offenbar nie geänderte Zyklen wie die jüdische Jahrwoche oder die 15-jährige Steuerperiode der Römer.1

      Schließlich bildet das, was wir von Eltern und Lehrern über die Vergangenheit gelernt haben, den Kern unseres gesicherten Wissens. Der Gedanke, dieses Wissen könnte der Korrektur bedürfen, ist vielen Menschen kaum erträglich – insbesondere dann, wenn davon auch noch ihre berufliche Reputation berührt wird.

      Was aber hätte es zu bedeuten, wenn unsere Jahreszahlen nicht die Anzahl der seit der Geburt Jesu oder seit Kaiser Augustus vergangenen Jahre angäben? Etwas in uns sträubt sich gegen diese Möglichkeit. Worauf können wir uns dann überhaupt noch verlassen? Verständlich, dass fast jeder von uns erst einmal mit Abwehr oder gar mit Zorn auf eine solche Zumutung reagiert.

      So stellt sich uns die Frage: Sind wir bereit, für unser Wissen – wenn es denn nötig ist –, uns von lieb gewonnenen Vorstellungen zu verabschieden und auch die dann nötige Trauerarbeit zu leisten? Wir müssten uns ja die Begrenztheit des Wissens einzugestehen, das wir vertrauensvoll von unseren Eltern und Lehrern übernommen haben. Zum Lohn dafür werden wir möglicherweise jedoch der Wahrheit ein Stückchen näher kommen.

      Seit zwei Jahrzehnten sorgt die folgende These für Unruhe: »Zu Anfang des Mittelalters wurde die Jahreszählung des Abendlandes um fast dreihundert Jahre erhöht.«1 Was davor geschah, so die Konsequenz, läge daher weniger weit zurück als überliefert! Die durch diesen Eingriff neu entstandenen dunklen Jahrhunderte des frühen Mittelalters wären in der Folgezeit mit erfundenen oder schlicht geklonten Überlieferungen gefüllt worden.

      Sie werden jetzt fragen: Gibt es denn für eine derartige Unstetigkeit der Jahreszählung irgendeinen konkreten schriftlichen Hinweis aus jener fernen Zeit? Ja, den gibt es tatsächlich! Ein Schreiben des kaiserlichen Sprechers Leo von Vercelli an Papst Gregor V. aus dem Jahr 998 gipfelt in der Anweisung: 'Auf Befehl des Kaisers bereinigt der Papst die Jahrhunderte'.1

      Aber was wäre denn damals 'zu bereinigen' gewesen? Die Antwort fällt nicht schwer, wenn wir die überlieferte Geschichte des Oströmischen Reiches betrachten: Genau 304 Jahre beträgt der Abstand zwischen Herakleios I. und Konstantin dem Großen, den beiden bedeutendsten Kaisern Ostroms. Beide regierten mit jeweils 31 Jahren gleich lang. Gleich lang regierten СКАЧАТЬ