Название: El Raval
Автор: José R. Brunó
Издательство: Автор
Жанр: Историческая литература
isbn: 9783960082033
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»Hola Pep.«
Der Scherenschleifer hatte sich bestimmt seit Tagen nicht gewaschen und seine Kleidung hatte sicherlich seit geraumer Zeit kein Wasser mehr gesehen. Sein Körpergeruch war so penetrant, dass Pep die Distanz zwischen sich und dem Zigeuner vergrößern musste.
»Wo warst du in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag?«
»Nee, Pep, damit habe ich nichts zu tun. Ich war bei meiner Familie zu Hause und bin schon früh schlafen gegangen.«
»Ich staune, dass du weißt, worüber ich mit dir reden will.«
»Ist doch klar, alle im Barrio reden nur über dieses Thema.«
»Kann jemand bezeugen, dass du zu Hause warst?«
»Auf jeden Fall kann meine ganze Familie das bezeugen«, sagte der Scherenschleifer.
Manolo wäre aufgrund der Werkzeuge, mit denen er täglich hantierte, sicherlich in der Lage gewesen, diese Tat auszuführen. Allerdings war er Rechtshänder und Zigarrenraucher. Wenn seine Familie bestätigen konnte, dass er in der Tatnacht zuhause war, und das würde sie mit Sicherheit tun, kam er als Täter erst einmal nicht infrage.
»Wann, hat der Moro gesagt, kommt sein Sohn zurück?«, fragte Pep.
Xavi zog seinen kleinen Schreibblock aus der Tasche, auf dem er alles aufschrieb, was ihm wichtig erschien.
»Ich meine, er hat heute Abend gesagt, wobei er keine Uhrzeit genannt hat.« Er ärgerte sich, nicht danach gefragt zu haben.
»Na gut, dann werden wir ihn heute Abend mal aufsuchen.«
Es war inzwischen einundzwanzig Uhr geworden und die beiden Polizisten hätten sich um diese Uhrzeit sicherlich etwas Besseres vorstellen können als irgendwelche Verdächtige zu verhören. Es war August und die Geschäfte waren bis dreiundzwanzig Uhr geöffnet, so auch das des marokkanischen Fleischers.
Als sie den Laden betraten, bemerkten sie, dass ein Mann mittleren Alters hinter dem Tresen stand. Er sah dem Mann sehr ähnlich, den sie am gestrigen Abend verhört hatten. Er mochte um die vierzig Jahre alt sein und Pep erkannte sofort, dass er der Sohn des Fleischers war.
»Sie sind der Sohn von Hassan Maluó?«
»Das bin ich, und wer sind Sie?«, fragte der Mann höflich.
»Mein Name ist José Cardona«, sagte Pep und hielt ihm seine Polizeimarke unter die Nase.
»Sie werden mir jetzt mal sagen, wo Sie am Mittwochabend waren.«
»Ich bin am Mittwochmorgen mit dem Zug zu meinen Brüdern nach Sevilla gefahren.«
Der Mann drehte sich um und zog aus einer Schublade zwei Billetts, die Ähnlichkeit mit Flugtickets hatten.
Es waren die Hin- und Rückbillets der Renfe, der spanischen Eisenbahngesellschaft. Das war ziemlich eindeutig und zugleich ernüchternd für die beiden Polizisten.
Die Billetts waren auf Hassan Maluó ausgestellt und er hatte am Mittwoch den siebenundzwanzigsten um neun Uhr zwanzig seine Reise auf dem Bahnhof Estación Sants in Richtung Sevilla angetreten.
Der Mann war Linkshänder und zugleich starker Raucher, was man unschwer an seinen gelben Fingern erkennen konnte.
Pep vermied es bewusst, den Marokkaner nach seinen Rauchgewohnheiten zu fragen, weil es für ihn sicherlich ein Leichtes gewesen wäre, eine andere Zigarettenmarke zu nennen.
»Also hat der Moro auch ein wasserdichtes Alibi«, sagte Pep enttäuscht.
»Es sei denn, er hat klugerweise zwei Bahnbilletts gekauft und benutzt dieses auf den siebenundzwanzigsten August ausgestellte als Beweis«, sagte Xavi.
Pep war von der Theorie seines Kollegen überrascht und schaute ihn eine Weile an.
»Das könnte sein, aber für so schlau halte ich den Moro nicht und außerdem, wie sollen wir das beweisen?«, meinte Pep nachdenklich.
In den nächsten Tagen wurden noch einige Leute befragt, die für die Tatzeit ein Alibi hatten, oder zum fraglichen Zeitpunkt gar nicht vor Ort gewesen waren.
Pep und Xavi waren mit ihren Ermittlungen in eine Zwickmühle geraten, aus der es kein Entrinnen zu geben schien.
Comisario Antonio Lopez regte das alles nicht besonders auf. Er war aus einer Zeit, in der man Hurenmorde als Randnotiz zur Kenntnis genommen hatte. Wenn man den Täter nicht in flagranti erwischt hatte, wurde die Akte schnellstens geschlossen. Überhaupt war man in Sachen Polizeiarbeit nicht besonders fortschrittlich gewesen.
Fingerabdrücke versuchte man in tagelanger und mühsamer Kleinarbeit, den Tätern zuzuordnen. Man war schlecht ausgerüstet und es würde sicherlich noch Jahre dauern, um den europäischen Standard zu erreichen.
Die beiden Polizisten sahen das Ganze nicht so gelassen. Sie verspürten zwar keinen Druck von oben, aber immerhin wollten und brauchten beide den Erfolg. Sie waren ehrgeizig und wollten diesen Fall trotz ihrer Unerfahrenheit baldmöglichst zum Abschluss bringen.
Es waren bereits einige Wochen vergangen und man war wieder zur Normalität übergegangen. Im Barrio war, bis auf die Tatsache, dass die Huren sich ihre Freier jetzt besser anschauten, wieder alles beim Alten.
Allerdings hatten die Damen, die ihre Liebesdienste in Barrio Chino anboten, inzwischen Konkurrenz bekommen.
Es hatte sich eine Vielzahl von Südamerikanerinnen in Barcelona angesiedelt, die den alteingesessenen Huren mit einer schnellen Nummer hinter irgendeiner Hausmauer die Preise verdarben. Der Straßenstrich in El Raval war geboren.
Es war bei der Vielzahl an Ausländern schwer geworden, zu erkennen, wer sich legal und wer sich illegal im Lande aufhielt. Die Südamerikaner sprachen die gleiche Sprache und die geografische Lage der katalanischen Hauptstadt erlaubte es irgendwelchen zwielichtigen Gestalten, in El Raval Unterschlupf zu finden und genauso schnell wieder zu verschwinden. In dieser Zeit verstand man es bei der Polizei, die Situationen sehr pragmatisch zu lösen.
Wenn man einen Illegalen oder eine illegale Hure aufgelesen hatte, wurde dem Delinquenten ein wenig Wegzoll abverlangt und danach war er oder sie wieder frei. Es war immer noch alles käuflich, auch die Freiheit. Das sollte sich in naher Zukunft nicht so schnell ändern.
Die Inspektoren Pep und Xavi taten weiterhin ihren Dienst im Barrio und versäumten nicht, immer wieder Leute zu verhören, die eventuell im Zusammenhang mit dem Mord an Melisa Agramontes oder dem ersten Opfer, Helen Baker, etwas hätten aussagen können. Beiden war klar, dass sie es hier mit einer außergewöhnlichen Situation zu tun hatten. Ein Serienmörder hat keine Beziehungen zu seinem Opfer. Hier wurden die Opfer weder beraubt noch sexuell missbraucht, was die Sache nicht einfacher machte. Das einzige, was allen klar war, war, dass es bald wieder passieren würde. Es sollte nicht sehr lange dauern, bis ihre Befürchtungen bestätigt wurden.
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