Heimkehr zu den Dakota. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Heimkehr zu den Dakota

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Исторические приключения

Серия:

isbn: 9783957840066

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СКАЧАТЬ Vielleicht war sie alt, vielleicht war sie noch jung. Ihr Gesicht wirkte weder menschlich noch unmenschlich; es wirkte außermenschlich. Ohren und Nase waren ihr abgeschnitten, die alten Wunden waren ungepflegt vernarbt. Ihre Wangen waren eingefallen, ihre Hände waren mager. Sie saß im Hintergrund wie eine Holzfigur, mit schwarzem Baumwolltuch verhängt. Der Ingenieur schüttelte sich unwillkürlich, als er das Zelt verlassen hatte.

      Harry hatte ihn auch nicht ungern verschwinden sehen. Der junge Indianer legte sich nicht wieder hin, sondern hockte sich auf seine Büffelhautdecke und überlegte.

      Als er mit sich ins Reine gekommen war, verließ er das Zelt und ging zum »Basar«. Der »Basar« war ein einfacher Verkaufsstand, der in einer Baracke mit einem Schiebefenster eingerichtet war. Die Waren wurden in Kommission und sehr teuer verkauft. Da es keinen anderen Laden gab, drängten sich trotzdem die Kunden. Harry wartete mit gleichgültiger Geduld, bis alle, auch solche, die nach ihm kamen, bedient waren, verlangte dann das Quantum Pfeifentabak, das er stets zu kaufen pflegte, und zahlte mit kleiner Münze, die er einem indianisch gestickten Lederbeutel entnahm. Der Geldbeutel war auf der Innenseite zur Hälfte grün, zur Hälfte rot gefärbt.

      Der Indianer hielt den geöffneten Beutel so, dass die Verkäuferin die grüne Seite sehen musste. Das war eine stumme Frage, und die Verkäuferin, ein Indianermischling, jung, schwarzhaarig, braunhäutig, zeigte die Kette ihrer weißen Zähne, lachte und sagte im Dakotadialekt: »Die Großmutter hält die Ohren offen. Abends geht sie mit ihrem Enkel Wasser holen.«

      »Eh, klappt das Stelldichein?«

      Harry hörte diese Frage hinter sich und erkannte auch sofort die Stimme. Das war Mackie.

      »Warum? Wolltest du das Mädchen haben?«, fragte er zurück.

      »Nein, nein, habe mit Mestizen nichts im Sinn. Freut mich nur; dass du endlich irgendwo anbeißt.«

      Der junge Indianer lächelte ironisch, aber so, dass der andere es nicht sah, und ging.

      Er brachte den Tabak ins Zelt, gab ihn der verstümmelten Indianerin zum Aufbewahren, rauchte eine Pfeife und legte sich dann wieder schlafen. Bis zum Abend war noch lange Zeit.

      Als er wieder erwachte und es schon dunkelte, kümmerte er sich um sein Pferd, das vor dem Zelt angepflockt war. Er machte es los und ritt weit vor das Lager bis zu einem Bach, der noch etwas Wasser führte. Er kam nicht ganz hinaus aus dem Bereich der Gerüche und Geräusche des Lagers, aber das Gewirr von Stimmen, das Klappern aus Küche und Vorratszelten, der Geruch aus großen Kesseln mit Einheitsessen, der Gestank von ungewaschenen Kleidern und Menschenkörpern kamen doch nur noch schwach, mit ihren Ausläufern, zu den Wiesen und dem Ufer des Baches, an dem Harry jetzt sein Pferd saufen ließ. Der Abendwind wehte; im Westen lag noch ein heller Streifen über den ins Violette dunkelnden Bergen. Die ersten Sterne flimmerten an dem Himmel auf, den die Sonne verlassen hatte.

      Die Großmutter, von der das Mestizenmädchen gesprochen hatte, war gekommen.

      Harry beobachtete unauffällig diese Indianerfrau, eine dick gewordene alte Frau, die tagsüber in der Küche arbeitete und auf diese Weise sich und ihr Enkelkind versorgte. Sie hatte das Kind mitgebracht, ein Mädchen von vier Jahren. Während das Kind sich im seichten Wasser puddelte, sprach die Alte in der Zeichensprache, aber nicht mit dem Kind, wie jeder nicht eingeweihte Beobachter geglaubt haben würde, sondern zu Harry, den sie mit seinem indianischen Namen Harka ansprach. Sie ließ ihn wissen, dass Charlemagne ein junges Küchenmädchen mit weißer Haut zur Abschiedsfeier eingeladen und dass er angedeutet hatte, es werde bei der Feier viel zu essen und zu trinken geben und auch sonst hoch hergehen, und aus einigen Wendungen hatte die Alte geschlossen, dass die Männer etwas Böses gegen irgend jemand planten. Der junge Indianer spähte umher, und als er sich überzeugt hatte, dass er nicht beobachtet wurde, antwortete er, auch in der Zeichensprache: »Der blonde Bart soll mit allen unseren Brüdern kommen.«

      Die Alte verstand. Während Harka mit seinem Pferd noch am Bach blieb, rief sie das Kind, hieß es, sich wieder anzuziehen, und ging zum Lager zurück. Sie bewohnte mit den Negerinnen zusammen einen Gemeinschaftsraum neben der Küche. Dorthin brachte sie die Enkelin. Dann holte sie aus der alten Kiste, die sie sich als Aufbewahrungsort für ihre Habseligkeiten verschafft hatte, einen leinenen Mannskittel hervor, den sie geflickt hatte, und ging damit hinüber in die Schreibstube, in der die Lohnlisten geführt wurden. Ein blondbärtiger Mensch, der durch seinen Bart älter aussah, als er war, fegte die Schreibstube eben aus. Die Alte nahm ihm den Besen aus der Hand und stellte ihn an die Wand, sie legte den geflickten Kittel auf den Schreibtisch und sagte zu dem Blondbärtigen: »Bringe zur Abschiedsfeier alle Freunde mit. Harry kommt.«

      Der junge Mann nahm seinen Kittel, dankte und verließ den Raum. Draußen zog er den Kittel über, schaute nach den Sternen, stellte fest, dass es noch sehr früh am Abend war und er genügend Zeit hatte, zwar nicht, um eine Stunde zu vergeuden, aber doch, um in Ruhe vorzugehen. Er schlenderte wie absichtslos zum Gleis, an den Abschnitt, an dem der erwartete Zug halten musste, und traf dort einen Trapper, der, die Büchse im Arm, eine Art Aufsicht führte.

      »Wir setzen uns mit Harry zusammen, heute Nacht bei der Feier«, sagte er nebenhin und erkundigte sich dann, was der Zug voraussichtlich für Ladung führen würde. Als die beiden in größerer Entfernung Red Jim auftauchen sahen, ging der Blondbärtige weg. Jim hatte ihn bis jetzt noch nicht wiedererkannt, aber er wollte ihm auch keine Gelegenheit geben, ihn aufmerksam ins Auge zu fassen. MacLean war vor drei Jahren bei einem Streik der Eisenbahnbauarbeiter um ein Haar Red Jims Revolver zum Opfer gefallen. Er war entlassen worden, hatte sich aber unter falschem Namen und verändert durch den inzwischen gewachsenen Bart wieder anwerben lassen. Der Mann in der Schreibstube betrachtete ihn als seinen Burschen und Diener und nutzte ihn weidlich als Aushilfe beim Listenschreiben aus. So wusste MacLean mit vielem Bescheid, was ihn nach Meinung der Lagerleitung sicherlich nicht das geringste anging. Von ihm hatte Harka auch erfahren, was Jim als Manager einer Kundschaftergruppe von sechs Mann als Löhnung für diese erhielt, und Jim musste seitdem etwas mehr herausrücken. Die Auseinandersetzung war kurz und bündig verlaufen, und Jim hasste Harry dafür noch mehr.

      Während der Blonde weiter im Lager umherstrich, war der junge Indianer zu seinem Zelt zurückgeritten.

      Er pflockte den Mustang wieder an. Auch der Schecke des Vaters stand schon da und graste. Mattotaupa war also von seinem Kundschafterdienst zurück. Als Harka in das Zelt eintrat, fand er den Vater schlafend. Er setzte sich und wartete, bis Mattotaupa nach drei Stunden von selbst wieder wach wurde.

      Die verstümmelte Indianerin kam aus dem Hintergrund, fachte das Feuer an und röstete für Mattotaupa ein Antilopenfilet.

      Die Zweige knackten leise im Feuer, und das Fleisch am Spieß duftete gut. Mattotaupa saß Harka gegenüber an der Feuerstelle.

      »Hast du etwas gefunden?« Mattotaupa sprach im Dakotadialekt. Er konnte annehmen, dass die Frau im Zelt ihn nicht verstand, denn sie stammte von den Seminolen.

      »Nein, ich habe nichts gefunden«, gab Harka Auskunft.

      »Ich auch nicht. Es scheint, dass sie von den Angriffen jetzt ablassen.«

      Das Filet war gar; Mattotaupa fing an zu essen.

      »Henry war hier«, berichtete Harka. »Wir sollen beide zu der Abschiedsfeier von Joe kommen, sobald der Zug glücklich eingelaufen ist.«

      »Wir gehen hin.«

      »Ich trinke nicht. Sie werden mich dafür verspotten wollen, und es wird Streit geben. Ist es nicht besser, wenn ich im Zelt bleibe?«

      Mattotaupa aß weiter, aber das Antilopenfleisch schmeckte ihm nicht mehr so gut СКАЧАТЬ