Der Weg in die Verbannung. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Der Weg in die Verbannung

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Исторические приключения

Серия:

isbn: 9783957840028

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СКАЧАТЬ vielversprechend, oder er musste sich noch einmal an die Bärenbande, besonders an ihren Häuptling, heranmachen, der auf alle Fälle etwas zu wissen schien. Vielleicht hätte er nicht so schnell aus dem Zelt dieses Mannes verschwinden sollen, als er die Andeutungen gehört hatte. Aber sie schienen ihm damals fürs Erste zu genügen – was sich leider als ein Irrtum herausgestellt hatte –, und außerdem war Jim von dem Argwohn geplagt worden, dass Lauscher um das Zelt schlichen und ihm an den Kragen gehen würden, sobald er wirklich etwas erfahren hatte. Darum war er so schnell wie möglich, mitten in der Nacht, aus den Zelten der Bärenbande ausgerückt.

      Man sollte eben nie so voreilig und auf bloße Befürchtungen und Kombinationen hin reagieren. Nun saß er da wie ein dummer und erfolgloser Kerl.

      Dabei konnte es nicht bleiben! Er musste etwas unternehmen, um seinen Fehler zu korrigieren. Ein Goldkorn so groß wie eine Haselnuss sollte sich bei der Bärenbande befinden. Verflucht und zugenäht! Und er, der Rote Jim, lief hier herum, ohne die Fährte zu den Goldvorkommen zu haben.

      Während der Mann so dasaß und nachdachte, mit sich selbst unzufrieden und über die Zufälle, die ihm nicht günstig waren, verärgert, heftete sich sein Blick unwillkürlich auf eine sandige Stelle im Fluss, die ihm gefiel. Er hätte dort gern gebadet, aber das erschien ihm zu gefährlich. Beim Baden wurde man wehrlos. Die Büchse musste man ablegen, die Munition – nein, er wollte auf dieses Vergnügen verzichten. Aber die sandige Stelle gefiel ihm. In vielen Farben schillerte das zerriebene Gestein unter dem klar dahinfließenden Wasser. An solchen Stellen pflegte man am Sacramento in Kalifornien den Sand zu sieben, um die Goldkörnchen auszuscheiden.

      Red Jim erhob sich und ging vorsichtig über das Geröll, bis zu der sandigen Stelle hin. Er kämpfte mit sich, aber dann gab er sich selbst nach, bückte sich und ließ Sand durch seine Finger rieseln. Er wollte sich nicht eingestehen, dass sein Herz in heftigen Stößen klopfte und das Blut durch die Pulse jagte. Seine Schläfenader war angeschwollen. Leise rieselte der Sand durch seine Finger. Sein Blick war stechend darauf gerichtet, wie eine Lanzenspitze, die das Ziel sucht.

      Ah!

      Red Jim setzte sich auf den rundgewaschenen Felsblock, in dessen Schutz der Sand angeschwemmt war. Er blickte in seine Hand, die er ein wenig zusammengebogen hatte, wie ein Mensch, der mit der Hand Wasser zum Trinken schöpfen will. Zwischen zwei Fingern hatte sich ein winziges Goldkorn festgeklemmt. Ein winziges Sandkorn, ein Staubkorn aus purem Gold! Der Mann starrte unentwegt darauf. Er wusste selbst nicht, wie lange er so saß, unbeweglich, von seinem Fund festgehalten wie ein Stück Eisen von einem Magneten.

      Endlich ließ er das Körnchen in seine Brusttasche fallen. Gold! Es stand damit fest, dass sich auch auf dieser Seite des Bergstocks Gold finden ließ, nicht nur auf der Nordseite, von der schon so viel gemunkelt wurde. Er, der Rote Jim, hatte den Anfang zu seinem neuen Leben gefunden. Die Phantasiebilder gaukelten vor seinem inneren Auge; er schloss die Lider, um sie ganz zu genießen.

      Da drang irgend etwas an sein Ohr, was ihn störte. Er war sofort ganz wach, horchte und öffnete die Augen.

      Was er gehört hatte, wurde ihm nachträglich klar. Ein Pferd hatte auf der Prärie gewiehert. Es konnte sich um wilde Pferde handeln oder um gezähmte, um indianische Reiter oder um Weiße. Wenn Jim jetzt noch von Glück sprechen wollte, dann nur von dem, dass er Büchse und Proviant bei sich trug und sein Versteck geräumt hatte. Er war voll beweglich, ganz unabhängig.

      Soweit es die äußerste Vorsicht erlaubte, schlich er sich vom Fluss weg und durch den Wald zu einem Baum, der sich leicht erklettern ließ und gute Aussicht versprach. Gewandt turnte er hinauf und verbarg sich, während er durch das Laub hindurch auf die Prärie spähte.

      Himmel, Hölle, Donner und Teufel! Verdammt alles ...

      Er erkannte nördlich in der Ferne eine Indianerschar. Noch waren Reiter und Pferde in der Perspektive klein wie Ameisen, aber er vermochte sie jetzt zu zählen und bis zu einem gewissen Grad zu unterscheiden. Vierzig Krieger zu Pferd waren es, außerdem etwa sechzig Frauen und Kinder, alle ebenfalls beritten. Nach einigen Minuten erkannte er bereits, dass unter den Männern fünf die Adlerfederkronen trugen. Das waren ungewöhnlich viele ausgezeichnete Krieger und Häuptlinge in der kleinen Schar. Es musste sich um Dakota handeln.

      Wohin strebten sie?

      The Red behielt sie im Auge. Wenn seine Blicke hätten vernichten können, wären die Indianer alle vom Erdboden verschlungen worden. Aber der Hass des Goldsuchers war machtlos. Von der Reiterschar, die Jim beobachtete, lösten sich vier Punkte. Vier Reiter waren abgestiegen und verschwanden für den Beobachter im Gras. Er zweifelte nicht, dass es sich um Kundschafter handelte, die den Wald durchspähen sollten, ehe die Wandergruppe ihn betrat.

      Nun viel Vergnügen, ihr Kundschafter, strengt eure Augen und Ohren nur an. Euren Feind mit dem Namen The Red findet ihr nicht! So dachte der Mann und blieb unbeweglich.

      Nach einiger Zeit entdeckte er von seinem verborgenen Sitz aus einen jungen Indianer mit Scheitel und Zöpfen, der am Ufer des Flusses entlangschlich. Der Bursche hatte die für die Dakota charakteristische elastische Steinkeule zur Hand. Sein Gesicht war nicht bemalt. Er befand sich also nicht auf dem Kriegspfad, sondern hatte von seinem Anführer nur den Auftrag für den üblichen Spähdienst als Vorsichtsmaßnahme in aufgeregten Zeiten erhalten.

      Der junge Kundschafter verschwand flussabwärts.

      Die Indianerschar draußen auf der Prärie hatte ihr Tempo verlangsamt, war dem Wald und den Bergen aber stetig näher gekommen. Jim konnte nicht bemerken, ob die Kundschafter schon zu dem Trupp zurückgekehrt waren oder nicht. Er schloss aber aus dem Verhalten der Schar, dass sie beruhigende Nachricht erhalten hatte. Sie beschleunigte ihr Tempo wieder und bog schließlich in den Wald ein. Wahrscheinlich strebte sie der Lichtung zu, auf der im Frühling die Bärenbande gerastet hatte. In dem Augenblick, in dem die Reiter zum Wald eingebogen waren, hatte Jim den Indianer an der Spitze der Schar erkannt. Dieser Mann mit der Adlerfederkrone war Sitting Bull oder Tatanka-yotanka, wie ihn die Dakota nannten. Das hatte noch gefehlt! Ebendieser hatte noch gefehlt, um das Missgeschick des Roten Jim vollständig zu machen.

      Jim blieb auf dem Baum hocken. Als er die Indianer nicht mehr sehen konnte, lauschte er auf jedes Geräusch. Die knackenden Tritte der Pferde auf dem Waldboden waren in der stillen Wildnis weithin vernehmbar. Als sie verstummt waren, sah Jim bald die dünnen Rauchsäulen aus den Zelten über die Baumwipfel aufsteigen. Die Schar hatte sich, wie er schon vermutete, auf derselben Lichtung niedergelassen, auf der im Frühjahr die Bärenbande gelagert hatte.

      Solange sich Dakota überhaupt, und zudem noch einer ihrer hervorragendsten Führer, in solcher Nähe der Höhle aufhielten, musste der Rote Jim verschwinden.

      Weg musste er, weg, und das an dem Tag, an dem er den Goldstaub entdeckt hatte.

      Vermaledeite, dreckige, unnütze und widerwärtige Indianer!

      Er würde gehen, aber er würde wiederkommen, er, so wahr er rote Haare hatte, aber eine schwarze Perücke trug.

      Zu Beginn der Nacht verließ er seinen Beobachtungsplatz und schlich sich zunächst nordwärts, um zwischen sich und das Zeltlager des Dakotatrupps möglichst rasch eine möglichst große Strecke zu legen. Als er durch den Wald huschte, immer auf der Hut und immer gewärtig, auf einen Späher zu treffen, den er irreführen musste, hatte er plötzlich eine ganz andere, viel weniger erwartete Begegnung.

      Auf einer alten Lichtung, die schon wieder zuwuchs, hatte sich viel Buschwerk angesiedelt, und The Red schwankte, ob er seinen Weg durch diese Büsche hindurch nehmen oder noch mehr Zeit verlieren und sie umgehen sollte. Er entschloss sich, wenigstens ein Stück weit in die Büsche einzudringen, denn der Boden war hier von altem СКАЧАТЬ