Der Weg in die Verbannung. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Der Weg in die Verbannung

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Исторические приключения

Серия:

isbn: 9783957840028

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СКАЧАТЬ vergeblich.

      Die Luft ging ihm aus. Wasser drang ihm in Nase und Mund. Er begann Wasser zu schlucken. Die Besinnung verließ ihn, und er wusste nicht mehr, was mit ihm geschah.

      Als er wieder zu sich kam, spürte er zunächst nur Schmerzen. Seine Sinne, mit Ausnahme des Schmerzempfindens, funktionierten noch nicht. Er sah nichts, er hörte nichts, er schmeckte nichts, aber es tat ihm alles weh. Es dauerte sogar geraume Weile, bis er sich wieder bewusst wurde, der Rote Jim zu sein.

      Der Rote Jim!

      Als ihm dieses Bewusstsein seiner selbst von neuem dämmerte, konnte er den zweiten Gedanken fassen, dass ihm irgendein Unglück geschehen war. Irgendein Unglück ...

      Er versuchte, sich zu rühren. Die Finger konnte er bewegen, und er spürte jetzt, dass sie nass waren. Die Augen musste er aufmachen. Er war ein Waldläufer und Präriejäger, und er musste die Augen aufmachen, jawohl. Mühsam zog er die Lider hoch. Sein Schädel brummte und schmerzte abscheulich.

      Um ihn war es dunkel. Es rauschte um ihn. Entweder rauschte es ihm in den Ohren, oder ...

      … oder Wasser rauschte.

      Wasser!

      Mit einem Schlage wurde dem Roten Jim wieder klar, was geschehen war. Sobald er das Wort »Wasser« denken konnte, war es, als ob überhaupt ein Schleier, der über seinem Gedächtnis gelegen hatte, weggezogen worden sei.

      Wo befand er sich jetzt? Das musste er zunächst feststellen.

      Aber nicht nur der Schädel, auch Schulter, Rücken, Kreuz, Arme und Beine schmerzten ihn heftig. Vorsichtig versuchte er ein Glied nach dem anderen zu rühren und den Kopf zu drehen.

      Es schien, dass er keinen Knochen gebrochen hatte. Beulen hatte er davongetragen, Prellungen. Was hieß das schon! Damit konnte er leicht fertig werden.

      Aber wo befand er sich?

      Seine immer noch schlecht funktionierenden Augen nahmen einen vagen Lichtschimmer wahr. Oder hatte er Halluzinationen? Sein Schädel und sein Gehirn schienen mehr abbekommen zu haben, als er beim Erwachen geglaubt hatte. Vielleicht hatte er eine Gehirnerschütterung.

      Schlecht war ihm jedenfalls. Er erbrach sich, und dabei wurde ihm schwindelig, und er fiel wieder in Ohnmacht.

      Bei seinem neuen Erwachen fühlte er weniger Schmerzen, aber es war ihm sehr schwach zumute, jämmerlich schwach. Am liebsten wäre er liegen geblieben, um vollends zu sterben, obgleich ihm bewusst war, dass er der Rote Jim sei und dass mindestens er selbst bedauern müsse zu sterben, wenn ihm auch kein anderer nachjammern konnte.

      Die anderen Menschen wurden eine Plage los, wenn der Rote Jim krepierte.

      Diese Vorstellung ärgerte den Mann. Die anderen sollten ihn keineswegs loswerden. Sie sollten sich nicht freuen können, dass er nicht mehr da war und dass sie nicht mehr mit ihm zu rechnen brauchten.

      Er gab sich selbst einen Ruck; Durst und Hunger hatte er, und er fror. Das Rauschen war nicht mehr in seinem Kopf. Es rauschte über ihm oder neben ihm oder unter ihm.

      Wasser rauschte, ja, Wasser, das hatte er doch schon einmal festgestellt! Es war Zeit, dass er sich danach umsah. Er wälzte sich vom Rücken auf den Bauch, rutschte dabei ein Stück zur Seite, weil der rauhe Boden abschüssig war, und tastete mit der rechten Hand ins Wasser.

      Gierig trank er.

      Dann kroch er wieder zur Seite.

      Was das wohl mit dem Lichtschimmer auf sich hatte? Der Schimmerschien keine Selbsttäuschung zu sein, sondern wirklich zu existieren.

      Roter Jim starrte nach der matten Andeutung von Tageshelligkeit. Wie von einem Zauber, dem er noch nicht ganz traute, angezogen, kroch er auf dem rauhen Fels neben dem fließenden Wasser zu dem Schimmer hin.

      Plötzlich traf ihn etwas Hartes an der Schulter. Er stockte erschreckt und bemerkte gleichzeitig, dass es um ihn herum polterte wie von einem Steinschlag. Verdammt. Er zog den Kopf ein, und er hatte Glück. Es traf ihn kein zweiter Stein.

      Fluchen konnte er wieder. So weit war er schon bei sich.

      Ängstlich und langsam kroch er weiter, immer in Richtung des Lichtschimmers. Je näher er diesem kam, desto deutlicher wurde die Helligkeit. Da musste es hinausgehen aus dem Berg. Hinaus! Was für ein Glück!

      Der Teufel oder die Geister oder sein Stern oder der Berg oder was es überhaupt sein mochte, wovon sein Schicksal abhing, irgend etwas hatte ihm wohlgewollt. Ihm, dem Roten Jim!

      Nein, die Welt sollte ihn noch nicht loswerden. Das hatte noch Zeit, und er hatte noch einiges vor.

      Nachdem er fünf Meter weitergekrochen war, wurde ihm seine Situation vollständig klar. Er befand sich in einer Höhlung des Berges, aus der der unterirdische Bach ins Freie drang.

      Schon wieder hagelte es Steine, die das Wasser aus dem Berginnern mit sich gerissen hatte. Red Jim hatte rechtzeitig die Hände schützend hinter Kopf und Nacken gelegt, so dass ihm von einem dicken Steinbrocken nur zwei Finger angeschlagen wurden.

      Gemütlich war das hier nicht. Er musste sehen, wie er hinausgelangen konnte.

      Die Öffnung, durch die der unterirdische Bach ins Freie floss, war eng, aber doch nicht so eng wie jener Höhlenarm oben an der Stelle, an der Red Jim mit dem Vorwärtskommen gescheitert war. Wenn er sich mit Gewalt durchzwängte, o ja, wenn er sich mit Gewalt durchzwängte, Kopf, Schultern, Hüften ...

      Verflucht, schon wieder ein Steinhagel! Aber diesmal traf es nur die Beine. Unangenehm genug war es.

      Der Mann, der mit Kopf und Oberkörper schon im Freien lag und die Beine jetzt nachzog, erkannte, dass es Abend war. Irgendein Abend! Wie konnte er wissen, ob er ein, zwei oder drei oder vielleicht sogar vier Tage im Innern des Berges verbracht hatte.

      Der Himmel flammte in Rot und Gold. Die Bäume schimmerten noch in den Strahlen der untergehenden Sonne, die mit ihren letzten Ausläufern bis zu Quelle und Bach heranspielten.

      Mechanisch, aus Gewohnheit, schaute Red Jim nach Spuren aus. Aber er konnte keine Fährten entdecken, mit Ausnahme einiger Wildspuren, die für ihn keine Gefahr bedeuteten.

      Noch einmal trank er, dann kroch er vorsichtig, sich immer auf einem Geröllstreifen haltend, zwischen das Gebüsch und ließ sich da nieder. Zum ersten Mal fand er Zeit, sich selbst zu betrachten. Wie ein Totengerippe sah er aus, mager, abgefallen. Die Hauptsache aber war, dass er trotzdem lebte.

      Er suchte nach seinem Beutel mit Trockenfleisch, fand ihn, wenn er auch nicht mehr trocken, sondern nass war, und nahm etwas von der breiig gewordenen Masse zu sich. Das tat ihm wohl. Dann schlief er ein. Er musste Kräfte sammeln, ehe er wieder etwas unternehmen konnte.

      Mit dem Morgengrauen wurde er wach. Nass, wie er immer noch war, fror er erbärmlich und sehnte sich nach der Wärme der aufgehenden Sonne. Er aß wieder ein wenig Trockenfleisch, fing eine Eidechse, die sich hervorgewagt hatte, verzehrte sie und betrachtete dabei die Quelle. Die herumliegenden Steine, zum Teil von bizarren Formen, bewiesen, dass der Steinhagel von Zeit zu Zeit auch aus dem Berg herausdrang. Eine nicht ganz eingestandene Hoffnung bewegte den Mann, als er die Steine einzeln musterte.

      Zu seinem Bedauern war kein Goldkorn darunter.

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