Harka. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Harka

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

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Жанр: Исторические приключения

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isbn: 9783957840004

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СКАЧАТЬ Ausschau zu halten. An diesem ersten Tage konnte auch kaum eine Gefahr drohen, denn der Zug befand sich noch in Jagdgründen, die unbestrittenes Revier der mächtigen Dakotastämme waren.

      Das Wetter hellte sich gegen Mittag zusehends auf. Die milchige Atmosphäre wurde kristallklar, und der Nordostwind milderte sich zu einem Luftzug, der mit den vergilbten nassen Gräsern spielte. Harka bedauerte, dass die Präriehunde, diese kleinen Nagetiere, schlau genug waren, um immer rechtzeitig in ihren Erdlöchern zu verschwinden, wenn der Wanderzug sich ihrem Bau näherte. Er kam nicht dazu, den Pfeil auf sie anzulegen. Die Kinder in den Rutschen ärgerten sich, dass die langen Schweife der Pferde ihnen immer wieder über das Gesicht schlugen. Mit dumpfem Geräusch liefen die vielen unbeschlagenen Hufe über das Grasland. Eine breite Fährte, tage-, ja wochenlang lesbar, blieb hinter dem Wanderzug zurück. Hin und wieder dachte Harka noch an die Höhle am Waldhang, die nun schon weit hinter den Wandernden zurückgeblieben war. Niemand im Wanderzug konnte wissen oder auch nur ahnen, was jetzt bei der Höhle und im Wald vorging.

      Die Bärenbande wanderte bis zum Abend. Da sich der Aufbruch am Morgen durch den Sturm verzögert hatte, war man bis Sonnenuntergang nicht mehr als fünfunddreißig Kilometer vorangekommen.

      Die Krieger wählten einen möglichst praktischen Rastplatz. Rechter Hand erstreckte sich eine Bodenwelle, deren Hang sich zu einem Gewässer hin abflachte. Von den sich leicht zu dem Gewässer neigenden Wiesen hatte die Feuchtigkeit bereits abzusickern begonnen, so dass man die Zelte nicht auf allzu nassem Boden aufzuschlagen brauchte. Der kleine Präriebach löschte den Durst von Mensch und Tier. Holz war nicht vorhanden. Man sah davon ab, Feuer zu machen. Nur der ausgehöhlte, im Innern von einem nie verlöschenden Feuer kohlende Stamm wurde mit seiner Glut auch in dieser Nacht sorgfältig gehütet. Alte Männer hatten ihn auf der Wanderung mitgetragen. Es war seit unvordenklicher Zeit Sitte, das wertvolle Feuer, das fast wie ein Heiligtum gehalten wurde, auf diese mühsame Weise mitzuführen.

      Die Rutschen wurden abgehängt und die Zelte aufgeschlagen. Wie die anderen, so schlug auch die Witwe des Weißen Büffel das gewohnte Zelt auf. Es war noch nicht darüber entschieden, welcher Familie sie mit ihrem Sohn zu Schutz und Nahrung zugeteilt werden sollte.

      Alle Menschen waren müde und schliefen nach einem kleinen Imbiss in ihren Decken schnell ein. Die Pferde knabberten noch am halbverfaulten Wintergras und suchten die ersten grünen Spitzen, die aus dem Boden kamen. Die Hundemeute hatte sich friedlich zusammengefunden; die Tiere lagen dicht beieinander. Einer wärmte den anderen.

      Der Himmel blieb klar, und obgleich der Wind sich gelegt hatte, war es in der Nacht bitter kalt. Einem großen Meer gleich, lief die Prärie in Wellen bis zum fernen Horizont.

      Die Stunden vergingen.

      Es war schon weit nach Mitternacht, als Harka auffuhr. Ein heller, durchdringender Ruf hatte ihn geweckt. Der Kriegsruf war es nicht gewesen. Den Kriegsruf kannte jedes Kind im Traum und im Schlaf, so oft wurde das schnelle Erwachen auf diesen Ruf hin, das Aufspringen, Zu-den-Waffen-Greifen geübt. Der Kriegsruf war es also nicht gewesen, aber ein Warnruf. Harka trug, wie der Vater, das Messer in der Scheide an einer Schnur um den Hals; er hatte die Waffe heute in der Nacht nicht abgelegt. Bogen und Pfeile hatte er sich neben das Lager geordnet, und als er jetzt aufsprang, hielt er sie auch schon in der Hand. Draußen war Unruhe. Die Hunde jaulten, zornig und ängstlich. Harka hörte das Gedränge und das Stampfen der Pferdeherde und lief aus dem Tipi. Mattotaupas Hengst, der vor dem Zelt angepflockt war, gebärdete sich wie toll und hätte sich gerne losgerissen.

      »Bleib bei dem Mustang!«, rief der Häuptling seinem Jungen zu, und schon war er selbst in Richtung der Bodenwelle verschwunden, zu der die Wiesen westwärts anstiegen. Eine Anzahl Männer folgte ihm. Harka erkannte Sonnenregen und einige junge Burschen darunter, und er war sehr unzufrieden, dass er zurückbleiben und das Pferd beim Zelt hüten sollte, aber er musste gehorchen. Aus dem Verhalten der Pferde, der Hunde und der Männer schloss Harka, dass sich hungrige Wölfe herangeschlichen haben mussten. Es konnten nicht die kleinen scheuen Kojoten sein, mit denen hätte die Hundemeute kurzen Prozess gemacht. Angst hatten die halbwilden Hunde nur vor den großen, grauweißen Präriewölfen. Harka versuchte, den Mustang des Vaters an dem ledernen Zügel zu halten, der um den Unterkiefer des Tieres befestigt war, aber die Aufregung des Hengstes, der sich als Leittier der Herde fühlte, war derart, dass Harka weder Pflock noch Zügel traute und sich schnell auf den Rücken des Tieres schwang, um wenigstens dabei zu sein, wenn es ausbrach, und es noch zu lenken. Reiten lernten die Dakotajungen vom vierten Jahr an, und Harka hatte bei Tschetan und seinem Vater eine gute Lehre durchgemacht. Jetzt, mit elf Jahren, war er schon imstande, sich auf dem Rücken eines wild eingefangenen Tieres zu halten. Er kannte den Charakter des kräftigen und entschlossenen Mustangs, auf dem er jetzt saß, und verstand seine Regungen. Dem Tier musste zumute sein wie einem gefesselten Krieger, wenn Frauen und Kinder angegriffen wurden. Harka überlegte kurz und handelte dann kühn: Er kappte mit dem Messer die Lederschnur, die den Hengst festhielt, und ließ ihn zu der Pferdeherde galoppieren. Mit hingebungsvollem Zutrauen wurde der Hengst von den Tieren dort begrüßt.

      Die Männer befanden sich unterdessen schon im Kampf mit den hungrigen Raubtieren. Weniger dem Spiel der nächtlichen Schatten als den Schreien, die von dem Höhenrücken her erklangen, entnahm der Junge, dass schon fünf Wölfe erlegt sein mussten. Die Hunde fassten mehr Mut; besonders die großen und starken unter ihnen stürzten vor und nahmen den Kampf mit auf. Harka leitete seinen Mustang mit vorsichtigem Schenkeldruck so, dass er die Pferdeherde ständig umkreiste.

      Plötzlich wandte sich das Pferd und schlug mit den Hufen hoch aus, und Harka hatte in demselben Augenblick zwei glühende Raubtieraugen im Gras beobachtet. Er klammerte sich mit den Schenkeln fest an das Pferd, spannte den Bogen und legte einen Pfeil ein. Der Wolf, dessen Augen der Junge erkannt hatte, änderte seine Taktik. Er wollte den hufschlagenden Hengst umschleichen und in die Herde einbrechen. Den Tieren waren am Abend die Vorderbeine gefesselt worden, so dass sie nur kleine Schritte machen und des Nachts nicht in die Prärie ausbrechen konnten. Sie waren dadurch aber auch einem Raubtier hilflos ausgeliefert. Es entstand sofort eine furchtbare Verwirrung in der Herde. Harka verschoss vom Rücken des bockenden Tieres einen Pfeil nach der Stelle, an der sich der Wolf bewegte, musste aber sogleich erkennen, dass er nicht getroffen hatte. Das Raubtier sprang eine Stute an, und diese tat das Einzige, womit sie sich noch wehren konnte: Sie warf sich hin und wälzte sich. Der Hengst, auf dem Harka saß, schlug und biss in seinem Zorn wie ein Irrer um sich, dazu umbrandete den Jungen das Heulen der Hunde, das Schreien der Männer. Es war sehr dunkel, da die Anhöhe Schatten gegen das Mondlicht warf.

      Harka sprang ab. Er konnte dies wagen, weil er wusste, dass der Leithengst die gefesselte Herde nicht verlassen würde. Da er Pfeil und Bogen nicht vertraute, hängte er den Bogen rasch wieder über die Schulter und nahm das Messer zur Hand. Der Wolf wollte sich eben am Hals der Stute festbeißen und war blind für alles andere. Der Junge kam heran, und mit einem kräftigen und gut gezielten Stoß stieß er das Messer dem Wolf bis zum Heft in den Hals.

      Er riss das Messer aus dem Körper des verendenden Tieres und stieß einen Siegesruf aus. Aber in diesem Augenblick wäre es ihm selbst fast ebenso ergangen wie dem getöteten Wolf. Er war wie berauscht von seinem Sieg und ließ einen Moment in seiner Aufmerksamkeit nach, und da musste er auch schon mit Schrecken begreifen, dass er sich einem ganzen Rudel der Raubtiere gegenüber befand. Blitzartig wurde ihm die Lage klar. Das große Rudel hatte sich geteilt; eine Gruppe hatte von der Anhöhe her einen leichten Angriff geführt, der den Wölfen zwar Verluste brachte, aber Männer und Hunde auch ganz und gar nach dieser Seite hin beschäftigte. Unterdessen war ein anderer Teil des Rudels im Halbkreis herumgeschlichen, um überraschend in die Pferdeherde einzubrechen. Bei den Pferden waren nachts immer Wachen aufgestellt. Harka hatte am Abend die Einteilung mit angehört und wusste, dass um diese Stunde die jungen Burschen Tschetan und Schonka bei den Mustangs sein mussten. Sie waren aber beide nicht da. Sicher hatten sie sich verführen lassen, wegzulaufen und bei der Anhöhe gegen die Wölfe zu kämpfen!

      Harka schrie СКАЧАТЬ