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hatte die Hermetik in der Renaissance und Reformation, in der Denker wie Agrippa (1486-1535) oder Paracelsus (1493-1541) unter ihrem Einfluss standen. Danach wurde sie zur Randerscheinung, bis Court de Gébelin ihre mystische Weisheit wieder entdeckte und mit dem Tarotspiel in Verbindung brachte. Er glaubte auch zu wissen, dass der Tarot aus Ägypten stammte und von den Zigeunern nach Europa gebracht worden war. Ebenso schuf er die Verbindung zwischen der Großen Arkana und der jüdischen Religion, indem er feststellte, dass die großen Trumpfkarten eine bildhafte Entsprechung der 22 hebräischen Buchstaben waren, eine Behauptung, die später bei nachfolgenden okkult engagierten Gelehrten, Mystikern und Magiern reichlich Früchte tragen sollte und heute noch die spirituelle Betrachtungsweise der Karten tief beeinflusst, auch wenn sämtliche von Court de Gébelin aufgestellten Behauptungen aus heutiger Sicht zumindest als sehr fragwürdig erscheinen. Eine Erklärung seines ausgeprägten Sinnes für Eingebungen und Visionen mag die von zwei gegensätzlichen Strömungen geprägte Zeit sein, in der er lebte. Auf der einen Seite bildete sich der Siegeszug der Aufklärung und des Materialismus in Form der industriellen Revolution, und auf der anderen entfaltete sich eine immer stärker werdende Hinwendung zu Mystik und spiritueller Sinnsuche. Gébelin gehörte zu jenen Pionieren seiner Epoche, die dem Glauben frönten, man könne die materielle Welt nicht erobern, wenn man ihr tiefstes Wesen und das innere Wirken nicht begriffen hätte. Aus dieser Haltung schaffte er den Spagat zwischen den beiden Welten der Mystik und Ratio, indem er den Fortschritt mit klassischem Altertum zu verknüpfen suchte und damit einer der Vorreiter der Idee wurde, der Gesellschaft das verborgene oder verloren gegangene Geheimwissen wiederzubringen. So legte er nicht nur die Grundlage für den Tarot als spirituellen Einweihungsweg, sondern war mit seinem Bedürfnis, den Menschen die alten Weisheitslehren wieder zugänglich zu machen, zugleich auch einer der geistigen Väter der heutigen esoterischen Bewegung. Die Gegenströmung zum Rationalismus gewann in der ersten Hälfte des anbrechenden 19. Jahrhunderts immer mehr an Macht. Während im Sturm und Drang-Deutschland Goethe seinen von hermetischem Gedankengut durchtränkten Faust zu Papier brachte und Geheimgesellschaften wie die Rosenkreuzer oder Freimaurer aus dem Boden schossen, nahm auch das Wahrsagen mit Spielkarten an Beliebtheit ungeheuer zu. Zurückzuführen war dies unter anderem auf die berühmte Wahrsagerin Madame Lenormand (1772-1843), die das Kartenorakel aus dem verpönten Dunstkreis der Hinterhöfe in den Fokus der guten Gesellschaft brachte. Diese Sitten missfielen einem gewissen Abbé Alphonse Louis Constant (1810-1875), der sie in einem 1853 erschienenen Zeitungsartikel aufs Schärfste monierte. Darin beklagte er den Verfall der wahren Weisheit des Gottes Thoth zu Zigeuner- und Wahrsagekarten. Später nannte er sich Éliphas Lévi, mauserte sich zum größten Okkultisten Frankreichs und wurde nicht nur zu einem der geistigen Hauptbeeinflusser von Waite (1857-1942) und Crowley (1875-1947), sondern auch zu einem der wichtigsten Weichensteller der heutigen Esoterik und Auffassung von Magie überhaupt. Er begann seine berufliche Laufbahn als Diakon und wurde nach seinem Ausschluss aus der Kirche zum politischen Aktivist, der in der Revolution 1848 an vorderster Front kämpfte. Nach dem Scheitern seiner politischen Ideale änderte er Leben und Namen radikal. Als ehemaliger Revoluzzer und Idealist glaubte er daran, dass Spiritualität das Recht eines jeden sei und veröffentlichte im Laufe der nächsten Jahrzehnte mehrere Bücher, die heute noch als Standardwerke der Magie angesehen werden. Unbeirrt von der Tatsache, dass seine Kenntnisse der Kabbala, wie böse Zungen raunten, ähnlich bescheiden waren wie bei seinen späteren Erben Papus und Crowley, sah er den Tarot als Bilderschlüssel zum Verständnis dieser Geheimlehre und untermauerte Court de Gébelins Verknüpfung mit den 22 hebräischen Buchstaben mit einer durchdachten und sehr leidenschaftlich vertretenen Theorie. Lévi vervollständigte die Idee von der Übereinstimmung der 22 Trümpfe mit dem jüdischen Lebensbaum. Er behauptete ferner, dass die zehn Sephirot und die 22 Karten der Großen Arkana die 32 Wege absoluten Wissens für Kabbalisten darstellen und ordnete die 22 Buchstaben des hebräischen Alphabetes in einer neuen Reihenfolge den 22 Trümpfen des Tarots zu. Damit lieferte er zugleich den Nährboden für Generationen begeisterter Forscher und Stubengelehrter, die bis heute immer wieder die Verbindung zwischen Kabbala und Tarot neu durchleuchten, ordnen, ausbauen und zu Deutungszwecken nutzen. Vom Gebrauch des Spiels zu Divinationszwecken hielt der rebellische Magier jedoch wenig und schenkte seine schreibfreudige Aufmerksamkeit ausschließlich dem den Karten innewohnenden großen Mysterium. Gerard Encausse (1865-1916) schließlich, der unter seinem Pseudonym Papus gemeinsam mit dem höchst exzentrischen Baron Stanislas de Guaita den Kabbalistischen Orden des Rosenkreuzes gründete, intensivierte Lévis hermetisches Konzept und war der Letzte der französischen Linie.
Tarot und der Golden Dawn
Während die geistige Strömung Frankreichs Ende des 19. Jahrhunderts in der Dekadenz des Fin de Siècle gipfelte, die Theosophie immer mehr Anhänger fand und in den deutschsprachigen Ländern die Psychologie und das Unbewusste entdeckt wurden, verlagerte sich die Beschäftigung mit okkulten Lehren, Magie und dem Tarot von Frankreich zunehmend nach England. In den Fußstapfen zweier der bekanntesten Okkultisten des 19. Jahrhunderts, Levi und Papus, gründeten Alphonsos Woodford und Wynn Westcott zusammen mit S. L. Mathers 1887 den Hermetic Order of the Golden Dawn. Dieser Orden in der Tradition der Rosenkreuzer war in ein strenges hierarchisches System verschiedener Entwicklungsstufen (Grade) gegliedert, die die Mitglieder nacheinander durchlaufen mussten. Tarot galt als eine Übungsdisziplin besonders für Neophyten (Anfängergrad) und diente der Schulung der Imaginationskraft sowie den hellseherischen Fähigkeiten. Anders als heute, wo die Karten auf eher psychologische Art gedeutet werden, orakelte man damals mehr auf Zigeunerart - es ging unter anderem darum, möglichst exakte Vorhersagen für die Zukunft treffen zu können. Zugleich galt der Tarot weiterhin als Buch der Weisheit und kabbalistisches Einweihungssystem in die Bildersprache, das erst Mitgliedern höherer Ordensgrade in seiner wahren und geheimen Bedeutung wirklich offen war. Diese Verbindung des Tarots zur Kabbala wurde in der Tradition Lévis fortgeführt. So prägte der Orden mit seinen vielfältigen Forschungen und Theorien nicht nur die Entwicklung des Tarots, sondern viele der heute verbreiteten esoterischen und okkulten Lehren. Auch A. E. Waite und Aleister Crowley waren Mitglieder des Golden Dawn. Pamela Colman Smith (1878-1951) schuf Anfang des 20. Jahrhunderts nach Vorgaben von E. A. Waite den heute als Rider-Waite bekannten Tarot im damals modernen präraffaelitischen Stil. Crowley trat 1899 in den Orden ein, kletterte in rasanter Geschwindigkeit die Mitgliedsgrade hoch und war schließlich entscheidend daran beteiligt, dass sich der Golden Dawn zerstritt und schließlich auflöste. Den Thoth-Tarot entwickelte er zusammen mit der Malerin Lady Frieda Harris (1877-1962) erst wesentlich später, in den 40er-Jahren, kurz vor seinem Tod. Die Künstlerin ließ in die Gestaltung der Bilder anthroposophische Erkenntnisse über die projektive Geometrie einfließen, während Crowley sein gesamtes magisches Wissen, seine reichhaltige und zuweilen exzentrische Weltanschauung auf der Basis der hermetischen Geheimlehre in die Symbolik der Karten einbrachte. So hat sich Gébelins wilde Theorie vom Weisheitsbuch Thoth ein gutes Jahrhundert später in Crowleys Interpretation des Tarots tatsächlich manifestiert und ist uns als grundlegende Theorie erhalten geblieben.
Tarot im 20. Jahrhundert
Peu à peu trat die Psychologie unter Sigmund Freud (1856-1939) und besonders C. G. Jung (1875-1961) ins Rampenlicht, während das Reich der Hermetik, Magie und Spiritualität im Laufe des Kapitalismus, Rationalismus und zweier Weltkriege in die verruchte Ecke unglaubwürdiger Scharlatanerie und absonderlichen Aberglaubens verdammt und fortan belächelt wurde. Jung wurde im gleichen Jahr wie Crowley geboren und hegte wie dieser ein großes Interesse am Okkultismus, doch seine Arbeit zielte in einen anderen Bereich. Seine Lehren vom Unbewussten, den Archetypen, den Animus- und Anima-Konstrukten sowie der Synchronizität sind aus der modernen Tarotliteratur nicht mehr wegzudenken. Mit den bewegten 60er-Jahren begann ein neuer Aufschwung der Esoterik, der bis heute andauert, denn die alten Lehren, die das Fundament zur Betrachtung und Deutung der Tarotkarten bildeten, erhielten durch die Öffnung für neue religiöse Strömungen und Weltanschauungen ständig neue Impulse. Dazu zählen nicht nur östliche Einsichten und Weisheiten, sondern
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