Название: Reiten wir!
Автор: Tommy Krappweis
Издательство: Автор
Жанр: Языкознание
isbn: 9783944180885
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Die Geschichten in diesem Buch sind so unterschiedlich wie die Autoren: Mal spannend, romantisch, lustig, dramatisch oder tragisch. Es war nie das Ziel dieser Anthologie, authentische Karl-May-Geschichte neu zu erfinden, sondern den damals gefühlten Zauber neu zu entfachen. Jeder Autor sagt auf seine Weise »Danke« an einen der größten Geschichtenerzähler ihrer Jugend.
Dieses Danke drückt sich nicht nur in den Geschichten aus, denn alle Autoren und Illustratoren sind sich einig, dass die Erlöse dieses Buches dem Karl-May-Museum in Radebeul gespendet werden. Dafür möchte ich mich noch mal herzlich bedanken!
Nun bleibt mir nicht mehr, als Sie auf die Reise in einen Wilden Westen zu schicken, den es niemals gab und Ihnen viel Vergnügen zu wünschen!
Reiten Wir!
Alex Jahnke
VORWORT
RUTH ELLEN GRUBER
Ich wuchs im Nachkriegs-Amerika auf, ein Ostküstenkind gefangen in den Fantasien der »Frontier«. Mein Zuhause war in der Nähe von Philadelphia – tausende Kilometer von dem entfernt, was man einst den Wilden Westen nannte. Doch ich wurde verzaubert durch die Westernserien mit Gene Autry, Roy Rogers, Hopalong Cassidy, dem Lone Ranger und vielen anderen. Schon als kleines Kind lief ich mit Cowboyhut und Spielzeugrevolver umher. Meine Mutter (sowie ihre Mutter davor) kamen aus Texas und ich bekam meine erste Cowboyausrüstung als Kleinkind im Kurzwarenhandel meines Großonkels in Baytown, am Golf von Mexiko.
In dieser Hinsicht war ich eines von Millionen Kindern Amerikas – und ebenso Erwachsener. John Wayne hatte seine Hochzeit und Western waren extrem populär. Ich unterschied mich aber in einem wesentlichen Punkt: Als Teenager war ich eine der wenigen Amerikanerinnen, die Karl May kannten und eine der ganz, ganz wenigen – ich gestehe – die sich, wie unzählige europäische Mädchen, in den verträumten französischen Schauspieler Pierre Brice und seiner Rolle als Winnetou verliebten.
In den letzten 12 Jahren forschte ich zu dem Thema, das ich »Imaginary Wild West in Europe« nenne. Eine breitgefächerte Subkultur, welche alles beinhaltet – von Wild-West-Freitzeitparks über Rodeos bis hin zu Trucker-Festivals und der mannigfaltigen Reenactor-Szene. Countrymusik in all seinen Spielarten bildet dazu den Soundtrack. In einem Aufsatz aus dem Jahr 1999 bezeichnen Edward Buscombe und Kevin Mulroy Amerikas Legende der Besiedlung des Westens als »den am erfolgreichsten vermarkteten Nationalepos in der Geschichte1« . Jeder hat das Gefühl, ein Teil davon zu sein und in der Tat, die Cowboys, die Indianer, die Weite einer Westernlandschaft, die Schlangenlederstiefel, die schwingenden Saloontüren, die nicht enden wollenden Straßen, das Twang eines Banjos oder einer Steel Guitar: All dies sind direkt wiedererkennbare Symbole voller Subkontexte und Nuancen.
Diese Faszination, wie auch die Entwicklung des Phänomens, hat eine lange Geschichte. Als Buffalo Bill vor mehr als einem Jahrhundert durch Europa zog und dabei selbst die heutige Ukraine erreichte, zog er mit seiner Fleisch und Blut gewordene Verkörperung einer literarischen Fantasie riesige Menschenmassen an. Einige Jahrzehnte früher hatten der »Letzte Mohikaner« und andere Werke von James Fenimore Cooper den europäischen Kontinent im Sturm genommen. Während des 19. Jahrhunderts entwickelte Europa seine ganz eigene Tradition der Wild-West-Literatur. Karl May war der populärste und erfolgreichste Autor dieser neuen Tradition, aber bei weitem nicht der Einzige. Dutzende europäische Autoren schrieben Abenteuer, die im Wilden Westen spielten.
Eines meiner Hauptinteressen in der Erforschung des »Imaginary Wild West« Europas ist die Art und Weise, wie sich die Europäer der amerikanischen Archetypen angenommen und sich diese zu eigen gemacht haben – sei es durch Literatur, Convention oder durch ihre eigenen fiktionalen Heldenfiguren. Der Wissenschaftler Richard Carcroft schrieb dazu: »Andere Nationen haben einen Anspruch auf den amerikanischen Westen, der ebenso bedeutend ist, wie der der amerikanischen Nation selbst2«
In vielerlei Hinsicht ähnelt die Art, wie Europäer die Mythologie des Wilden Westens für sich vereinnahmen und ausschmücken dem, wie es auch Amerikaner tun. Doch Europäer nähern sich diesem Thema (oder das Thema nähert sich ihnen) aus der Ferne, aus einer anderen und in gewisser Weise mehr desinteressierten Richtung: Sie nähern sich dem amerikanischen Westen aus Gesellschaften, Staaten und Kulturen, deren eigene Nationalidentität nicht von der amerikanischen Gründungslegende abhängt. Ihre Begeisterung ist daher eher in einer Art transformativer Nostalgie verwurzelt – für etwas, das es vielleicht niemals gegeben hat. Der Brite David Hamilton Murdoch schrieb dazu in seinem Buch »The American West: Creation of a Myth«, dass Europäer »Außenseiter sind, die in das Innerste schauen – auf ein Bild der Welt, die sie niemals hatten. Für sie ist der mystische Westen der schönste Eskapismus. Was für Amerikaner der Fallstrick ihres eigenen Mythos ist, ist für andere die eigentliche Essenz3.«
Mein erster persönlicher Kontakt mit dem Imaginary Wild West Europas – und mein Entdecken Karl Mays – fand im Jahr 1966 statt. Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, während meine Familie den Sommer in der kommunistischen Tschechoslowakei verbrachte; mein Vater leitete eine archäologische Grabung in der Nähe von Prag. Ich schrieb damals Tagebuch; ein Tagebuch, welches ich (verblüffenderweise) immer noch besitze. Darin notierte ich mit einiger Verwunderung die tschechische Faszination zu Winnetou und zum Wilden Westen im Allgemeinen. Tatsächlich haben die Tschechen eine lange Tradition einer Outdoor- und Musiksubkultur namens »Tramping«, die sich nach dem 1. Weltkrieg entwickelte und den amerikanischen Westen romantisiert. Tschechische Tramps trugen oft Cowboyhüte oder Bandanas, sie gaben ihren Camps Namen wie »Colorado« oder »Arizona« und schmückten sie mit Totempfählen, Tipis und anderen Symbolen des Wilden Westens. Die Inspiration dazu zogen sie aus vielen Quellen, darunter auch Karl May: Winnetou wurde bereits im Jahr 1901 ins Tschechische übersetzt.
»Cowboys und Indianer sind ÜBERALL!«, schrieb ich in mein Tagebuch. »Besonders (…) die Filme mit Winnetou und Old Shatterhand. Hemden, braun, mit falschen Fransen und Schnürung werden als ARIZONA beworben, direkt daneben werden TEXAS Blue Jeans angeboten …«
»Winnetou«, so schrieb ich, »ist anscheinend der feierlich dreinschauende Indianer (in typischer Kleidung), der entweder wie Sal Mineo oder Paul Newman aussieht (oder wie beide)«. In jedem Schaufenster, so notierte ich damals, »findet man Farbpostkarten oder Dias mit Szenen aus dem Film zum Kauf; ich entdeckte Winnetou-Schokoriegel, -Bücher und ein Poster zum Winnetou-Soundtrack, usw«. Weiterer »Vinnetou Junk« (wie ich es in der tschechischen Schreibweise nannte), waren unter anderem »Bügelaufnäher, Jeanshosen, Aushangkarten, Spielkarten mit dem Schauspieler, der Vinnetou spielt, Zeitschriftencover …« Ich kaufte Fotos von Pierre Brice und schnitt sein Bild aus tschechischen Zeitschriften aus. Und ich sah den Film »Winnetou« im Fernsehen. »Es war ein ziemlich schlechter Film, aber in einigen Punkten interessant«, war meine strenge Teenagerkritik. Die interessanten Punkte waren die internationale Besetzung, die Tatsache, dass der Film in Jugoslawien gedreht war, die Besonderheit, dass die Indianer die Guten waren (im Gegensatz zur typisch amerikanischen Erzählweise) und die »hohe und nasale« Stimme des Schauspielers, der Brice in der tschechischen Version synchronisierte: Im Imaginary Wild West der amerikanischen Filme und TV-Serien hatten Indianer (wie zum Beispiel Tonto, der Gefährte des Lone Rangers) eine tiefe Stimme.
Als Brice 2015 im Alter von 86 Jahren verstarb, verfiel ein großer Teil Europas in Trauer; aber nur wenige Amerikaner (außer mir) hatten jemals seinen Namen gehört. Ich bedauere sehr, dass ich nie die Gelegenheit hatte, ihn persönlich zu treffen und ihn für mein »Imaginary Wild West«-Projekt zu interviewen – oder ihn wenigstens einmal als Winnetou in Bad Segeberg gesehen СКАЧАТЬ