Название: Reiten wir!
Автор: Tommy Krappweis
Издательство: Автор
Жанр: Языкознание
isbn: 9783944180885
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Es ging weiter. Ich kam nicht umhin, die geschmeidigen Bewegungen Ellens zu bewundern. Sie glitt mit ihrem Tier eher über den Boden, wo mich jede Unebenheit auf und ab warf. Ich war Ritte in anderen Positionen gewohnt.
»Die Brüder werden uns dicht auf den Fersen sein«, mutmaßte Ellen. »Mister Morrison, kennen sie die Anhöhe, wo der Tadpole Creek in den Wyig River fließt?« Der Angesprochene nickte und Ellen ergänzte: »Ich werde die Brüder in die Irre führen und wir treffen uns dort morgen Abend, in Ordnung?«
Wir blieben noch eine Weile beisammen, bis wir einen Fluss erreichten. Morrison lenkte unsere Tiere hinein und gegen die Strömung an. Ellen hingegen durchquerte den Fluss, ließ ihr Pferd noch einmal aufsteigen, damit es viel Erde aufwühlte, und galoppierte dann mit großen Sprüngen gen Osten. Ich sah ihr nach, bis sie aus meinem Sichtfeld verschwunden war. Sie konnte mit Sicherheit auf sich aufpassen. Das konnte sie immer.
An einer steinigen Stelle verließen wir das Wasser und wandten uns ebenfalls nach Osten. Wir ritten bis zur Dämmerung und schlugen unser Lager in einer Senke auf. Wir hatten ein paar Scheite Holz auf dem Weg aufgelesen, nun brannte ein kleines Feuer gegen die nächtliche Kälte. Morrison röstete in einer gusseisernen Pfanne etwas Bacon mit Zwiebelringen und gab eine Dose Bohnen dazu. Es roch verführerisch und schmeckte fantastisch.
Das angenehme an meinem Begleiter war, dass er nicht dazu neigte, zu quasseln. Andererseits war es für mich eine unangenehme Stille. War ich doch die Geräuschkulisse des Saloons gewohnt, die Pianomusik, die grölenden Betrunkenen, die melancholischen Träumer an der Theke, die Kartenspieler und Halbstarken. Hier war das Schnauben unserer Pferde die einzige Abwechslung.
Ein leichtes Knirschen von Kieseln und leise gesetzten Sohlen, dann die Bewegung von Lederzeug und das Aufklappen von Satteltaschen weckten mich. Vermutete ich zunächst, dass Morrison sich etwas leise aus seiner Tasche nahm, so wurde ich eines besseren belehrt, als ich seinen typischen Tabakgeruch sehr deutlich riechen konnte. Es musste meine Tasche sein, an der er sich zu schaffen machte. Ich war entsetzt! Ich stellte mich schlafend, deutete aber durch ein paar kürzere Atemzüge und eine Drehung an, dass ich wacher geworden war. Tatsächlich erklangen kurz erneut Geräusche bei meiner Tasche, dann entfernten sich Schritte.
Ein Schuss. Ich hörte den Aufschrei eines Mannes und sprang auf, meine kleine Pistole gezückt. Eine Gestalt taumelte auf mich zu, wurde von einem weiteren Schuss zurückgeschlagen und sank mit einem Krächzen zu Boden. Phillip, der mittlere der Jameston-Brüder lag ausgestreckt auf dem Boden, eine große Wunden in seinem Brustkorb. Er starrte ungläubig auf den Kranich in seinen Händen und dann auf das Blut. »Noch zwei», kommentierte mein Beschützer knapp und wand dem Sterbenden das Räuchergefäß aus der Hand. Er wischte es mit seinem Taschentuch sauber. »Dieser vermaledeite Kranich!», entfuhr es mir. »Langsam glaube ich doch, dass der Fluch auf ihm liegt.« Morrision hob seinen Kopf ein wenig und musterte mich, während er mir den nun sauberen Vogel unbeirrt zurückgab. Ich schluckte. Philip war gar kein so übler Bursche gewesen. Er wusste sich gut zu kleiden, wusch sich regelmäßig und für gewöhnlich benahm er sich respektvoll mir und meinen Mädchen gegenüber.
Ich unterbrach meine Gedanken und betrachtete die Statue in meiner Hand mit einer gewissen Skepsis. Könnte es möglich sein? War sie die Ursache für all das? Ich verpackte sie mit einem mulmigen Gefühl. Es musste ja einen Grund für die Unfälle in der Mine und die ganzen Toten der letzten Tage gegeben haben. »Wenn bereits mit Sicherheit zwei der Brüder tot sind, einer vielleicht verletzt, dann frage ich mich», sinnierte ich laut, »wo die anderen Mitglieder dieser Verbrecherbande wohl sind. Hoffentlich nicht bei Ellen.« Morrison berührte mich vorsichtig an der Schulter, dann zog er mich in eine Umarmung. Erst jetzt bemerkte ich das Zittern meines Körpers. Langsam sickerte durch meine verwirrten Gedankengänge hindurch, was ich gerade erlebt hatte. Wir setzten uns ans Feuer und wie in der ersten Nacht bettete er meinen Kopf auf seine Beine, bis ich einschlief.
Ellen erwartete uns unversehrt am vereinbarten Treffpunkt. Scheinbar waren die Jamestons nicht auf unsere Finte hereingefallen, sondern hatten uns bereits dort verfolgt. Vielleicht waren die zwei verbliebenen nach Hause zurückgekehrt. Ellen zuckte über diese Mutmaßungen nur die Schultern. Als Morrison abends noch eine weite Runde um unser Lager drehte, damit wir nicht noch einmal überrascht wurden, fragte sie mich: »Liebes, woher kennst Du deinen Mister Morrison eigentlich? Er macht einen wirklich anständigen Eindruck.«
»George und ich … Ach, das ist eine lange Geschichte. Er gehört nicht unbedingt zu den Männern, die den Sheriff als guten Freund bezeichnen würden. Der ein oder andere Diebstahl hat ihn wohl schon des Öfteren in das Jail gebracht. Eines Nachts, er war Kunde bei mir, gab es einen Überfall auf die hiesige Bank. Man vermutete Morrison dahinter und drohte ihn aufzuknüpfen. Vielleicht war ich damals ein bisschen in ihn verliebt. Und obwohl ich mir nicht sicher war … Ich war damals in seinem Arm eingeschlafen und ich habe einen tiefen Schlaf … Ich sagte also zu seinen Gunsten aus. Und in so einer kleinen Stadt hat mein Leumund einiges an Gewicht. Er kam unbescholten aus der Sache davon.«
»Du weißt also nicht mit Sicherheit, dass er es nicht war?», fasste Ellen die Tatsachen kühl zusammen. »Das ist wahr, wissen tue ich es nicht. Aber ich habe ein gutes Gefühl für Menschen.« Ellen nickte knapp und damit war die Angelegenheit für sie erledigt. Ich jedoch hatte diesen Kloß im Hals. Ich hatte bisher die Tatsache verdrängt, dass der Mann, in dessen Schutz ich mich begeben hatte, vermutlich nicht minder skrupellos war, als die Jameston-Brüder.
Wir ritten weitere ungestörte Tage ostwärts durch die Prärie, bis wir schließlich die auf der Karte verzeichnete alte Mine erreichten. Sie war schon seit mehreren Jahren verlassen. Nur noch Überreste von provisorischen Gebäuden waren zu erahnen. Es schien, als sei dieser Claim recht rasch wieder aufgegeben worden. Wir banden die Pferde etwas verborgen in der Nähe des Eingangs an. Ellen hatte an alles gedacht. Sie holte eine kleine Laterne aus ihrer Satteltasche und entzündete sie, während Morrison die Bretter vom Eingang entfernte.
Wir hatten uns noch im Tageslicht die Karte von Mister Colten genau eingeprägt. Die Gänge waren tief und krumm. Ich fürchtete jeden Moment, dass die morschen Stützbalken unter dem Gewicht der Erde einstürzen würden. Der Untergrund verschluckte unsere Schritte, doch unsere Stimmen wurden dafür seltsam weit getragen. Ich griff nach meiner Pistole und hielt sie fest umklammert; als ob sie mir etwas nützen konnte, wenn ich hier unten verschüttet wurde. So manches Mal spielte der Wind uns einen Streich, indem er unsere eigenen Geräusche dergestalt umhertrug, dass wir – vornehmlich ich – uns davor fürchteten. Wir irrten wohl gut eine Stunde durch die Gänge, ohne eine Ahnung wo die Karte anfing. Endlich kamen wir an eine Stelle, die dem aufgezeichneten Weg ansatzweise glich. Ellen leuchte die Wand ab und ich schrie, als der Lichtkegel der Laterne auf einen blanken Schädel fiel. Halb unter Geröll zerdrückt, lag dort ein Skelett. Ich kann mich an keinen grausameren Anblick erinnern. Nicht einmal der plötzliche Tod des lieben Mister Colten hatte mich derart erschreckt, wie diese unglückselige Gestalt, die – wenn ich die Position des Skelettes richtig deuten konnte – versucht hatte, der Gewalt des Berges zu entkommen, nachdem sie zur Hälfte darunter zerquetscht worden war. Sollte es tatsächlich einen Fluch geben, diese arme Seele hatte er getroffen.
Morrison war es schließlich, der unsere entsetzte Starre durchbrach und sich zu dem Skelett hinabkniete. Er fasste beherzt unter den Torso und holte ein Bündel hervor. Motten flogen daraus auf uns zu; es staubte. Ellen trat näher heran und beleuchtete den Fund. Es glänzte silbrig.
Im Halbdunkeln der Laterne erkannte ich, dass es sich um eine Art Truhe handelte; drei löwenartige Kreaturen waren darum angeordnet. ›Shishis‹, erläuterte Ellen: »Wächter, in der Mythologie. Mir scheint, dies ist auch ein Räuchergefäß.« Morrison versuchte vorsichtig, es zu öffnen, doch der Rand war mit Wachs verklebt, sodass wir entschieden, es draußen im Tageslicht zu versuchen, um nichts zu zerstören. Wir bedeckten den Toten mit weiteren Steinen und improvisierten aus ein paar Holzstücken ein Kreuz, damit er wenigstens hier seine Ruhe СКАЧАТЬ