Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Zwei Freunde

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783957840127

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СКАЧАТЬ und Gärten herausfloß.

      Oskar Wichmann hörte Schritte, ohne den Kopf zu wenden. Sie klangen leicht, dem Verdämmern der stillen Straße angepaßt, in einem doppelten Takte, der das Gehen zweier Menschen verschiedenen Wuchses verriet. In dem zwiefältigen Schimmer, in dem die Ausstrahlungen der Laterne in das Dunkel der Parkwege hineintasteten, wurde die Bewegung für den, der sie gehört hatte, auch sichtbar. Er sah eine Frau, ohne den Mann, der sie geleitete, bewußt wahrzunehmen. Sie trug ein Cape aus schwarzem Tuch, das auch im matten Schein glänzte; der Hut, die hohen Stiefel, der dünne scharfe Strich der Reitgerte waren durch den nervenreizenden Gegensatz ihrer Steifheit und Strenge mehr Enthüllung als Versteck für die Grazie des Frauenleibes.

      Das Melodische der Stunde, die zwischen Abend und Nacht schwebte, löste gleiche Schwingungen in der Körperseele des fünfundzwanzigjährigen Mannes. Der Klang jener Schritte, der auf sandbestreutem Weg die Grenze des hörbaren Lauts kaum mehr berührte, hallte in ihn hinein, und er horchte auf sie wie auf das Ausklingen einer Saite, das durch keinen anderen Ton mehr gestört wird. Seine eigene Hand war nur noch ein matter Schatten. Er zog an der Zigarette. Das Feuer war ausgegangen.

      Oskar Wichmann war wunderlich verzaubert und ließ sich von der Nacht in tiefere Träume spinnen. Seine Hände wurden langsam kalt, und Feuchtigkeit setzte sich an seine Haare. Es war eine untergründige Wollust in dem Gefühl, eine sehr schöne Frau gesehen zu haben, und das Unbestimmte und Unbekannte ihrer Erscheinung machte das Spiel der Phantasie frei und süß. Die Mächte, denen der Zufall untertan war, hatten ihn in der fremden Stadt in das Haus geführt, das dem ihren gegenüberlag. Niemand verwehrte ihm, die tausend Möglichkeiten zu durchfliegen, die für das Wiedersehen der noch Unbekannten offen lagen. Eine einzige Bewegung ihrer Schulter hatte sie nackt vor ihm gemacht; die Mischung von Fremdheit und unbegreiflicher Nähe verwirrte und verstrickte ihm das Gefühl.

      Als er die schweren Vorhänge geschlossen und die Stehlampe mit dem dunkelgrünen, tief heruntergeführten Schirm auf ihren geschnitzten Füßen näher gerückt und zum Brennen gebracht hatte, begann sein Verstand zu sagen, daß er wisse, wen Oskar Wichmann gesehen habe. Aber seine Empfindung tanzte auf dünnem Seil hoch über diese Wissenschaft hinweg; sie balancierte, die Tiefe unter sich, in freien Lüften, gewichtslos fliegend im Raume des Traums. Mochte ein anderes Selbst spotten, daß eine Tasse Tee, eine halb angerauchte Zigarette, etwas Moderduft und eine heimkehrende Reiterin das Herz des unbeobachteten Beobachters in die Schiffsschaukel primanerhafter Empfindungen heben konnten. Mochte es … schon gefiel dem jungen Manne das unnütze Schweben der Empfindungen zu gut, als daß er noch hätte davon lassen wollen.

      Wichmann ging auf dem unregelmäßig gemusterten Chinateppich auf und ab und sah mit neuen Augen das Zimmer, in das nie eine Frau zu führen er versprochen hatte. Das Nachgeahmte, Anspruchsvolle und Unbequeme seines Stils erschien ihm auf einmal lächerlich. Er dachte an seine Tätigkeit im Amt als etwas, was seinem allgemeineren Schaffensdrang nie würde genügen können, und die Stadt, in der er mehr durch Fügung als nach eigenem Plan gelandet war, hatte in der Unklarheit ihres Wesens nur das aufzuweisen, daß sie jene Frau beherbergte … jenen Schatten einer Frau. Obwohl alles unbefriedigend war, was ihn außer seinem Phantasiebild noch umgab, fühlte er sich nicht beengt. Flügel regten sich; seine Kräfte schliefen nur wie Vögel, die sich erst aus dem Nest recken mußten; er sah ihnen zu und fühlte sich voll Zukunft.

      Er lachte jungenhaft bei der Vorstellung, daß er reiten lernen werde. Der Schweißgeruch, das Schnauben edler Pferde waren um ihn, die Hufe klopften in die weiche schwarze Erde des Parks. Goldene Blätter fielen um den streng geformten Schulterschnitt eines Reitkostüms. Die Wiesengründe, die Baumgruppen, Bäche und kleine Brücken waren Ausdruck eines Lebens, in dem die unbeschnittenen Elemente des Seins sich zum Schönen zu entfalten schienen. Weit ausladende, lichtumflossene Zweige schlossen sich zu dem Bilde der Krone, die dem Keim im Boden vorschwebte und die er einmal unter aber tausend Malen vollkommen verwirklichte. Die Wurzeln des Grases fanden den feuchten Grund, den sie in dichter Verschlingung überzogen, um die eigene Art ungestört zum Wachstum zu bringen. Enten quakten und nisteten, das Wasser glitt in unsichtbarem Fluß, der Tiefe zustrebend, in den stummen Mund eines Teiches. Nichts war erzwungen und doch alles voll Kunst; die Elemente und Formen gaben sich der nachschöpfenden Hand des Menschen, und der tiefe Reiz, den gebändigte Kraft durch den geheimen Zwiespalt ihres Daseins ausübt, teilte sich dem Beschauer mit. So schien ihm das Weib, den Müttern der Erde verwandt, noch immer Urelement und dennoch zur Form geworden, dem Manne nie ganz ergründbar.

      Was war das Haus, in dem er sich befand? Dünn, dünn waren seine Wände und Dächer. Darüber standen die Sterne, darunter lag das Herz der Erde, unerkannt, ewig. Die Mächte des Alls gingen durch ihn hindurch, aus ihrem Atem atmete er, sein Blut wirkte aus ihren Kräften. Leib aus dem Mutterleib nie endender Zeugung und dem Winde verwandt … nicht wissend, von wannen er kommt oder wohin er geht – ein Glied in der tausend und aber tausend Glieder langen Kette … wie ein Hauch, der die Birke streift, und ihre Zweige folgen liebend dem Zug und träumen. Wo blieb die Grenze seiner Seele? Sie floß hinaus in die wirkenden Kräfte und empfing ohne Körperlichkeit.

      Alphonse … Die Nymphen sangen im weißen Nebel und sprachen mit dem Rauschen der Bäume, die zum Schlafe gingen.

      Ein Mensch sein, nichts als ein Mensch, nackend vor Gott und dem Teufel, unschuldig und grausam wie das Gras und die Bäume und frei über den Scherben der selbst erbauten Gefängnisse.

      Stärker noch als der Park war der Traum des Dschungels. Wenn der Tiger durch die Nacht schlich … Nein, Frau Geheimrat, dieses Bild kann der Verwaltungsassessor nicht mehr vor Ihnen entwickeln … aber wollen wir nicht einmal ehrlich sein? Wenn der Tropenregen Ihre Löckchen gepeitscht hat, daß die Strähnen wirr hängen, wenn die Natur Ihnen die Kleider vom Leibe reißt, daß Sie mit nacktem Hängefleisch zwischen Wurzeln und Schlingen stehen wie jene Wilden, über die Sie lachen – dann sind Sie nichts mehr als eine der welkenden, nicht zur Frucht gekommenen Blüten, die bald im Wasser verfaulen. Aber die Tigerin schleicht und knurrt, ihre Sehnen spannen sich, ihre Tatzen treten leise. Dieses herrlichste Geschöpf eines fremden Gottes begegnet dem Stärkeren in der Nacht und unterliegt dem, der sie aus unbewußten Trieben gesucht und gefunden hat. Sie kannten sich nie im Licht, die beiden, und werden sich bei Tage nie wiedererkennen. Einzige leichte Bewegung, mit der eine Schulter des echten Weibes die Säulen und Dächer der Zivilisation stürzt, und es ist nichts mehr da als das wunderbare Leben und der Augenblick seiner Schöpfung.

      Wichmann hatte den Schritt angehalten. Die Stimmungen, die ihn überkamen, waren ihm fremd und unheimlich. Er hatte eine Hexenmeisterin gesehen.

      Als er sich entkleidete, fielen ihm die guten Maße des eigenen Körpers auf. Etwas störte ihn. Er wurde unruhig wie ein Wanderer, der sich zu weit in den Sumpf gewagt hat und des Rückwegs nicht mehr gewiß ist. Schnell brachte er die Abendtoilette zum gewohnten Ende und lagerte sich unter den Daunen.

      Der Schein der grünen Lampe fiel auf das dünne Papier und die Antiquaschrift des Faust; Wichmann hatte ohne Wissen aufgeschlagen, um dem Zufall eine Frage zu stellen.

       Mephisto: »Ein überirdisches Vergnügen!

       In Nacht und Tau auf den Gebirgen liegen,

       und Erd und Himmel womöglich umfassen,

       zu einer Gottheit sich aufschwellen lassen,

       der Erde Mark mit Ahnungsdrang durchwühlen,

       alle sechs Tagewerk’ im Busen fühlen,

       in stolzer Kraft ich weiß nicht was genießen,

       bald liebewonniglich in alles überfließen,

       verschwunden СКАЧАТЬ