Zwei Freunde. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Zwei Freunde

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783957840127

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СКАЧАТЬ Haus zeigte sich dem Besucher. Es war in der Art eines englischen Landhauses erbaut. Eine Treppe mit wenigen flachen Steinstufen führte rechter Hand zu der überdachten Tür. Es bedurfte keines weiteren Zeichens. Die Tür öffnete sich. Der Diener, den Wichmann in seinen Ahnungen erwartet hatte, nahm die Karte auf dem silbernen Tablett entgegen. Wichmann wartete in der lichten kleinen Halle mit den altenglischen Stichen an den Wänden.

      Die Herrschaften ließen bitten.

      Der Assessor war etwas aus dem Gleis seiner Vorstellungen gebracht. Wieso wurde sein Besuch angenommen? Üblicherweise genügte es, die Karte abzugeben.

      Wichmann folgte dem Diener in die Garderobe, die sich rückwärts an die Diele anschloß, legte den nassen Hut und den nassen Mantel ab und ließ sich dann durch die Vorderräume linker Hand geleiten. Die Teppiche fingen jeden Laut ab, den die Bewegung der Gehenden verursachen konnte. Als sich die Schiebetür öffnete, sah der Besucher in einen Raum mit gobelinbezogenen Stühlen und Sesseln. Ein offenes Kaminfeuer flackerte und knackte; an den Wänden erzählten alte Bilder von Seeschlachten und Handelshäfen. Alles in allem gaben die Farben von dunklem Rot und dunklem Grün, die hier herrschten, das Gefühl des Männlichen und Gediegenen.

      Der Eintretende machte seine Verbeugung.

      »Darf ich dir unseren jüngsten Mitarbeiter, Herrn Assessor Dr. Wichmann vorstellen – meine Mutter.«

      Oskar Wichmann küßte der weißhaarigen Dame die Hand. Auf dem runden niedrigen Tisch, um den man sich setzte, stand ein Körbchen, aus dem Nadel und zarte Spitzen noch hervorschauten.

      Es begann das zurückhaltende Gespräch des ersten Besuchs. Der Assessor überließ der alten Dame das Wort und beantwortete, was er gefragt wurde.

      Er erfuhr, daß der wirkliche Stand und das Schaffen seines verstorbenen Vaters, des Professors der Chemie Ludwig Wichmann, in diesem Hause nicht unbekannt geblieben waren. Es ergab sich zwanglos, daß er von seiner Vaterstadt erzählte.

      Während man seinen bescheidenen Worten freundlich zuhörte, nahm der Sprechende das Bild, das er vor Augen hatte, in sein Gedächtnis auf: das nachtschwarze Seidenkleid mit dem hohen Stehkragen, die lange goldene Kette mit dem Lorgnon, deren Linie Gestalt und Haltung einer sehr stolzen alten Frau betonte. Ihre Exzellenz – wie der Diener Wichmann noch zugehaucht hatte –, die alte Dame, hatte ihr weißes Haar so glatt und untadelig gelegt, wie draußen der Rasen geschnitten war; durch ihre schmalen Hände lief sichtbar das Geäst blauer Adern. Unwillkürlich vermied es auch Wichmann, den Rücken an die Lehne zu stützen, und seine Wirbelsäule reckte sich gerade, Nach angemessen kurzer Zeit verabschiedete er sich. Die Worte »Wir hoffen Sie öfters bei uns zu sehen« klangen ihm noch im Ohr, als er mit Hilfe des Dieners den nassen Überzieher wieder anlegte.

      Mit dem Gefühl »bestanden zu haben«, ging er auf der eigenen Spur über den Gartenweg zurück. Ein Besuch im Hause eines Dienstvorgesetzten war immer etwas Sonderbares. Der Mann, der im Amtsraum befehligte, war auch ein Mensch; die Beziehung zu ihm bekam etwas Zwiegespaltenes, wenn diese beiden Gesichter bekannt wurden, der »Ministerialrat« und »Herr Dr. Grevenhagen«. Wichmann war in der Vorstellung erzogen, daß Persönliches im Dienste niemals eine Rolle spiele, um so schärfer trennten sich ihm jetzt die beiden Gestaltungen desselben Menschen, obwohl sie den Stempel gleicher Art trugen.

      Als Wichmann im Regen nach Hause zurückgekehrt war, erinnerte er sich mit Erleichterung, daß seine Quartierwirtin, die Geheimrätin, ihn heute zum Mittagessen eingeladen hatte. Er brauchte nicht auf Futtersuche nochmals in die Nässe hinauszugehen.

      Adrett und lebhaft wie immer saß die mollige sechsundfünfzigjährige Witwe zusammen mit ihrem jungen Mieter an dem riesigen Speisezimmertisch, umgeben von mächtigem Büfett, riesiger Kredenz und drei Bildern des verstorbenen Gatten an den hohen Wänden. An den behenden Fingern, die Wichmann immer an rosa Jahrmarktschweinchen erinnerten, glänzten die beiden viel zu eng gewordenen Eheringe. Martha brachte die Fleischbrühe mit Eierschnitt.

      »Ihre Majestät, die alte Frau Grevenhagen, hat Sie empfangen? Sie haben einen ganz großen Erfolg, mein Junge. Das ist großartig, was Sie für einen Erfolg haben! Grevenhagen ist doch Ihr Vorgesetzter. Eine sehr exklusive Familie sehr, sehr exklusiv –, ganz gut, daß Sie hier wohnen, das kann drüben nur einen angenehmen Eindruck machen. Mein Mann kannte den alten Grevenhagen, den Minister a. D., und solange mein Mann lebte, haben wir auch drüben verkehrt. Seitdem ich Witwe bin, in der Inflation mein Vermögen verloren habe und ein Zimmer abgeben muß, hat die alte Majestät mich nur noch selten gebeten, und ich bin natürlich zu stolz, um mich aufzudrängen! Schade, daß ich nicht wußte, daß Sie hinübergehen. Sie hätten aber ruhig erwähnen können, daß Sie bei mir wohnen. Den alten Herrn Minister a. D. haben Sie nicht gesehen? Eine wunderbare Erscheinung! Ich könnte mich auf meine alten Tage wahrhaftig noch in ihn verlieben. Haben sie drüben nicht einen Diener? Ja, sie sind sehr vermögend. Alter Bremenser Seeräuberreichtum, durch Generationen kultiviert, etwas Hochmut, wie das so an der Wasserkante üblich ist bei den Erben großer Handelsherren … fast englische Arroganz … dazu die Strenge deutscher Beamten- und Offiziersehre der mütterlichen Familie, alles betont einfach … Die junge Frau Grevenhagen haben Sie nicht gesehen?«

      »Nein, leider nicht.«

      »Schade. Es hätte mich sehr interessiert, was Sie für einen Eindruck von ihr gewinnen. Haben Sie sie überhaupt noch nicht gesehen?«

      »Nicht daß ich wüßte.«

      »Wenn Sie dort verkehren, werden Sie sie noch kennenlernen. Als Mann sind Sie zwar nicht zuständig für ein objektives Urteil über Frauen, aber ich möchte doch gern hören, was Sie von ihr halten.«

      »Warum, gnädige Frau? Ist etwas Ungewöhnliches an ihr?«

      »Ungewöhnliches? Eigentlich gar nichts. Sie kleidet sich genauso dunkel wie die alte Exzellenz und ist nicht einmal besonders hübsch. Sie hat ein unregelmäßiges Gesicht, keine auffallenden Augen … Dennoch – ja, wie soll ich das sagen? –, sie macht wohl den Eindruck von etwas Geheimnisvollem … verstehen Sie? Ein See zum Beispiel und ein zweiter See – na, das sind eben zwei Seen, aber der eine ist klar, und man ist zufrieden, weil man bis auf den Grund schauen kann, und geht ruhig weiter. Der nächste ist dunkel, und da bleibt man stehen und wartet, ob nicht beim Mondschein eine Nixe auftaucht … obwohl in Wirklichkeit auf seinem Grunde genauso gewöhnliche Steine liegen und genauso schlammiger Tang wächst wie überall – es ist nur, er verbirgt sie, und unsere Phantasie hat die Freiheit, in das Undurchsichtige hineinzulegen, was sie will. So ist das bei den angeblich interessanten Frauen auch. Vor so etwas müssen Sie sich immer hüten, Herr Dr. Wichmann. Immer nüchtern bleiben! Wenn Sie eine Frau sehen, so fragen Sie sich, ob sie Ihrer älteren Schwester gefallen würde und ob sie ein Essen nach Ihrem Geschmack auf den Tisch bringen könnte!«

      Martha servierte Kalbsnierenbraten und Salat. Wichmann bekam das Salatherz. Bei alten Damen war man immer gut aufgehoben. Seit er bei der Geheimrätin wohnte, hatte ein Fleck auf seinem Anzug nie den nächsten Tag erlebt. Er brauchte vorläufig noch nicht auf Brautschau zu gehen.

      »Mit dem Heiraten, Frau Geheimrat, habe ich es nicht so eilig. Ich habe nach meiner Auffassung heute weder die Stellung noch das Gehalt, um einen Ehestand zu gründen.«

      »Bitte greifen Sie zu, Herr Assessor! Aber selbstverständlich, ein junger Mann wie Sie wird doch ein solches Stückchen Fleisch noch essen können! – Was Sie eben sagten – Stellung und Gehalt –, ich zweifle gar nicht, daß Sie sehr schnell vorwärts kommen, bei Ihrem Fleiß! Tun Sie aber nicht zu viel; Sie verwöhnen Ihre Vorgesetzten! Jetzt können Sie noch verschwenden mit Ihren Kräften und die Nächte durch bei der Lampe sitzen – ja, ich hab’ es wohl gemerkt – ans Älterwerden denken Sie natürlich noch nicht. Aber lassen СКАЧАТЬ