Nacht über der Prärie. Liselotte Welskopf-Henrich
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Название: Nacht über der Prärie

Автор: Liselotte Welskopf-Henrich

Издательство: Автор

Жанр: Исторические приключения

Серия:

isbn: 9783938305607

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СКАЧАТЬ Witwe werden.«

      Ehe Tashina auch nur das geringste Zeichen einer Antwort geben konnte, war Stonehorn aufgestanden, und als sie das gleiche tat, legte er seinen Arm um ihre Schulter. Die beiden schauten zu den weißen Bergen hinüber, die nach Sonnenuntergang in einem Nebelschleier ihre Geheimnisse bargen.

      »Hat mein Vater dir gesagt, dass jene Berge das Grabmal unseres größten Häuptlings sind …?«

      »Er sagte es.«

      »Wir brauchen kein Monument. Wir wissen nicht, wo er begraben liegt. Seine Mutter ruht auf dem Friedhof neben uns. Du kannst dich manchmal auch zu diesem Stück Erde setzen.«

      »Ja.«

      Langsam gingen die beiden zu ihrem Haus zurück.

      Als sie gegessen hatten und beieinander lagen, fragte Tashina: »Stonehorn, was kann ich tun? Ich liebe dich viel mehr als mein Leben.«

      »Ich nehme dich beim Wort. Bleib daheim, wenn ich zum Rodeo gehe.«

      Tashina erschrak: »Nein. Das nicht. Das darfst du nicht verlangen.«

      Er sagte nichts weiter. Es war die letzte Nacht, die sie daheim beisammen waren, denn als Teilnehmer fuhr Stonehorn einen Tag früher zur Rodeo-Stadt als die Zuschauer.

      Auch der neue Morgen war wieder stürmisch. Gegen Mittag kam Tashinas Großmutter, zu Pferd. Sie wollte das Opfer bringen, wollte auf das Rodeo verzichten und unterdessen für die Pferde sorgen und das Haus behüten. Sie war eine alte magere Indianerin mit strengen Zügen und dünnem, grauem Haar, das sie in der Mitte gescheitelt trug. Sie war über neunzig Jahre alt und hatte die letzten Freiheitskämpfe und die schwersten Anfangszeiten der Reservation als Kind noch miterlebt. Es gab kaum etwas, was sie erschrecken konnte. Als Tashina diese Frau sah, wurde sie im Innern ruhiger. Wie oft hatten Indianerfrauen es erlebt, dass ihre Männer in den Kampf zogen, und nie hatten sie gewusst, ob sie wiederkehren würden.

      Um Mittag saßen Stonehorn und Tashina in ihrem Wagen. Die Großmutter winkte nicht, aber sie schaute den beiden noch nach, als der Wagen schon auf der Talstraße unten angelangt war und seine Geschwindigkeit beschleunigen konnte. Der Wagen hatte als Sportwagen die Karosserie eines Cabriolets. Es war ein Zweisitzer. Stonehorn fuhr ihn offen.

      Tashina dachte einen Augenblick, dass man ohne Dach einem Schuss noch mehr ausgesetzt war, und Stonehorn schien ihrem Blick und vielleicht einer Kopf- und Schulterbewegung entnommen zu haben, woran sie dachte, denn er sagte:

      »Unsere Vorfahren haben nackt gekämpft. Ich tue das auch gern, wo es möglich ist. Nackt im offenen Gelände. Kleider und Wände behindern nur die Bewegung und die Übersicht. Aber das ist natürlich Geschmackssache. Mike zum Beispiel will immer etwas um sich haben, und ich kann nicht sagen, dass er darum viel schlechter sei als ich.«

      »Wer ist das, Mike?«

      »Er ist Gangsterboss, und er ist mein Boss gewesen. Er wird morgen nach New City kommen, daran gibt es keinen Zweifel. Wenn du schon durchaus mit dabeisein willst, kannst du mir etwas helfen. Ich muss wissen, wo und wann Mike und Jenny auftauchen.«

      »Wie sehen sie aus?«

      »Mike hat eine Boxernase. Er war Schwergewicht, nicht Weltklasse, aber nahe daran. Ein Nierenschlag hat ihn ausgebootet. Das ist nach wie vor seine schwache Stelle. Er hat eine unverständige Angst davor, dass sich so etwas wiederholen könnte. Aber das geht dich nichts an. Du musst auf das rechte Auge schauen. Das Lid ist zerfetzt. Er wirkt wie ein Bär, nicht wie ein alter Grizzly, sondern wie ein geprügelter, heimtückisch gewordener Zirkusbär. Er hat auch eine Brummstimme. Was er bevorzugt, sind rosa Halstücher mit blauen Streifen. Er lässt sie sich anfertigen. Das ist eine kindische Manie von ihm. – Ich muss also wissen, wo er auftaucht. Er ist viel schneller, als ihm einer zutraut, vor allem mit der Maschinenpistole. Colt hat er schon halb verlernt. Er ist der Eintreiber gegen mich.«

      »Warum will er dich vernichten?«

      »Er hat mich seinerzeit herangeholt, ich galt als sein Geschöpf, und darum ist er als erster mein Femerichter. Jenny hasste mich von der ersten Begegnung an, wie ich ihn. Jenny hat mir auch meine Gang aus der Hand gewunden und zu einem Haufen Dreck gemacht, während ich in Untersuchungshaft war. Sie hatten mich in einem Mordprozess als Strohmann vorgeschickt, die Indizien nur allzu gut zusammengestellt – nach Jennys Einfällen. Indianer und Mord, das ist für Geschworene auch jederzeit plausibel. Es wäre beinahe schiefgegangen.«

      »Stonehorn! Wer ist der wahre Mörder?«

      »Sie sind nicht so dumm gewesen, mir das zu sagen. Die Verhöre sind ein wenig anstrengend. Übrigens muss es Jenny gewesen sein.«

      »Jenny ist Mikes Frau?«

      »Jenny ist ein Mann, Kind, den du aber leicht mit einer Frau verwechseln könntest. Er hat blonde Locken, er hat so unwahrscheinlich blonde Naturlocken, dass du ihn sofort erkennst. Früher hätte das einen schönen Skalp abgegeben. Er ist einer der widerlichsten und gefährlichsten Burschen, die ich je getroffen habe. Er ist zweiter in der Gang, in der jetzt James mitarbeitet, der mir entkommen ist. Jenny hat sich diesen James geholt. – Schaue also nicht nur auf die Pferde und die Kälber und auf deinen Mann, sondern lass deine Augen auch sonst ein wenig in die Runde gehen. Beim Rodeo schießen sie mich natürlich nicht ab, aber ich will wissen, wie sie sich postiert haben und mit wem sie sprechen oder wem sie zupfeifen. Verstanden? Der Kriegstanz geht vielleicht abends bei einem bestimmten Shake los; ich weiß nicht, ob sie schon etwas verabredet haben. Es sind jedenfalls die Newt Beats verpflichtet, eine viel zu teure Gruppe für eine mittlere Stadt; es wird also Tumult geben und hysterisches Gehabe; das ist, was sie brauchen. Wenn sie dabei nicht zum Ziel kommen, dann vielleicht bei der Heimfahrt. – Nach Harold brauchst du übrigens nicht Ausschau zu halten, den beobachte ich selbst.«

      »Stonehorn, ich bitte dich, denke an Mary.«

      Als Queenie dies gesagt hatte, sah sie ihrem Mann an, dass es besser für sie gewesen wäre zu schweigen.

      »Er hat mich einen Dieb geheißen, und er wusste wohl, dass ich nicht gestohlen hatte. Ich kam ins Gefängnis … das war der Anfang. Als ich entlassen wurde, mochte ich nicht mehr zurückgehen, nicht mehr in diese Schule, wie der Gefängnisdirektor dem Superintendenten doch empfohlen hatte, nicht auf diese Reservation, auch nicht mehr zum Vater. Ein Rechtsanwalt, der mit mir gesessen hatte, machte Mike auf mich aufmerksam. Ich fing an, bei ihm zu arbeiten. Um mich zu rächen. An allen. Aber Jenny hat mir meine Gangster zu Säuen gemacht.«

      Während der weiteren Fahrt, auf der kein Wort mehr gesprochen wurde, war Queenie in Gedanken bei dem stürmischen Tag, an dem sie, von der Schule heimkehrend, die Straße in umgekehrter Richtung gefahren war. Das Zeltgerüst, die Holzfassade des Schaustellungsforts, das Wächterhaus flogen an ihr vorbei. Der Fahrtwind zauste an ihrem Haar. Damals war sie in ihr Geschick hineingefahren. Sie bereute nichts. Nichts. Was aber in ihr würgte, das war die Selbstverständlichkeit, mit der ihr Mann von den Gangstern sprach. Sie begriff, dass das seine Welt, sein tägliches Leben gewesen war, dass er die Ungerechtigkeit der Bürger und ihre Gesetze hassen gelernt, dass er Verbrechen nicht verhindert, Gesetzloses mit angeführt hatte, dass diese Unmenschen, die ihr des Nachts in der Prärie begegnet waren, als seine Brüder gegolten hatten. Er hatte sie niedergeschossen. Aber wenn er von ihnen und ihresgleichen sprach, sprach er heute noch von »Arbeit«, wie er als Rancher von einem Pferd sprach, denn mit ihnen zusammen hatte er sich jahraus, jahrein Nahrung, Kleidung und Obdach verschafft; unter dem Kommando solcher Männer hatte er sich angestrengt. Queenie ging der Sinn des Wortes »Berufsverbrecher« von dieser Seite her auf.

      Stonehorn fuhr gleichmäßig СКАЧАТЬ