Als Lehrer in Gotha/Thüringen 1950–1990. Heinz Scholz
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Название: Als Lehrer in Gotha/Thüringen 1950–1990

Автор: Heinz Scholz

Издательство: Автор

Жанр: Историческая литература

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isbn: 9783867775649

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СКАЧАТЬ Klassenkampfes und mit dem Dogma von der „Diktatur des Proletariats“ begründet! So einer Diktatur begegnete ich, der ich eine Diktatur schon hinter mir hatte, mit großer Skepsis.

      Warum dann, so kann berechtigt gefragt werden, bist du in die SED eingetreten? Eine ausführliche Antwort darauf habe ich an anderer Stelle schon gegeben. Hier nur noch einmal kurz gefasst: Es war mein opportunistisches Zugeständnis gegen Ende meiner Studienzeit, nachdem mir Dozenten nach zwei „Aussprachen“ mahnend vorgehalten hatten: „Wer sich politisch nicht klar bekennt und entscheidet, der kann auch nicht Lehrer werden in der Schule der DDR!“ Das war – sechs Wochen vor dem Examen – für mich wie eine Erpressung!

      Wenn diese SED-Partei in jener Zeit mit ihren Mitgliedern, mit ihren Genossen, politisch überzeugend, auch im gewissen Sinne kameradschaftlich und vor allem tolerant und verständnisvoll umgegangen wäre, wenn sie ihre demokratische Verpflichtung hoch- und eingehalten hätte, dann wäre ich ihr wahrscheinlich bereitwillig gefolgt. Doch wenn ich als Genosse der Partei immer wieder zu spüren bekomme, dass Klassenkampf und Diktatur des Proletariats für mich nichts anderes bedeutet als der von oben nach unten hierarchisch weiter getretene Druck und Zwang, zu denken und zu tun, was eine Parteiführung oben befiehlt und was sie zur einzigen Wahrheit erklärt, dann fühlte ich mich eher als Sklave dieser Partei und nicht als ihr Genosse und politischer Gefährte. Und gewissenlose Karrieristen oder fanatische Eiferer auf allen Stufen des Machtapparates mischten bereitwillig mit – als Befehlsempfänger nach oben und als mittelgroße und kleine Tyrannen mit dem rohen Stiefel der Macht nach unten. Selbständig denkende Genossen, die sich kritisch äußerten, wurden zur Raison gebracht oder als „sozialdemokratische Abweichler“ oder „Klassenfeinde“ verunglimpft und beiseite geräumt. Wer die von der Partei „wissenschaftlich erarbeitete“ und verkündete „Wahrheit“ nicht billigen wollte, der war entweder dumm oder ein politischer Feind. Wer gegen Machtmissbrauch aufbegehrte oder verfassungsrechtliche demokratische Rechte oder gar persönliche Meinungsfreiheit einforderte, dem drohte, als „unverbesserlicher Nazi entlarvt“ zu werden. Diese Partei erzeugte Angst, nicht nur nach draußen hin, sondern vielfach auch bei ihren eigenen Genossen innerhalb der Partei.

      In der Gewissheit solcher Parteimacht im Rücken, sahen sich manche Genossen der SED-Parteigruppe in der Schule mitunter auch verführt, auf unterster Ebene ein bisschen Macht mit auszuüben. Meinen ersten Schock erhielt ich, nachdem ich in einer der ersten Versammlungen der SED-Gruppe an der Schule (bei etwa 10 – 12 Mitgliedern von 28 Lehrern) miterlebt hatte, wie zwei Genossinnen in politisch-intriganter Weise über zwei parteilose „bürgerliche“ Kolleginnen herzogen, die ich bereits als anständige Menschen und tüchtige, erfolgreiche Lehrerinnen kennen und schätzen gelernt hatte.

      Doch die meisten Genossen/​innen strebten gemeinsam mit der Schulleitung danach, die von oben vorgegebenen politischen Weisungen im Interesse vernünftiger Regelungen entweder formal auszuführen oder möglichst human vertretbar abzuwandeln. Der Genosse Schulleiter und sein Stellvertreter wollten möglichst ohne große politische Aktionen und ohne penetrante Agitation einen ruhigen, ungestörten und vernünftigen Schulbetrieb aufrechterhalten und sichern, während SED-Funktionäre der Kreisleitung oder des Schulamtes von außen mit Parteiauflagen, politischen Kampagnen oder mit politischen Blitzeingriffen wiederholt den kontinuierlichen Unterrichtsbetrieb störten.

      Da kam zum Beispiel ein Anruf von der Kreisleitung, von dem für Schulen zuständigen Sekretär, dass unverzüglich die politische Sichtwerbung an der Außenfront der Schule verbessert werden müsse. Man habe gesehen … und das genüge keinesfalls! Oder es wurde eine breite politische Kampagne an die Schule in Auftrag gegeben, sofort „operativ“ einzugreifen und mitzutun. Ich erinnere mich, wie Schüler, sogar der 6. Klassen, Aufsätze in Briefform mit politischem Inhalt schreiben und an westdeutsche Bürger schicken mussten. Diese Kinder sollten darin im aufklärerischen Sinne erwachsene Menschen in der BRD agitieren und für die „friedliebende Deutschlandpolitik der DDR“ werben! – Besonders nach SED-Parteitagen und vor „Volkswahlen“ wurden die Schulen zu politischen Kampagnen und Aktionen verpflichtet. Meist zielten die gestellten Aufgaben darauf ab, Lehrer, Schüler und Eltern durch eine ideologische Offensive gefügig zu machen. Jeder müsse doch das „Aufbau- und Friedensprogramm von Partei und Regierung“ unterstützen und selbstverständlich für „die Macht der Arbeiter und Bauern zum Wohle des Volkes“ eintreten! Wer wollte da dagegen sein?! So sei es doch ganz selbstverständlich, dass alle (guten) klassenbewussten Menschen ihre Stimme schon am frühen Morgen des Wahlsonntags „für Frieden und Sozialismus“ „offen“ abgeben!

      1952/​53 wurde ich zum Parteisekretär „gemacht“. Das heißt, die Genossen von Schulleitung und ins Vertrauen gezogene Genossen hatten für die nötige Mehrheit gesorgt und eine Bestätigung durch die Kreisleitung einkalkuliert. Meine Stellung als Parteisekretär an der Schule solle die Mehrheit der „Gemäßigten“ sichern helfen, so der Genosse Schulleiter. Ich ließ mich überreden, ohne mir bis ins einzelne bewusst zu sein, was mir da aufgebürdet wurde. Bald fühlte ich mich überfordert. Und mich womöglich gar als politischer Klassenkämpfer an der Schule aufzuspielen, das kam für mich nicht in Frage. Der Schulleiter war zwar bemüht, mit mir als Parteisekretär vertrauensvoll zusammenzuarbeiten. Er nahm mich gelegentlich zur Seite, besprach mit mir intern, wie wir uns an der Schule gegenüber vorgegebenen politischen Auflagen verhalten oder wie wir die geforderten schulpolitischen „Arbeitspläne“ konzipieren sollten u. dgl. Immer mit der Absicht, sinnlose, den Schulbetrieb störende und belastende Aktionen wenigstens abzuschwächen und die ganze Politisierung der Schule in Grenzen zu halten. Doch selbst wenn ich vernünftigen Willens war, drückte mich die Zwangsjacke.

      Das Schlimmste für mich waren die regelmäßigen Schulungen der Parteisekretäre im Haus der Kreisleitung der SED! Meist war es dort der verantwortliche Funktionär für Propaganda, der die aktuellen Ziele der Partei erläuterte und uns Parteisekretären der Schulen die politischen Aufgaben auferlegte. Wir mussten monatlich schriftliche Berichte über die an der Schule geleistete „politische Arbeit“ vorlegen, aus besonderem Grund auch vor der Versammlung mündlich vortragen. Wer von den anwesenden Parteisekretären schlecht abschnitt, musste „Selbstkritik“ üben und versäumte Aufgaben nachholen. Dieses Erscheinenmüssen bei der herrschenden Kreisleitung zum Rapport, zum autoritären Befehlsempfang, wirkte auf mich niederdrückend, und ich war froh, wenn unsere Schule nicht negativ genannt wurde.

      Besonders in den Jahren 1952/​53, nach der II. Parteikonferenz mit ihren Beschlüssen zum „Aufbau des Sozialismus in der DDR“, nahm der politische Druck zu. Jedem Bürger, jedem Genossen und vor allem jedem Lehrer musste nun „klargemacht“ werden: Jetzt „verschärft sich der Klassenkampf, … der politische Gegner verstärkt seine feindlichen Angriffe gegen unseren jungen Staat und unser sozialistisches Aufbauwerk“, … daher seien „verstärkte Wachsamkeit und erhöhte Anstrengungen … “ unbedingt erforderlich usw. Was nichts anderes hieß, als dass die bereits praktizierte Diktatur entsprechend verschärft und zugespitzt würde. – Im Schulbereich des Kreises Gotha hatte dies auf radikale Weise der damalige Schulrat B. umgesetzt. Man konnte sagen: Der Genosse Schulrat herrschte uneingeschränkt. Er zitierte die Schulleiter zum Befehlsempfang und verlangte die bedingungslose Ausführung seiner Weisungen. Gegen den „Klassenauftrag“ gab es keinen Widerspruch.

      Einmal geriet ich persönlich in sein Blickfeld: Im Winter 52/​53 bestellte er mich zu sich und teilte mir kurz und bündig mit, dass ich mit Beginn des folgenden Schuljahres in Güntersleben als Schulleiter eingesetzt werde, und zwar an der „ersten sozialistischen Schule im Kreis Gotha“! Dort sei die erste Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft im Kreis Gotha gegründet worden, und in diesem „ersten sozialistischen Dorf des Kreises“ brauche man einen jungen, klassenbewussten, zuverlässigen Genossen als Schulleiter, und ich – ein aus der Arbeiterklasse stammender Genosse und bewährter Lehrer – sei für diese verantwortungsvolle Aufgabe besonders prädestiniert und deshalb ausgewählt worden. Mir verschlug es die Sprache, und ich versuchte mich zu wehren: Ich fühle mich da völlig überfordert, sei keinesfalls geeignet … keine Erfahrung in Sachen Schulleitung … zu jung … erst zwei Jahre im Schuldienst … …längst СКАЧАТЬ