Название: Der Kessel der Götter
Автор: Jan Fries
Издательство: Автор
Жанр: Религия: прочее
isbn: 9783944180328
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Wenn Nerto und Brixtia kombiniert werden, führt das zu einem starken Ritual, das der Anderswelt eine Botschaft übermittelt. Wer empfängt diese Botschaft? Wer vollzieht den Wandel? Wer antwortet auf den Ruf und sorgt dafür, dass der Zauber sich verwirklicht?
*Nemetos bedeutet heilig und bezieht sich auf jede Erfahrung oder jedes Bewusstsein vom Göttlichen.
Nantosuelta
Bevor wir das Heilige weiter erforschen, möchtest Du vielleicht kurz überlegen, was Dir heilig ist. Woran erkennst Du das Heilige, das Geweihte, das Transzendentale? Wann spürst Du die Eigenschaften des Göttlichen? Wann hast Du zuletzt eine spirituelle Erfahrung gemacht? Hatte es mit einer Gottheit, einem Ort, einer bestimmten Umgebung, einem Zeitpunkt oder einer Jahreszeit zu tun, waren andere Personen oder Lebewesen daran beteiligt? Gibt es Orte, Jahreszeiten, Tage oder Zeitpunkte, die Dir heilig sind? Soweit wir wissen, manifestierte sich für die Kelten die Eigenschaft des Heiligen in heiligen Hainen, oder zumindest überlieferten es die römischen Autoren so. Abgesehen von dem Dichter Lukan, dem wir noch später begegnen werden, machten sie sich nicht die Mühe, festzuhalten, wie ein derartiger Hain aussah und wie man ihn von der restlichen Landschaft unterscheiden kann. Auch die Archäologie hat da nur wenige Einsichten zu bieten, weil Haine kaum Spuren hinterlassen, es sei denn, es befand sich ein kleiner Schrein oder ein Gebäude darin, oder eine Barriere, die den heiligen Raum von der Alltagswelt abgrenzte. Das war gelegentlich der Fall, insbesondere im Gallien der mittleren und späten La Tène-Zeit. Die Anbetungsformen in früheren Zeiten sind schwieriger zu erforschen. Die eigentliche Frage ist aber nicht, wie keltische Haine nun wirklich aussahen. Viel interessanter ist es, herauszufinden, wie sie für Dich aussehen.
Wie würdest Du Dir einen heiligen Hain vorstellen? Träum mal ein bisschen. Setz Dich hin, atme ein paar Mal tief durch, komm zur Ruhe, entspann Dich, schließ die Augen und stell Dir vor, wie Dein Hain aussehen müsste. Befände sich der Ort im Gebirge, in den Hügeln, im Tal oder in der Ebene? Gibt es Wasser in der Nähe – eine Quelle, einen Fluss, See oder Sumpf? Wie sieht es innerhalb des Hains aus? Gibt es Steine, Felsbrocken oder eine Höhle? Uralte Bäume, wucherndes Gebüsch, Dickicht, überdachte Räume, offene Orte? Ist der Hain in irgendeiner Weise kultiviert? Kannst Du Trophäen, Opfergaben, Statuen aus Holz oder Stein sehen? Gibt es Pfade? Was ist mit heiligen Pflanzen oder Tieren?
Wenn Du Dir Dein Nemeton vorstellst, kannst Du allerhand entdecken. Nemeton ist ein gallisches Wort, das von *nemetos, „heilig” herstammt. Für die zahlreichen keltischen Stämme konnte Nemeton eine Reihe verschiedenster Dinge bedeuten. Manche waren heilige Haine, andere Versammlungsorte, komplett mit Sakralbauten und Tempeln und so weiter. Eines im Zentrum der Türkei hiess Drunemeton, was soviel wie „heiliger Eichenhain” bedeuten könnte. Aber nicht alle Nemetons waren Eichenhaine. Es gibt Hinweise darauf, dass viele verschiedene Arten von Bäumen von dem einen oder anderen keltischen Stamm in Ehren gehalten wurden. Lukan überliefert uns einen packenden Bericht über einen heiligen Hain in einiger Entfernung von Massilia (Marseilles), den Cäsar abholzen liess, um das Holz bei einer Belagerung zu verwenden. Der Hain, reimte Lukan, war ein düsterer, schattiger Ort, wo beängstigende Stille herrschte und weder Vögel sangen noch Tiere herumstreiften. Hier standen mit Blut beschmierte Stämme und hoben sich schwarz vom Himmel ab. Im gleißenden Mittagslicht, und in finsterster Mitternacht, den beiden gefährlichen Tageszeiten der Antike, streifte die Gottheit des Hains angeblich dort herum, und weder Gläubige noch Priester wagten sich zu dieser Zeit an den Ort.
Keine wilder Windstoß bewegt die tanzenden Blätter,
doch schauderlicher Schrecken erhebt sich in den Zweigen.
Pechschwarze Wasser aus finstren Quellen teilen den Grund,
und strömen, schaumig, und mit dumpfem Klang.
Uralte Statuen von missgestalteter Form stehen hier,
grob gefertigt, von keiner Künstlerhand berührt;
gräulicher Dreck verkrustet jedes hässliche Haupt
und füllt die Seele des Betrachters mit Entsetzen…
Oft, wie die Legende sagt, ist es die Erde selbst,
die aus den hohlen Tiefen schrecklich stöhnt,
die unheilvolle Eibe, noch lang nach ihrem Tod, wurd’ oft gesehen,
wie sie vom Grund erwächst und staubig grüne Triebe spriesen;
Die Bäume lodern, in leuchtenden Flammen, unverbrannt,
gewaltige Schlangen winden sich um ihre Stämme.
Pharsalia, 3, 5 Übersetzung Rowe
Diese düstere Atmosphäre hielt Cäsar nicht davon ab, die Bäume fällen zu lassen. Als er sah, dass viele seiner Soldaten, in Gallien rekrutiert und daher mit heiligen Hainen vertraut, Angst davor hatten, sagte er: „Fällt ihr das Holz, ich nehme alle Schuld auf mich!” und schlug mit einer Axt auf eine starke Eiche ein. Schon bald fällten seine Soldaten Eschen, Stechpalmen, Erlen und Zypressen, sehr zum Missfallen der Einheimischen.
Bäume und Pflanzen konnten heilig sein; so dachten viele Kelten. Das gleiche galt für Tiere. Wieder einmal ist Abstraktion ein Teil des Glaubens. Tier- und Pflanzenarten, wie im Weiteren zu lesen, waren nicht per se heilig. Häufiger konnten sich in einem bestimmten Tier oder einer bestimmten Pflanze die Energien und das Wesen einer Gottheit manifestieren. Wir haben es hier mit Göttern zu tun, die in vielen Gestalten erscheinen. Wer waren die Götter der frühen Kelten? Wir wissen nicht viel über die Religion der Hallstattzeit, aber die späteren La Tène-Kelten hinterliessen uns eine Anzahl von Götterbildern. Das war definitiv eine Weiterentwicklung. Die Kelten der frühen Hallstattzeit waren bemerkenswert schüchtern, wenn es um eine naturgetreue Darstellung von Menschen oder Tieren ging, von Göttern in Menschengestalt ganz zu schweigen. Sie wussten zwar, dass so etwas möglich ist (da sie griechische Töpferwaren und Kunstwerke importierten), versuchten sich aber nur selten selber daran. Diese Tendenz ist angesichts der Tatsache, wie gut die Künstler und Handwerker dieser Zeit waren, so überraschend, dass wir es hier wahrscheinlich mit einem religiösen Tabu zu tun haben. Wenn diese Leute religiöse Riten durchführten, begnügten sie sich oft mit etwas sehr Einfachem, zum Beispiel einer simplen hölzernen Statue oder einem Monolithen mit einem grob eingemeisseltem Gesicht. So grob, dass es primitiv erscheint. Aber was motivierte diese Leute dazu, kunstlose Götterbilder zu erschaffen, wo es ihnen doch leicht möglich war, ein wunderbares Abbild aus Bronze oder kunstvoll behauenen Sandstein zu schaffen? Einige Kelten taten das. Andere, und sie befinden sich in der Mehrzahl, taten es nicht. Erst in der Mitte der La Tène-Zeit bekamen die meisten Götter eine sorgfältig definierte Gestalt. Denn viele Kelten waren gereist, und nachdem sie zunächst über die Einfalt der Griechen, die ihre Götter in Menschengestalt verehrten, gelacht hatten (das geschah, als Delphi geplündert wurde), waren sie früher oder später auf den Geschmack gekommen. Nachdem die Römer Gallien besetzt und die Druiden verboten hatten, ahmten die überlebenden Religionen den mediterranen Brauch nach und begannen, lokale Varianten СКАЧАТЬ