Der schöne Sommer. Cesare Pavese
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der schöne Sommer - Cesare Pavese страница 5

Название: Der schöne Sommer

Автор: Cesare Pavese

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: EDITION BLAU

isbn: 9783858699046

isbn:

СКАЧАТЬ man nicht jetzt arbeitet, solange Licht ist, wann wollen Sie dann arbeiten?«, fragte Amelia. »Ich wette, Sie gehen mich mit einem anderen Modell betrügen.« – »Mit der ganzen Welt betrüge ich dich«, rief der Maler gebückt. »Glaubst du, du bist mehr wert als eine Pflanze oder ein Pferd? Ich arbeite auch, wenn ich spazieren gehe, was glaubst denn du?« Und dabei stöberte er in einem Kasten unter der Staffelei und warf Zeichenblätter, Schachteln und Pinsel durcheinander. Amelia sprang vom Stuhl auf, nahm den Hut ab und zwinkerte Ginia zu. »Warum machen Sie nicht eine Skizze von meiner Freundin?«, schlug sie lachend vor. »Sie hat noch nie für jemanden Modell gestanden.«

      Der Maler hatte sich umgewandt. »Genau das tue ich«, sagte er. »Ihr Ausdruck interessiert mich.«

      Einen Bleistift in der Hand, begann er, mit geneigtem Kopf, sich den Bart streichend, in einem gewissen Abstand um Ginia herumzugehen, und starrte sie an wie ein Kater. Ginia, in der Zimmermitte, wagte nicht, sich zu rühren. Dann forderte er sie auf, ins Licht zu treten, und ohne sie aus den Augen zu lassen, lehnte er ein Blatt an die Leinwand auf der Staffelei und begann zu zeichnen. Am Himmel sah man eine gelbe Wolke und Dächer; mit klopfendem Herzen fixierte Ginia die Wolke und hörte Amelia irgendwo im Raum etwas sagen und hin und her gehen und schnaufen, aber sie blickte sie nicht an.

      Als Amelia sie rief, damit sie sich die Zeichnung ansähe, musste Ginia die Augen schließen, um sich an das Halbdunkel zu gewöhnen. Dann beugte sie sich langsam über das Blatt und erkannte ihren Hut, doch das Gesicht schien ihr das einer anderen, ein schlafendes Gesicht, ausdruckslos, mit geöffnetem Mund, als spräche es im Schlaf. »Es ist beunruhigend«, sagte Barbetta, »hat dich wirklich noch nie jemand gezeichnet?« Er bat sie, den Hut abnehmen und sagte, sie solle sich setzen und mit Amelia reden. Im Sitzen sahen sie sich an und hatten Lust zu lachen, während der Maler weitere Blätter füllte. Amelia gestikulierte und sagte zu ihr, sie solle nicht an die Pose denken.

      »Beunruhigend«, sagte Barbetta noch einmal und betrachtete sie von der Seite, »man möchte meinen, das jungfräuliche Profil hat keine Form.« Ginia fragte Amelia, ob sie nicht Modell säße, und Amelia sagte laut: »Heut hat er dich entdeckt. Da lässt er bestimmt nicht locker.« Während sie so redeten, fragte Ginia, ob sie Amelias Porträts der vergangenen Tage sehen dürfe. Da erhob sich Amelia und holte eine Mappe aus dem hinteren Teil des Raums. Sie legte sie ihr geöffnet auf die Knie und sagte: »Hier.«

      Ginia wendete mehrere Blätter um, und beim vierten oder fünften war sie schweißgebadet. Sie wagte nichts zu sagen, weil sie die grauen Augen dieses Mannes auf sich fühlte. Auch Amelia sah sie wartend an und fragte schließlich: »Gefallen sie dir?«

      Ginia hob das Gesicht und versuchte zu lächeln. »Ich erkenne dich nicht«, sagte sie. Dann blätterte sie alle nacheinander noch einmal durch. Danach war sie ruhiger. Schließlich saß Amelia angezogen vor ihr und lachte.

      Töricht fragte sie: »Hat er die gemacht?« Amelia, die nicht begriff, erwiderte laut: »Ich ganz bestimmt nicht.«

      Als Barbetta fertig war, wäre Ginia gern wieder so geblendet gewesen wie vorher, um die Augen zu schließen und zu warten. Doch Amelia rief, sie solle kommen, und vor dem großen Blatt war auch Ginia erstaunt. Es zeigte viele Male ihren Kopf, willkürlich aufs Blatt geworfen, manchmal schief, manchmal mit einer Grimasse, die sie nie gemacht hatte, aber die Haare, die Wangen, die Nasenflügel waren echt, waren ihre. Sie sah Barbetta an, der lachte, und es schien ihr unmöglich, dass dies die gleichen grauen Augen sein sollten wie zuvor.

      Dann hätte sie Amelia am liebsten verprügelt, denn diese begann zu sticheln und darauf zu beharren, dass eine Stunde eine Stunde sei und dass Ginia für ihren Lebensunterhalt arbeite. Sie erwiderte, sie sei ganz zufällig mitgekommen und wolle ihr nicht ins Handwerk pfuschen. Barbetta lachte in seinen Bart und sagte, er müsse gehen. »Kommt, ich spendiere euch ein Eis. Aber dann verschwinde ich.«

      IV.

      Am nächsten Morgen gingen sie wieder zusammen hin, denn diesmal sollte Amelia Modell stehen. »Wehe«, sagte Amelia, »wenn du mir noch einmal den Platz wegnimmst. Dieser Halunke weiß, dass du dich mit einem Eis abspeisen lässt, und nutzt es aus, dass du noch Jungfrau bist.« Ginia war nicht mehr so zufrieden wie vorher, und gleich nach dem Aufwachen hatte sie an ihre Porträts gedacht, die noch zwischen den Aktzeichnungen von Amelia lagen, und an das schreckliche Herzklopfen, das sie bekommen hatte. Sie hegte noch die winzige Hoffnung, sie könne sich ihre Gesichter schenken lassen, nicht, weil sie sie unbedingt wollte, sondern damit sie nicht der Neugier jedes x-beliebigen ausgesetzt blieben. Sie konnte es einfach nicht fassen, dass ausgerechnet Barbetta, dieser fette alte Papi, Amelias Beine, Rücken, Bauch und Brustwarzen gezeichnet, daran radiert und herumgepfuscht hatte. Sie wagte ihr nicht ins Gesicht zu sehen. Diese grauen Augen und dieser Bleistift hatten sie fixiert, vermessen und erforscht, schamloser als ein Spiegel, und sie hatte stillgehalten oder womöglich herumgealbert und geplappert.

      »Störe ich euch heute Morgen nicht?«, fragte Ginia sie, während sie in das Haustor einbogen.

      »Hör zu«, antwortete Amelia, »wolltest du mich Modell stehen sehen, ja oder nein? Das nächste Mal werde ich aufpassen, mich nicht mehr mit höheren Töchtern einzulassen.«

      Im Atelier waren alle Fenster aufgerissen und die Vorhänge geöffnet, und während sie auf Barbetta warteten, kam die alte Dienstmagd die Treppe herauf, um ein Auge auf sie zu haben. Ginia fragte sich, wo sich Amelia wohl zum Posieren hinstellen würde, doch Amelia stritt schon mit der Alten und ließ sie alle Fenster schließen, weil die Morgenluft den Raum auskühlte. Die Frau sprach nicht, sondern brummte und hatte ein so muffiges und behaartes Gesicht, dass Amelia sie ungeniert auslachte.

      Schließlich kam Barbetta, zog sich den Kittel über und legte los, die Staffelei wurde nach hinten getragen, und die Palette kam zum Vorschein. Dort hinten im Atelier stand ein Bettsofa, und sie zogen alle Vorhänge zu bis auf den letzten, damit alles Licht auf diese Ecke fiel. Ginia fühlte sich in diesem Durcheinander überflüssig, und ihr schien, als sehe auch die Alte sie scheel an.

      Als die Alte ging, zog sich Amelia neben dem Sofa aus, und Ginia beobachtete, wie Barbettas große Hand, einen Kohlestift zwischen den Fingern haltend, an der Staffelei ein weißliches Papier grundierte. Ohne sie anzusehen, sagte Barbetta zu ihr, sie solle sich setzen, und man hörte auch Amelias Stimme. Ginia blickte aus dem Fenster über die Dächer, als säße sie erneut Modell, und dachte, dass sie recht dumm war. Sie überwand sich und drehte sich um.

      Ihr erster Gedanke war, Amelia müsse frieren und Barbetta sehe sie kaum an, und der wahre Störenfried sei allein sie selbst, weil sie nur aus Neugier da war. Amelia – braun, wie sie war – wirkte schmutzig, und es war peinlich, sie so zu sehen. Sie saß auf dem Sofa, die Arme auf einer Stuhllehne und das Gesicht verborgen, und zeigte deutlich das Bein von der Hüfte bis zur Ferse und die ganze Seite und die Achsel.

      Nach kurzer Zeit langweilte Ginia sich. Sie beobachtete Barbetta, wie er wischte und wieder strichelte, betrachtete seine konzentrierte Miene, tauschte ein Lächeln mit Amelia, aber sie langweilte sich. Sie bekam wieder Herzklopfen, als Amelia zum ersten Mal aufstand, sich dehnte und das Höschen aufhob, das vom Sofa gefallen war, aber es war ein dummes Herzklopfen, das sie auch gespürt hätte, wenn sie allein gewesen wären, Herzklopfen, weil sie erkannte, wir Frauen sind alle gleich beschaffen, und wenn irgendwer Amelia nackt sah, war es, als sähe er auch sie, Ginia. Sie konnte nicht mehr stillsitzen.

      Mit auf die Arme gelegtem Kopf sagte Amelia zu ihr: »Ciao, Ginia.« Das genügte, um sie zu erfreuen und zu beruhigen. Einen Augenblick davor hatte sie bemerkt, dass Amelias Fesseln gerötet waren, und sie überlegte, ob auch sie, hätte sie sich ausziehen müssen, solche Striemen gehabt hätte. »Meine Haut ist noch jünger«, sagte sie sich. Dann fragte sie laut: »Hat er dich je in Farbe gemalt?«

      Barbetta antwortete ihr: »Mit Farben СКАЧАТЬ