Die Belagerung von Krishnapur. James Gordon Farrell
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Название: Die Belagerung von Krishnapur

Автор: James Gordon Farrell

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783957571229

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СКАЧАТЬ besonderen Vorjahreslieblinge in Krishnapur gewesen war. Und nicht genug damit, dass alle sich vor Lachen über sein Benehmen nicht mehr halten konnten, wurde Leutnant Cutter komischer denn je, warf den Kopf zurück und heulte zwischen seinen Bissen wie ein Wolf.

      Unterdessen wandte sich der Doktor an Captain Hudson, um etwas zu fragen, was ihm seit einigen Tagen nicht aus dem Sinn ging, nämlich: Was eigentlich dran sei an dem Gerede über Schwierigkeiten mit den Sepoys, die es im Januar in Barrackpur gegeben habe? Ob er und die anderen Offiziere zu dieser Zeit dort gewesen seien?

      »Nein, als wir hinkamen, hatte sich das alles schon gelegt. Aber was Größeres war das sowieso nicht … ein oder zwei Feuer in den Linien der Eingeborenentruppen und ein paar Gerüchte über Verunreinigung durch die neuen Patronen. General Hearsey ist sehr geschickt mit der Sache umgegangen, obwohl manche meinten, er hätte strenger durchgreifen sollen.«

      Hier rief Mrs. Dunstaple gereizt dazwischen, sie wolle eine Erklärung, denn niemand würde ihr je solche Dinge wie Verunreinigung oder Patronen erklären; wen interessiere es schon, wenn sie so dumm bliebe wie ein Dienstmädchen, und sie lächelte, um anzudeuten, dass sie es eher kokett als böse meinte. Also begann Hudson freundlich zu erklären. »Wie Sie wissen, laden wir ein Gewehr, indem wir ein Maß Schießpulver durch den Lauf in die Ladekammer schütten und obendrauf eine Kugel hineinstopfen. Nun, das abgemessene Pulver wird in kleinen Papierhülsen geliefert, die wir Patronen nennen … um an das Pulver zu kommen, muss das Ende der Hülse abgerissen werden, und beim Truppendrill bringen wir den Männern bei, dies mit den Zähnen zu tun.«

      »Und dadurch fühlen sich die Eingeborenen verunreinigt … ach du lieber Himmel!«

      »Nein, nicht dadurch, Mrs. Dunstaple, sondern durch das Fett an den Patronen … das ist natürlich nur an den Kugelpatronen … das heißt, an solchen mit einer Kugel drin. Man entleert das Pulver in den Lauf, und dann, statt das Papier wegzuwerfen, schiebt man den Rest der Patrone nach. Aber weil sie so knapp ins Rohr passt, muss sie eingefettet sein, sonst bleibt die Kugel stecken. Bei den neuen Enfield Gewehren, die Nuten im Lauf haben, würden Kugelpatronen mit Sicherheit steckenbleiben, wenn sie nicht eingefettet wären.«

      »Du meine Güte, dann war es also das Fett!«

      »Sicher doch, ebendas hat Jack Sepoy ja so beunruhigt! Irgendwie kam er auf die Idee, das Fett stamme von Schweineoder Rindertalg, und es durfte seine Lippen nicht berühren, weil das gegen seine Religion verstößt. Das war der Grund für die Unruhen in Barrackpur. Aber inzwischen hat Major Bontein vorgeschlagen, den Drill zu ändern … in Zukunft soll das Ende, statt es abzubeißen, einfach abgerissen werden. Dann brauchen sich die Sepoys keine Sorgen mehr zu machen, woraus das Fett besteht. Wie es aussieht, riecht das Zeug ekelhaft genug, um eine Epidemie auszulösen, gar nicht zu reden von einer Meuterei.«

      Hudson fügte hinzu, am 27. Februar habe es noch anderen Ärger gegeben, diesmal in Berhampur, hundert Meilen weiter nördlich, wo sich das 19. Eingeborenenregiment der bengalischen Infanterie geweigert hatte, vor einer Parade die Zündhütchen entgegenzunehmen. Die Abwesenheit jedes europäischen Regiments hatte es unmöglich gemacht, diesem Akt der Meuterei auf der Stelle entgegenzutreten … Jetzt befinde sich das aufrührerische Regiment auf dem langsamen Marsch nach Barrackpur, wo es aufgelöst werden solle. Aber es gebe keinen Grund zur Beunruhigung, und im Übrigen wurden nun, da alle mit dem Essen fertig waren, Rufe nach einem Blinde-Kuh-Spiel laut.

      Alles rief, das sei eine glänzende Idee, und im Nu hatten die Träger die Körbe beseitigt (ehe sie selbst beseitigt wurden), und das Spiel konnte beginnen. Einer der Ladies, einem pummligen Mädchen, das vom vielen Lachen schon ziemlich erhitzt war, wurde, wie es sich gehört, ein Tuch vor die Augen gebunden, und nun wurde es dreimal herumgedreht, während die anderen einen Reim sangen, den einer der Offiziere, der zum Zeitvertreib gern die Eingeborenen studierte, von den eingeborenen Kindern gelernt hatte:

       Rosen Attar, Senfes Öl,

       Die Katzen schrei’n, der Topf kocht fein,

       Schau und flieg! Sonst hascht dich

      Des Rajas* Dieb!

      Damit stoben alle davon, und die junge Lady stolperte kreischend vor Lachen umher, bis sich ihr Bruder, der fürchtete, sie würde noch hysterisch, schließlich fangen ließ.

      Dieser Bruder war kein anderer als Leutnant Cutter, fürwahr ein sehr amüsanter Bursche. Während er hier- und dorthin stürzte, machte er die ganze Zeit grobe, beängstigende Bemerkungen in dem Sinne, er sei ein großer Bär, und wenn er irgendein hübsches Mädel finge, würde er es ganz fürchterlich umarmen … und die Ladies waren so erschreckt und entzückt, dass sie sich, ob sie wollten oder nicht, durch ihr Kreischen ständig verrieten und immer erst im letzten Moment entwischten.

      Aber bald wurde klar, dass Leutnant Cutters Umherstolpern etwas recht Merkwürdiges an sich hatte. Wie kam es, dass er, weit davon entfernt, wahllos durch die Gegend zu stolpern, wie man es von einem Mann mit verbunden Augen erwartet hätte, ein ums andere Mal mit seinen beängstigenden Sprüngen an den Offizierskameraden vorbei in Richtung einer Gruppe Ladies galoppierte? Vielleicht nur, weil er sie durch ihr Gekreische orten konnte. Aber wie kam es, dass er so oft auf die Hübscheste von allen zuhielt, nämlich auf Louise Dunstaple, und das arme, atemlos jammernde Geschöpf am Ende fing, um es, wie angedroht, fürchterlich bärenhaft zu umarmen? (Und wie kam es, fragte sich Fleury, dass er sich an diesem unschuldigen Spiel so tierisch wild berauschte?) Leutnant Cutter, der Schurke, hatte sie hereingelegt. Irgendwie war es ihm gelungen, einen kleinen Schlitz in den Falten des seidenen Tuchs vor seinen Augen zu öffnen, und er hatte die ganze Blindheit nur vorgetäuscht!

      So ging es weiter mit den Belustigungen. Was für einen wunderbaren Tag sie alle verbrachten … sogar die zerlumpten Eingeborenen, die es vom Rand der Lichtung aus mit ansahen, dürften das Schauspiel genossen haben … und wie herrlich das Wetter war! Der indische Winter ist das perfekte Klima, sonnig und kühl. Erst später am Nachmittag fiel Fleury wieder ein, dass er Captain Hudson, der ein intelligenter Mann zu sein schien, hatte fragen wollen, ob er glaube, dass mit weiteren Unruhen zu rechnen sei … Denn natürlich wäre es töricht für ihn und Miriam, die Dunstaples wie beabsichtigt in Krishnapur zu besuchen, wenn ein Aufruhr im Land umging.

      Der Collector hatte sich gewundert, als er von der Meuterei am 19. in Berhampur erfuhr, dass diese Entwicklung in offiziellen Kreisen keinen Alarm auslöste. Später hörte er, General Hearsey sei genötigt gewesen, sich mit einer Rede an die Sepoys in Barrackpur zu wenden, um ihnen zu versichern, niemand habe die Absicht, sie zwangsweise zum Christentum zu bekehren, wie sie vermuteten. Die Engländer, hatte Hearsey ihnen erklärt, seien »Christen der Heiligen Schrift«, was bedeute, dass niemand Christ werden könne, der nicht zuerst die Heilige Schrift gelesen und verstanden und sich freiwillig entschieden habe, Christ zu werden. In Kalkutta glaubte man, diese Rede, die den Sepoys in ihrer eigenen Sprache, in einem kräftigen, männlichen Ton von einem Offizier gehalten worden war, dem sie vertrauten, habe eine heilsame Wirkung gehabt. Der Collector war unterdessen zu einem schmerzhaften Entschluss gelangt. Trotz seiner Besorgnis, nach der Abreise seiner Frau unverzüglich nach Krishnapur zurückzukehren, hielt er es für seine Pflicht, ein paar Tage länger in Kalkutta zu bleiben, um die Leute vor der Gefahr zu warnen, derer er selbst zum ersten Mal durch jene ominösen Chapatis auf seinem Schreibtisch innegeworden war.

      Fleury war dem Collector nur bei einer einzigen Gelegenheit begegnet und hatte zu diesem Zeitpunkt unglücklicherweise nicht begriffen, dass er jemandem begegnete, der bald ein interessantes Gesprächsthema für verzweifelnde Gesellschaftszimmer abgeben würde. In den zwei Jahren, die der Collector am Anfang des Jahrzehnts in England verbracht hatte, war er ein aktives Mitglied zahlreicher Gremien und Gesellschaften gewesen: des Magdalen Hospital zur Rückführung von Prostituierten beispielsweise, oder der aristokratischen Mendicity Society zur Unterstützung СКАЧАТЬ