Theologie im Umbruch. Группа авторов
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Название: Theologie im Umbruch

Автор: Группа авторов

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Christentum und Kultur

isbn: 9783290178451

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СКАЧАТЬ muss bezüglich vieler anderer Länder diesbezüglich nicht spekuliert werden. Gut begründet dürfte die Vermutung sein, dass die Tatsache, dass Barths Theologie sich in intensiver Auseinandersetzung mit weitreichenden und tiefgehenden Modernisierungskrisen entwickelt hat, für Theologinnen und Theologen in vielen Ländern und Weltgegenden, die – anders als West- und Mitteleuropa – von massiven Schüben solcher Krisen auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und bis in die unmittelbare Gegenwart hinein massiv geschüttelt wurden, einen wichtigen Grund oder Hintergrund für ihr Interesse an gerade dieser Theologie bildet.

      In diesem Sinne exemplarisch für eine solche kontextuelle Lektüre von Karl Barths früher dialektischer Krisentheologie steht in diesem Band der Beitrag des südafrikanischen Theologen Dirk Smit. Sein Beitrag wendet sich am Beispiel seines eigenen Landes und dessen konfliktreicher jüngerer Geschichte direkt den Lektüremöglichkeiten der «Krisentheologie Barths in Kontexten radikaler Transformation» zu. Dabei weist er ausdrücklich auf die verschiedenartigen Schwierigkeiten hin, der die Rede von einer Barthrezeption ausgesetzt ist.

      Smit unterscheidet vier Krisen, welche die südafrikanische Gesellschaft im 20. Jahrhundert durchlebt habe, und weist auf die sehr unterschiedlichen, teils widersprüchlichen Weisen hin, wie in jeder dieser Perioden auf Barth zugegriffen wurde: im Widerstand gegen die Etablierung der Apartheid, im Kampf gegen die Apartheid, im Übergang zum demokratischen Rechtsstaat sowie in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Krise. Diese Differenzierung ist daher unerlässlich, weil erst die Aufmerksamkeit auf den jeweiligen engeren Rezeptionskontext es erlaube, den Modus der Rezeption in einer funktionalen Perspektive zu betrachten. Zugleich ermögliche der Durchgang durch die bisherigen Barthrezeptionen, die Frage nach der werkgeschichtlichen Kontinuität in Barths Denken neu aufzurollen – und, mit Blick auf die Gegenwart, den Zugriff auf die neu veröffentlichten Texte aus der Zeit um den Ersten Weltkrieg in den Modus kritischer Selbstreflexion zu überführen.

      Obwohl die Niederlande mit Südafrika geschichtlich eng verbunden sind, könnten die beiden Länder hinsichtlich ihres gegenwärtigen gesellschaftlichen Modernisierungs-, insbesondere auch hinsichtlich ihres Säkularisierungsgrades (um den Begriff für einmal ganz cum grano salis zu gebrauchen) gewiss |19| kaum unterschiedlicher sein. Vor diesem Hintergrund leuchtet es unmittelbar ein, dass der niederländische Systematische Theologe Cornelis van der Kooi, Mitherausgeber der neuen Edition von Barths zweitem «Römerbrief», dieses «Jahrhundertbuch» vor allem als theologische Antwort auf eine tiefgehende und gesamtgesellschaftliche Säkularisierungserfahrung deutet.

      Die in den Niederlanden seit den 1960er Jahren noch einmal dramatisch fortgeschrittenen Säkularisierungs- bzw. Entkirchlichungsprozesse betrachtet er darum auch als Kontrastfolie für die aus seiner Sicht zumindest in Teilen erstaunlich positive Rezeption der Neuedition der Zweitfassung des Römerbriefkommentars in der weltlichen Presse seines Landes. Auf der Basis solcher Eindrücke geht er der Frage nach, warum insbesondere dieses Buch Barths eine so vergleichsweise breite aussertheologische Rezeption erfahren habe. Neben manchen Gemeinsamkeiten, welche die gegenwärtigen mit den historischen Rezeptionsbedingungen verbänden, legt van der Kooi Nachdruck auf Barths Beitrag zur Schärfung der hermeneutischen Fragestellung in der Philosophie des 20. Jahrhunderts sowie seine Bedeutung für die Formulierung einer alteritätstheoretisch orientierten Theologie.

      Im Unterschied zu van der Kooi verfolgt der in Essen lehrende Systematische Theologe Folkart Wittekind, wenn das plakative Labelling erlaubt ist, nicht eine säkularisierungs-, sondern eine individualisierungstheoretische Interpretation der modernen Theologie, insbesondere derjenigen von Karl Barth. Seine zahlreichen eindringlichen früheren Analysen der Theologie Karl Barths führt er im vorliegenden Beitrag durch eine Studie weiter, die, wie bereits erwähnt, Barths zweiten «Römerbrief» in die kunsttheoretischen Debatten seiner Zeit, näherhin in die Debatten um religiöse Kunst, einordnet. Dies ist bisher, so weit wir sehen, noch nirgends unternommen worden.

      Als Beleg für einen expliziten Brückenschlag zwischen den religionsphilosophischen und den kultur- und kunsttheoretischen Diskursen der Nachkriegszeit des Ersten Weltkriegs zieht Wittekind zunächst Paul Tillichs Überlegungen zu den Möglichkeiten einer Kulturtheologie heran, um Barths Text daraufhin vor dem Hintergrund der kunstphilosophischen Ausführungen Georg Simmels nach seinen religionsphilosophischen Implikationen zu befragen. Während für Tillich die Expressionismusdebatte von unmittelbarer Bedeutung für die Entwicklung seiner religionsphilosophischen Formel des «Gott über Gott» geworden sei, sei für Georg Simmel die Kunstphilosophie einer derjenigen Rahmen, innerhalb derer er seine Theorie religiöser Individualität illustrieren und präzisieren konnte.

      Massgeblich ist für Wittekind dabei die Funktion der Inhalte der Kunst, die ihrerseits als Interpretament der Geltung (religiöser) Gewissheit zu stehen kämen. Barths Religionsbegriff stelle sich vor diesem Hintergrund als Steigerung der Reflexionshöhe des religionsphilosophischen Diskurses dar, |20| der in der Betonung der Alterität des Gegenstandes religiöser Sprache die reflexive Funktion des Objektbezugs für den Ausweis der Geltung der Struktur des religiösen Bewusstseins als genuin theologischen Beitrag zum Religionsdiskurs und zugleich als dessen Modernisierungsprogramm in Stellung bringe.

      Damit leistet Wittekind einen Beitrag zu einer kulturtheoretischen Barthdeutung, der vom Objektbezug religiöser Sprache abstrahiert und diese als Ausdruck des reflexiven Umgangs mit ihren Produktionsbedingungen interpretiert. Barths Theologie wird damit ansichtig als in hohem Masse reflexiver Ausbau neukantianischer Theorieelemente, die in ihrer kritischen Wendung des Religionsbegriffs gerade auf dessen Überbietung abziele. Aufzuklären, inwieweit diese ebenso anspruchsvolle wie luzide Interpretation dem «biblischen Realismus», der – unerachtet ihrer kunstvollen dialektischen Reflexionslogik – die Phänomenalität des «Römerbriefs» wie auch all seiner späteren Texte bestimmt, gerecht wird, muss weiterer Forschung vorbehalten bleiben.

      Abgerundet, oder besser: über den Tellerrand des Untersuchungszeitraums hinaus geöffnet wird der Band durch den Beitrag des Saarbrücker Systematischen Theologen Michael Hüttenhoff. Seine Ausführungen über die «Kirchliche Opposition im Streit» beschäftigen sich mit Barths Verhältnis zur Bekennenden Kirche und ihren führenden Vertretern. Im Zentrum der Untersuchung stehen die Vorworte, die Barth für die «Theologische Existenz heute!» 1933 und 1934 schrieb. Anhand der Äusserungen Barths zur Lutherfeier 1933 analysiert Hüttenhoff die umstrittene Stellung Barths innerhalb der kirchlichen Opposition und seine Reaktionen darauf. Dabei stehen Barths Kritik an der Theologie (die Hüttenhoff auf der Linie seiner Polemik gegen die natürliche Theologie bzw. den Neuprotestantismus interpretiert) sowie der s. E. unrechtmässigen Übernahme der Kirchenleitung durch die Deutschen Christen im Vordergrund, die ihn zugleich in eine kritische Position gegenüber der Jungreformatorischen Bewegung, aber auch innerhalb des Pfarrernotbunds brachte. Hüttenhoffs konzise Mikroanalyse zeigt Barths Dialektische Theologie in der dramatischen Phase der gesamtgesellschaftlichen und humanitären Krise, die der nationalsozialistische Staat zu diesem Zeitpunkt noch nur Deutschland brachte. Sie zeigt die «Dialektische Theologie in Scheidung und Bewährung» (Walter Fürst). Ob die Scheidungen, die Barth in dieser Phase oft auch gegenüber engeren Weggefährten aus grundsätzlichen theologischen Erwägungen meinte vornehmen zu müssen, der politischen und ethischen, aber auch theologischen Bewährung seiner Theologie in allen Fällen wirklich dienlich waren, – dies zu beurteilen muss, wie vieles andere auch, ebenfalls der weiteren Forschung vorbehalten bleiben. |21|

      3. Dank

      Die Herausgeber danken zunächst der Autorin und den Autoren dafür, dass sie ihnen ihre Beiträge für diesen Band überlassen und dabei teilweise einige Geduld bewahrt haben.

      Dass die betreffenden Anlässe, aus denen der Grossteil der Beiträge hervorgeht, möglich wurden, ist vor allem der Förderung und Unterstützung der Karl Barth-Stiftung und namentlich ihrem Präsidenten, Dr. iur. Dr. theol. h. c. Bernhard Christ, zu danken. Ihm bzw. ihr danken wir auch für einen namhaften Beitrag zur Deckung der Druckkosten des vorliegenden Bandes. Ebenfalls danken wir dem Schweizerischen Nationalfonds СКАЧАТЬ