Theologie im Umbruch. Группа авторов
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Название: Theologie im Umbruch

Автор: Группа авторов

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Christentum und Kultur

isbn: 9783290178451

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СКАЧАТЬ Aufgabe, die sich also stellt, dürfte darin bestehen, Barths Theologie und theologische Entwicklung noch sehr viel genauer als bisher in der Regel üblich und möglich vor dem Hintergrund jener Diskurse zu interpretieren, in denen die Krisenhaftigkeit der Moderne in diesen Jahren von aufmerksamen Zeitgenossen selbst wahrgenommen und zu verarbeiten versucht wurde. In dem Masse, in dem dies gelingt, wird die Grösse, aber werden auch die unvermeidlichen Grenzen von Barths Krisentheologie jener Jahre noch sehr viel genauer als bisher zum Vorschein gebracht werden können.

      Dass die beiden neuen Editionen einen Quantensprung für die Quellenlage bedeuteten, der es erforderlich machte, alle vor 2011 erschienenen Arbeiten der neueren Barthforschung in neuen Auflagen zu überarbeiten, soll aber gleichwohl nicht behauptet werden. Ihre Leistung dürfte vor allem darin bestehen, dass sie den Spezialistinnen und Spezialisten das Auge fürs Detail schärfen, ihnen aber auch die Grenzen allzu fachwissenschaftlicher Spezialisierung und die Notwendigkeit verstärkter interdisziplinärer Zusammenarbeit aufzeigen und sie (so) zugleich grössere Zusammenhänge leichter als bisher erkennen lassen. Fernerstehenden sollte es nun schwerer fallen, allzu einfache Deutungsmuster der Barthschen Theologie in den oben angedeuteten Richtungen weiter zu verfolgen, und sie stattdessen ermuntern, die Differenzierungsleistungen neuerer Barthforschung intensiver zur Kenntnis zu nehmen.

      Im vorliegenden Band werden in dieser Richtung und Hinsicht – nur, aber immerhin – erste Schritte unternommen. Die darin versammelten Texte gehen grösstenteils auf Vorträge zurück, die an drei Vernissage-Veranstaltungen der Theologischen Fakultät der Universität Basel anlässlich von Neuerscheinungen der Karl-Barth-Werkausgabe zwischen 2011 und 2013 gehalten wurden.

      Sechs Beiträge des Bandes, nämlich diejenigen von Hans-Anton Drewes, Regina Wecker, Andreas Pangritz, Georg Pfleiderer, Bruce McCormack und |12| Dirk Smit, haben ihren Ursprung in der gut besuchten, auch medial viel beachteten7 Tagung, die von der Basler Theologischen Fakultät Basel in Zusammenarbeit mit der Karl Barth-Stiftung und dem Karl Barth-Archiv am 9. November 2012 aus Anlass der Edition der «Vorträge und kleineren Arbeiten 1914–1921» im Kollegiengebäude der Universität Basel veranstaltet wurde.

      Der Beitrag von Cornelis van der Kooi wurde in der Vortragsform präsentiert beim «Symposium aus Anlass des 125. Geburtstags Karl Barths sowie der Neuedition des «Römerbriefs» (1922) im Rahmen der Gesamtausgabe», das am 6. Mai 2011 ebenfalls in Basel und von den gleichen Institutionen wie jene erstgenannte Tagung veranstaltet wurde. Der bereits erwähnte Text von Folkart Wittekind ersetzt im vorliegenden Band dessen Tagungsvortrag.8

      In den «Vorträgen und kleineren Arbeiten 1914–1921» nicht enthalten ist naturgemäss Barths Hauptwerk aus diesen Jahren, sein erster Römerbriefkommentar von 1919. Da jedoch in diesem Band der Bogen von 1914 bis zum Römerbriefjahr 1922 komplett geschlagen werden sollte, hat Harald Matern eigens für diesen Zweck einen Beitrag zu jenem ersten «Römerbrief» verfasst, dem in der Forschung vielleicht immer noch nicht die gebührende Aufmerksamkeit zugewendet wird.

      Formal in gewisser Weise als Anhang, inhaltlich als eine Art Ausblick, haben sich die Herausgeber des vorliegenden Bandes entschlossen, in diesen noch einen weiteren Aufsatz aufzunehmen, nämlich Michael Hüttenhoffs genaue Rekonstruktion der Auseinandersetzung zwischen Barth und führenden Vertretern der Bekennenden Kirche im Zeitraum zwischen November 1933 und Mai 1934. Auch dieser Aufsatz wurde in Vortragsform an |13| einem Basler Vernissage-Symposium vorgetragenen, das aus Anlass des Erscheinens von Barths «Vorträge[n] und kleinere[n] Arbeiten 1930–1933»9 am 15. November 2013 wiederum an der Universität Basel und von denselben Veranstaltern wie jene Tagungen ausgerichtet wurde.10 Zwar wird damit über den im Untertitel des vorliegenden Bandes signalisierten Zeitraum hinausgegriffen; zu Barths «früher dialektischer Theologie» kann sein Denken in den ersten 1930er Jahren, also in der Phase der «Kirchlichen Dogmatik» I/1 bzw. I/2, nicht mehr eigentlich gerechnet werden.

      Mit der Aufnahme des Beitrags in den Band verbindet sich vielmehr der doppelte Interpretationsvorschlag, zum einen die oben skizzierte Sichtweise des integrativen Blicks auf die zeitdiagnostischen und genuin theologischen Elemente der Barthschen Theologie nicht nur an seinen frühen Texten zu praktizieren. Auch – und vielleicht gerade – die Texte der «Kirchlichen Dogmatik» sollten stärker vor dem Hintergrund der zeitgenössischen «Vorträge und kleineren Arbeiten» Barths und der dort aufscheinenden intensiven dialektisch-dialogischen Bezüge und Verstrickungen gelesen werden, als dies in der Regel bisher der Fall ist.

      Der inhaltliche Teil des damit verbundenen Deutungsvorschlags ist, dass Barths Theologie möglichst in ihrer gesamten Ausdehnung, nicht nur in ihren Anfängen und in den wilden zwanziger Jahren, als «Theologie der Krise» gelesen werden möge, die spätestens mit KD I/1 in eine ruhigere, positiv-dogmatische Form, deren Architektur nicht selten mit der einer Kathedrale verglichen worden ist, überführt wurde. Auch in der allgemeinen Historiographik beginnt es sich einzubürgern, das 20. Jahrhundert insgesamt als «Zeitalter der Extreme»11 wahrzunehmen, als die Phase einer Moderne, die bis mindestens 1989, aber vielleicht bis in unsere Gegenwart hinein, aus spannungsvollen, antagonistischen und darum stets neue Krisen erzeugenden Extremen nicht herauskommt. Möglicherweise fehlt auch uns Heutigen noch der Abstand, um zu sehen, in welchem Masse Karl Barths dialektische Krisentheologie der heilsamen Zuwendung Gottes zu gerade dieser Welt das Kind ihrer – und unserer(?!) – Zeit (gewesen) ist. Wie dem auch sei: Jedenfalls sind die für die nächsten Jahre und Jahrzehnte geplanten und zu erwartenden Bände der «Vorträge und kleineren Arbeiten» Karl Barths, |14| die über das Jahr 1933 hinausführen, auch und vor allem aus diesen Gründen mit Spannung zu erwarten.

      2. Krisentheologie in Einzelanalysen. Zu den Beiträgen des Bandes

      Hans-Anton Drewes, langjähriger Leiter des Karl Barth-Archivs in Basel und Editor des neuen Bandes der Gesamtausgabe, führt mit seinem Beitrag in Probleme und Themenstellungen der «Vorträge und kleineren Arbeiten 1914–1921» ein. Mit Behutsamkeit und Unterscheidungsvermögen behandelt er die Frage, ob die Theologie Barths in seiner Safenwiler Zeit «die Denkform eines dialektisch-theologischen Sozialismus» darstelle. Leitend für deren Beantwortung ist die Unterscheidung zwischen theologischen Denkfiguren, die eher einer «negativen Theologie» entsprächen, und der politischen Praxis Barths, in der sich die Entwicklung seines Verhältnisses zum Sozialismus in drei zu unterscheidenden Phasen abbilde. Für die Einschätzung der politischen Praxis sei es unerlässlich, die «Interaktionen und Interferenzen» unterschiedlicher sozialer Interessenträger zu beachten. Vor diesem Hintergrund müsse auch die theologische Verwendung des Sozialismusbegriffs verstanden werden, wie Drewes in der Nachzeichnung des Denkweges Barths anhand (teilweise) neu publizierter Texte zeigt. Als Leitmotive liessen sich dabei zum einen die «Unterscheidung der Zeiten», die Barths Geschichtstheologie wie zugleich seine Gegenwartsdeutung präge, zum anderen die Zentralstellung des Lebensbegriffs identifizieren.

      In ihrem Beitrag «Der Anfang des 20. Jahrhunderts und die Schweiz: Versuch einer historischen Situierung der Schriften von Karl Barth» greift die Basler Historikerin Regina Wecker exemplarisch drei historische Ereignisse der Schweizer Geschichte in jenem Zeitraum heraus, um an ihnen Barths Interferenzen mit der Zeitgeschichte zu untersuchen: die Landesausstellung von 1914, das Fabrikgesetz von 1914/1920 und den Landesstreik 1918. Das erste dieser drei Ereignisse sei von Barth freilich weitgehend ignoriert worden. Gleichwohl liessen sich an ihm gesellschaftliche und politische Spannungen und Problemlinien erkennen, die sich in der Folgezeit verschärft und verstärkt hätten. Dazu zählen die Animositäten zwischen der Deutsch- und der Westschweiz, aber auch die sozialen Konflikte.

      Diese seien im Zusammenhang der Revision des Fabrikgesetzes 1914 zu einem ersten manifesten Ausbruch gekommen, deren Umsetzung sich wegen des Kriegsausbruches dann jedoch bis 1920 verzögerte. Barth habe sich engagiert und vergleichsweise differenziert für Arbeitszeitverkürzung, Frauenschutz und bessere Löhne für die (männlichen) Fabrikarbeiter ausgesprochen. Seine Forderungen hätten «die bürgerlichen Vorstellungen, die das Haus als Wirkungsstätte der Frau sahen und die der Gewerkschaften» vereint. СКАЧАТЬ