Deutsche Geschichte. Ricarda Huch
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Название: Deutsche Geschichte

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Sachbücher bei Null Papier

isbn: 9783962817725

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СКАЧАТЬ das Haus un­ten an. Da sie nicht her­aus­konn­ten, flo­hen die Be­tro­ge­nen im­mer hö­her hin­auf, bis sie zu­letzt auf dem Dach er­schie­nen. In ih­rem Zorn und ih­rer Verzweif­lung war­fen sie Stei­ne und Bal­ken auf die Volks­men­ge, die sich gaf­fend un­ten an­ge­sam­melt hat­te. Dann ver­san­ken sie un­ter Ge­sän­gen in das in eine Flam­men­py­ra­mi­de ver­wan­del­te Haus.

      Ket­zer wa­ren ein­zel­ne, die es bes­ser wis­sen woll­ten, und Völ­ker, die als Son­der­we­sen ihre be­son­de­re Be­zie­hung zu Gott und den gött­li­chen Din­gen zum Aus­druck brin­gen woll­ten.

      Das Chris­ten­tum ist kei­ne Re­li­gi­on wie die üb­ri­gen. Es ist der Glau­be, in dem sich die Mensch­heit vollen­det, es be­zeich­net den Au­gen­blick, wo sie, in Chris­tus, mit Gott eins wird, wo sie in Chris­tus ih­res gött­li­chen Ur­sprungs und Zie­les in­ne­wird. Der Gott­mensch ist die Wahr­heit, der Weg und das Le­ben. Was die­se Re­li­gi­on lehrt und spen­det, ist, so voll von Über­sinn­lich­keit sie auch sein mag, doch nichts der Mensch­heit We­sens­frem­des, son­dern eine Ent­fal­tung, ein Er­strah­len­las­sen des Mensch­heits­ge­dan­kens. Eine Re­li­gi­on, die über sie hin­aus­gehn kann, ist so we­nig denk­bar wie ein Zu­rück­gehn auf das Hei­den­tum, das im Chris­ten­tum mün­de­te, in ihm ent­hal­ten ist; die ein­mal christ­lich ge­wor­de­ne Mensch­heit kann, wenn sie nicht christ­lich bleibt, nur zer­fal­len, ver­wil­dern und in ei­nem ent­göt­ter­ten und na­tur­fer­nen Zu­stand ihr Da­sein weiter­schlep­pen. In­ner­halb des Chris­ten­tums aber sind un­zäh­li­ge Be­son­der­hei­ten der Auf­fas­sung mög­lich ent­spre­chend den un­zäh­li­gen Völ­kern und ein­zel­nen in­ner­halb der Mensch­heit. Die Kir­che er­fass­te ihre Auf­ga­be, die Wel­tre­li­gi­on zu ver­kün­den, den großen Ge­dan­ken, die gan­ze Mensch­heit, zu­nächst we­nigs­tens das Abend­land, in ei­nem Glau­ben zu ver­ei­nen, mit Ernst und Klug­heit. Es schi­en selbst­ver­ständ­lich und auch leicht, so­lan­ge das Chris­ten­tum im Kamp­fe ge­gen den rö­misch-heid­nischen Staat alle sei­ne Kräf­te im Na­men des Er­lö­sers zu­sam­men­fass­te; kaum aber war es herr­schend ge­wor­den, als die un­end­li­che Man­nig­fal­tig­keit der Men­schen die Sch­licht­heit des Be­kennt­nis­ses durch­brach und über den großen Sym­bo­len und Wor­ten des Herrn der ein­zel­ne ein ver­wi­ckel­tes Ge­dan­ken­ge­bäu­de auf­türm­te. So wie je­der Mensch un­ter Mil­lio­nen sein ei­ge­nes Ant­litz trägt, das ihn von al­len an­de­ren un­ter­schei­det, sein ei­ge­nes Schick­sal er­lebt, das kei­nem an­de­ren gleicht, so ge­hen auch sei­ne Ge­dan­ken ei­ge­ne Wege, und un­über­wind­lich ist die Lust ei­nes je­den, die Welt mit ei­ge­nen Au­gen zu be­trach­ten und ihre Rät­sel mit ei­ge­nem Scharf­sinn zu durch­drin­gen. Die­sem Dran­ge nach ei­ge­ner Er­kennt­nis steht der kind­li­che Hang ge­gen­über, sich den An­schau­un­gen der Vä­ter, dem Zeug­nis Ehr­wür­di­ger an­zu­schlie­ßen, und das un­mit­tel­ba­re Ein­strö­men der großen Geis­ter in die gött­li­chen Of­fen­ba­run­gen der Vor­zeit. Wäre das nicht, die geis­ti­ge Welt der Men­schen und da­mit die Welt über­haupt wäre längst zer­fal­len. Den­noch grei­fen die auf­lö­sen­den Kräf­te so zahl­reich und so kräf­tig an, dass au­ßer­or­dent­li­che Ge­walt am Werk sein muss, um ih­nen den sinn­voll ge­stal­te­ten Kos­mos zu ent­rei­ßen. Als die Ju­den in der Wüs­te das Gol­de­ne Kalb an­be­te­ten, er­schlug Mo­ses drei­tau­send Mann; da das wan­dern­de Volk durch kein an­de­res Band zu­sam­men­ge­hal­ten wur­de, als durch den Glau­ben an sei­nen Gott, zog er es vor, einen Teil zu op­fern, um das Gan­ze zu er­hal­ten. Das Ge­bot »Die Zau­be­rer sollst du nicht le­ben las­sen«, das spä­ter die Auf­schrift über ei­ner düs­te­ren Pe­ri­ode der abend­län­di­schen Ge­schich­te wur­de, will die An­wen­dung ma­gi­scher Mit­tel zur Er­rei­chung ei­nes Zweckes durch­aus, auch mit den schärfs­ten Mit­teln aus­schlie­ßen. Im­mer bran­de­te un­ter­ir­disch ein ti­ta­ni­scher Strom ge­gen die herr­schen­de Ord­nung, die auf un­an­tast­ba­ren Grund­wahr­hei­ten be­ruht.

      In­ner­halb der christ­li­chen Kir­che wur­de in den ers­ten Jahr­hun­der­ten die Grund­la­ge des Glau­bens nicht an­ge­grif­fen; wohl aber tauch­ten all­mäh­lich ver­schie­de­ne Auf­fas­sun­gen über die ein­zel­nen Punk­te des Be­kennt­nis­ses und die dar­aus zu zie­hen­den Fol­ge­run­gen auf, wie etwa über das We­sen der Drei­ei­nig­keit, über das Abend­mahl, über die Gna­den­wahl, über die Au­fer­ste­hung. Den von­ein­an­der ab­wei­chen­den Mei­nun­gen ge­gen­über sah sich die Kir­che ge­nö­tigt, eine Auf­fas­sung als die rich­ti­ge, eine an­de­re als un­rich­tig zu be­zeich­nen, was un­ter Zu­zie­hung der füh­ren­den Män­ner auf all­ge­mei­nen Ver­samm­lun­gen ge­sch­ah. So wur­den aus Mys­te­ri­en, die den Ein­gang zu den Ab­grün­den des Über­sinn­li­chen be­zeich­ne­ten, die die ah­nungs­vol­le See­le an­be­tend er­fass­te, Dog­men, un­an­fecht­ba­re, er­lern­ba­re Sät­ze. Aus dem Flie­ßen­den wur­de et­was Star­res, das mit sei­nem An­spruch auf un­fehl­ba­re Rich­tig­keit den Zwei­fel des wi­der­spruchs­lüs­ter­nen Men­schen umso mehr her­aus­for­der­te. Nicht als ob die Kir­che dem Vol­ke die Mys­te­ri­en in ih­rer ein­drucks­vol­len Bild­lich­keit vor­ent­hal­ten hät­te. Durch Un­ter­richt und Pre­digt wur­de die Kennt­nis der bib­li­schen Ge­schich­te ver­brei­tet, und von den Wän­den der Kir­che konn­te das Volk die große Tra­gö­die vom Sün­den­fall und der Er­lö­sung der Mensch­heit ab­le­sen. Papst Gre­gor hat­te sich ge­gen die Ab­schaf­fung der Bil­der aus­ge­spro­chen, weil das des Le­sens un­kun­di­ge Volk sich durch das An­schau­en der Bil­der die Heils­ge­schich­te ein­prä­gen kön­ne. An den Por­ta­len der Dome emp­fin­gen den Ein­tre­ten­den die Pro­phe­ten und Apos­tel, die klu­gen und die tö­rich­ten Jung­frau­en, der Wel­ten­rich­ter; aus den halb­dunklen Ge­wöl­ben glüh­ten im ver­trau­ten Um­riss die wun­der­ba­ren Ta­ten Got­tes her­vor und die ge­heim­nis­vol­len Berüh­run­gen des mensch­li­chen Da­seins mit dem gött­li­chen: die Ver­kün­di­gung des En­gels, die Ge­burt im Stal­le, die Au­fer­we­ckung des La­za­rus, der Tod des Got­tes am Kreuz. Von die­sen Bil­dern aber, so­fern sich nicht durch den täg­li­chen An­blick ihre Be­deu­tung ab­stumpf­te, führ­te nie­mand den Ge­dan­ken wei­ter. Pre­dig­ten wur­den wohl im All­ge­mei­nen re­gel­mä­ßig und reich­lich ge­hal­ten, aber sie be­schränk­ten sich auf lee­re For­meln und spitz­fin­di­ge Al­le­go­ri­en. Wenn ei­ner aus der Men­ge rege ge­nug war, um sich ei­ge­ne Ge­dan­ken­gän­ge zu gra­ben, ver­sperr­ten ihm die Dog­men wie ei­ser­ne Vor­hän­ge des­po­tisch starr den Weg. Im­mer bran­det die Ei­gen­art und der Frei­heits­wil­le des In­di­vi­du­ums ge­gen die Fes­seln, die der Wil­le zum Gan­zen ihm an­legt, wenn sie sei­nen Geist zu er­sti­cken be­gin­nen. Die heid­nischen Ger­ma­nen öff­ne­ten sich im All­ge­mei­nen dem christ­li­chen Ge­dan­ken leicht, weil sich der Über­gang von der got­t­er­füll­ten Na­tur zu Gott leicht voll­zie­hen kann. An­de­rer­seits ließ die Kir­che das Heid­nische, so­weit das mög­lich war, ohne das We­sent­li­che zu zer­stö­ren, in sich ein­flie­ßen, voll Weis­heit be­den­kend, dass die Welt­kir­che wohl al­les Men­sch­li­che bil­den, aber nichts Men­sch­li­ches ver­leug­nen soll. Nach­dem aber ein­mal die Chris­tia­ni­sie­rung voll­zo­gen war, mach­te sich die Ver­schie­den­heit der ein­zel­nen und der Völ­ker­schaf­ten gel­tend, letz­te­res im sel­ben Maße wie die Ei­gen­art der Na­ti­on sich aus­wirk­te. Wie weit und elas­tisch die Kir­che ih­ren Um­fang auch ge­zo­gen hat­te, die Be­son­der­heit СКАЧАТЬ