Название: Die Olive und wir
Автор: Hugo Portisch
Издательство: Bookwire
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
isbn: 9783711053053
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Die Terrassen sind Jahrhunderte alt und haben ihre eigene Art, mit dem Herbst- und Winterregen fertig zu werden.
Wir mussten, um einen neuen Weingarten anzulegen, den Bach umleiten, sonst hätte er den Weingarten jährlich mehrere Male überschwemmt. Die Folge waren unglaubliche Erdrutsche, die Jahr für Jahr stattfanden, bis sich die Landschaft an den neuen Wasserlauf gewöhnt hatte. Das alles mussten wir erst lernen.
Unter dem Haselnusswald, den kleinen Bach entlang, kommt man über mehrere kleine Brücken in den großen Weingarten. Hier standen immer schon Reben, aber die alten waren seit Langem verdorrt und nicht mehr zu beleben. Also legten wir, nach einer sehr schwierigen Rodung, einen neuen Weingarten an. Eigentlich wollten wir gar nicht noch mehr Wein produzieren, aber was sollte man mit diesem Stück Grund machen? Es war leicht zu bearbeiten.
Vielleicht hätten wir Obstbäume pflanzen sollen, aber da die anderen Weinstöcke verstreut im Grund standen und auch schon sehr alt waren, hörten wir auf den Rat der Nachbarbauern. Jetzt haben wir mehr Wein, als wir je verbrauchen können, und ein Verkauf bringt sehr wenig. Aber die Bauern sagen: „Öl und Wein, das muss sein.“ Unsere Landwirtschaft beherrscht uns und nicht wir sie, das ist sicher, und vielleicht ist es auch gut so.
Oberhalb des Weingartens führt ein kleiner Weg in einen größeren Wald, den wir einfach Dschungel nennen. Er ist von Erlen und Buchen bewachsen, und auf unserer Seite des Weges steht auch ein Kastanienbaum, der jedes Jahr Früchte trägt. Oberhalb des Weges standen, als wir das Haus kauften, mehrere riesige Mimosenbäume, die zu Weihnachten prachtvoll blühten. Als Schachtelhalme wachsen diese Riesen so lange, bis sie durch ihr eigenes Gewicht zu Fall kommen. Auf diese Weise bildeten sich einst die Kohlenflöze. Es war ein trauriger Anblick, als wir eines Tages zwei dieser Riesen quer über den Weg liegen sahen. Die Blüten waren gerade knapp vor dem Aufspringen, und wir holten noch Tage danach immer wieder Äste ins Haus, um sie zum Aufblühen zu bringen. Ein Trost war nur, dass neben diesen Riesen sich schon eine Unzahl kleiner Mimosenpflanzen angesiedelt hatte, und dass wir uns daher um Nachwuchs nicht zu sorgen brauchten.
Der Dschungel wurde von uns deshalb so genannt, weil sich auf jeden der hohen Bäume Efeu und andere Schlingpflanzen hinaufranken. Von den Wipfeln hängen Lianen herunter in das dichte Unterholz, sodass der Wald wirklich wie ein asiatischer oder afrikanischer Dschungel wirkt. Durch diesen Dschungel fließt ein größerer Bach, der das ganze Jahr über Wasser führt, aber nur auf einer Seite zu uns gehört. An diesem Bach wachsen seltene Pflanzen, manche sind bei uns in Blumenhandlungen zu haben. Es gibt auch Calla und Schneerosen, Seite an Seite! Die Blüten beider werden seltsamerweise nicht weiß, wie bei uns, sondern bleiben grün. Besonders die Schneerose sieht sehr hübsch aus, selbst im grünen Zustand, ist viel höher und ihre Blätter sind viel größer. Aber auch der Dschungel verändert sich jährlich. Der Bauer, dessen Grund sich auf der anderen Seite des Baches befindet, hat schon einige Bäume herausgeschlagen und den Wald gelichtet. Uns tut es um jeden Baum leid, aber er musste sich einen neuen Hühnerstall bauen und dazu brauchte er das Holz. Für ihn ist der Dschungel keine botanische Seltenheit wie für uns, und wir müssen das verstehen.
Alle diese Entdeckungen mussten doch einen Mitteleuropäer begeistern! Etwas weniger Begeisterung zeigten wir, als wir den ersten kleinen Skorpion sahen, und noch viel weniger, als uns die erste Viper begegnete.
Wir wussten, dass es Vipern gab, und gingen durch das hohe Gras auch immer in Stiefeln, aber uns schien es, dass man sie doch nur sehr selten zu Gesicht bekam. Die Bauern jedenfalls redeten kaum darüber. Als sich dann eine Viper dicht vor unserer Gartentür unter dem Strahl eines Gartenschlauches auf uns zu bewegte, waren wir sehr überrascht und erschrocken.
Was die Skorpione betrifft, so sagen die Bauern, dass sie nicht ärger stechen als eine Biene, dass sie aber in den Monaten mit „R“ giftiger sind als sonst. Jedenfalls sind sie sicher viel kleiner als afrikanische Skorpione. Wir bringen sie nicht um, sondern befördern sie mit einer Schaufel in den Weingarten, obwohl wir wissen, dass sie sehr bald wieder zum Haus zurückkehren werden. Warum sie ausgerechnet die menschliche Gesellschaft bevorzugen, weiß ich nicht, aber ich vermute, dass dort, wo Menschen sind, auch Wasser ist, besonders unter Blumentöpfen oder Sonnenschirmständern. Etwas Feuchtigkeit brauchen sie, und sie können sich unter einem Blumentopf so flach machen, dass man sie dort nicht vermuten würde. Wenn sie laufen, sind sie zwar sehr schnell, aber auch wehrlos. Ein Tritt, und das Leben des Skorpions ist vorbei. Es scheint mir, dass wir einen sehr unfairen Vorteil ihnen gegenüber haben. Unsere Katze aber nimmt sie nicht ernst und spielt mit ihnen ganz so, als hätten sie keinen Giftstachel.
Manche Vögel in dieser Gegend bauen ihre Nester nicht in den Bäumen, sondern in den Löchern der Böschungen und wären deshalb jedem Zugriff einer Katze oder eines Hundes ausgesetzt, gäbe es nicht die vielen wilden Brombeersträucher, die den Zugang zu ihren Nestern mit ihren stacheligen Zweigen versperren. Die zart belaubte Olive bietet ihnen zu wenig Schutz, und die Zypressen haben so eng stehende Äste, dass sie wenig Platz für den Nestbau zulassen. Im Hof erhebt sich jedoch ein großer Lorbeerbaum, und darin finden sich viele Vögel, vor allem Rotkehlchen, Jahr für Jahr zum Nestbau ein.
Die Jagd auf kleine Vögel wird den Italienern immer wieder sehr übel genommen. Sie empört die Tier- und Naturschützer. Zu Recht. Aber dass es so ist, dafür gibt es eine sozialhistorische Erklärung, die wir uns anhören mussten, als auch wir die Vogeljagd kritisierten.
Wie bei uns, gab es auch in Italien Bauernaufstände, die sich gegen die meist adeligen Großgrundbesitzer richteten. Die Bauern aber waren de facto Leibeigene, kaum einer besaß eigenen Grund, auch kein eigenes Haus, sie arbeiteten für die adeligen Herren und mussten ihnen den Großteil der Ernte abliefern. Im Besonderen verboten aber war die Jagd. Wer einen Hasen oder einen Fasan oder gar ein Reh erlegte, wurde hart bestraft mit Gefängnis und Zwangsarbeit. Gegen all das empörten sich die Bauern, und es kam zu blutigen Aufständen. Nördlich der Alpen erzwangen die Bauern ihre Freiheit und eigenen Grundbesitz. In Italien waren sie nicht so erfolgreich, nur die abzuliefernde Erntemenge wurde reduziert. Aber man gewährte ihnen ein lang ersehntes Recht – das Recht auf die Jagd. Von nun an durften sie Jagdgewehre besitzen und jagen auf den Gründen, die sie bearbeiteten. Das Gewehr und die Jagd wurden damit zum Statussymbol der Bauern. Die jagdbaren Tiere auf den Gründen aber waren bald ausgerottet, die Hasen, Fasane und Rebhühner. Die Rehe im Wald, die Hirsche und Wildschweine durften weiterhin nur die Waldbesitzer jagen. Deswegen schoss man auf die noch verbliebenen Vögel und tut dies auch noch heute, wenn auch Zeiten und Tage für die Jagd gesetzlich beschränkt worden sind.
Was nun die Vögel betrifft, so haben einige Vogelarten die ihnen drohende Gefahr erkannt und flüchten im Herbst beim ersten Schuss in die nahe Stadt, wo sie sich im Kurpark einfinden. Sie sind schlau und wissen, wo sie vor den Jägern in Sicherheit sind.
Vor uns spricht man nicht von der Vogeljagd. Und der Baumeister zeigt uns auch nicht seine kleinen Käfige, in denen er die Lockvögel hält, wie er es bei anderen Besuchern voller Stolz tut. Ich aber hoffe, dass alle diese vielen Lockvögel, die in winzigen Käfigen ihr Leben fristen müssen, eines Tages doch durch ein Gesetz endlich frei werden!
Unser Dschungel artet zur Jagdzeit zu einer regelrechten Vogelfalle aus, denn die Jäger bauen sich dort kleine Hütten aus Zweigen, mit СКАЧАТЬ