Die Olive und wir. Hugo Portisch
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Название: Die Olive und wir

Автор: Hugo Portisch

Издательство: Bookwire

Жанр: Изобразительное искусство, фотография

Серия:

isbn: 9783711053053

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СКАЧАТЬ Häuser hier haben. Ich sah die vielfältigen Dachkonstruktionen, die im Laufe von Jahrzehnten, ja wahrscheinlich Jahrhunderten, entstanden waren. Ich sah vor allem die Einmaligkeit der Lage, denn von der Terrasse vor dem Haus sah man hinüber auf sanfte toskanische Hügel und dahinter die Pisaner Berge.

      Das Haus lag in einem großen Olivenhain, der zu dieser Jahreszeit – es war November – silbrig glänzte. Ich sah die Pracht der beiden Zitronenbäume, die auf der Terrassenseite des Hauses als Spalier an der Wand standen, aber sie gefielen auch meinem Mann und allen, die je unser Haus gesehen haben.

      Die Scheune ließ mich in Entzückungsrufe ausbrechen, denn im Geiste sah ich schon daraus ein schönes Nebenhaus werden. Im Haus selbst sah ich die großen Bottiche, in denen einst Wein gekeltert wurde, und das herrliche Mauerwerk aus uraltem Stein. Das war die Cantina, der Weinkeller, denn in der Toskana waren die Keller immer ein Teil des Wohnhauses und ebenerdig.

      „Was sollte man denn aus der Cantina machen?“, fragte mein Mann zweifelnd, und ich antwortete, ohne nachzudenken: „Das wird unser Wohnzimmer.“

      Dabei hatten wir das Haus bis zu diesem Zeitpunkt noch nie gesehen und wussten auch nicht, ob es überhaupt zum Verkauf stand. Für meinen Mann waren die Geister dieses Hauses abweisend, während sie für mich einladend waren. Das ist ein gutes Haus, dachte ich, hier kann man leben. Der zerfallene Kamin in der Wohnküche schüchterte mich nicht ein, noch störten mich die Mäusespuren, im Gegenteil, die fand ich eher lustig – schließlich waren wir ja auf dem Land! Natürlich müsste man den Kamin wegreißen, denn der war wirklich nicht mehr zu verwenden. Aber das war kein Grund zum Verzweifeln! Ich sah die herrlichen alten Ziegelböden, die fast durchwegs noch zu gebrauchen waren, und bei mir lagen da schon Woll- und Flickenteppiche darauf, die dem Haus etwas mehr Freundlichkeit geben würden. Als wir in den ersten Stock stiegen, konnte auch mein Mann nicht umhin, sich an der herrlichen Aussicht zu begeistern. Von hier sah man hinaus in die Ebene durch ein stilles Tal mit Zypressen, Pinien und Olivenhainen. Herrschaftliche Villen standen da unten, und über allem lag ein zarter Herbstnebel, der alles verzauberte.

      „Das Wespennest bringt Glück“, sagte ich.

      „Du bist nicht objektiv“, sagte mein Mann. „Das Haus ist eine Ruine!“

      „Aber schau doch, wie schön diese alten Balken an den Decken sind! Und die Steintreppen! Hast du je etwas so Schönes gesehen?“

      Also, wir waren keineswegs einer Meinung.

      Eine dritte Meinung hatte später der Baumeister, als er das Haus zum ersten Mal sah, denn er sagte trocken: „Am besten, wir reißen es ab, da kann ich Ihnen um weniger Geld ein neues bauen, das nach etwas aussieht.“

      Als wir das Haus gekauft hatten, berieten wir mit einem Wiener Architekten, ob er uns beim Umbau helfen könnte. Für mich war ein Architekt, mit dem ich mich auf Deutsch verständigen konnte, unbedingt notwendig, denn ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich mit einem italienischen Baumeister mit meinen damaligen Kenntnissen der Sprache auskommen sollte. Zudem ist hinzuzufügen, dass mein Mann, als das Haus gekauft war, zu mir sagte: „Nun, das ist dein Baby. Ich kann die nächsten Monate nicht hier verbringen und den Bau beaufsichtigen. Ich schlage vor, du nimmst gleich Italienisch-Stunden, und sobald du dich halbwegs verständigen kannst, suchst du einen Baumeister, und dann können wir anfangen, umzubauen.“

      Allein sollte ich das also machen? Es schien mir plötzlich nicht mehr ganz so lustig wie früher, als ich so gedrängt hatte, das Haus zu kaufen.

      In der Nacht schlief ich sehr schlecht. Immer wieder träumte ich, dass ich vor vielen Menschen eine Rede in Italienisch halten musste und dass ich kein einziges Wort herausbrachte.

      Bei meinem Mann war das anders, der hatte in der Nacht vor dem Hauskauf nicht schlafen können. Jetzt, wo die Sache beschlossen war, war er ganz ruhig. Er verließ sich auf mich. Ich wusste damals nicht, ob ich mit der Sprache wirklich zurechtkommen würde. Es war aber nicht so schlimm, wie ich dachte, denn ich fand einen sehr tüchtigen Lehrer, der mich nicht schonte und mich wie ein Schulkind Grammatik lernen ließ und mit mir Vokabeln paukte. Ich glaube, ich konnte nach den ersten zehn Stunden mehr als heute, wo ich zwar schon alles verstehe und ziemlich fließend spreche, aber noch immer arge Grammatikfehler mache, die mir mein Lehrer nie hätte durchgehen lassen.

      Im Januar hatte der Architekt Zeit, in die Toskana zu fahren, und so war ich gezwungen, mit meinen damaligen mageren Kenntnissen auszukommen. Ich wohnte im Hotel Centrale am Hauptplatz der nahen Stadt und begann gleich an Kellnern und Dienstpersonal mein Italienisch auszuprobieren, mit dem Resultat, dass mir alle helfen wollten, indem sie ihre paar Brocken Englisch oder Deutsch präsentierten. Ich bat sie, mir stattdessen zu helfen, wenn ich etwas falsch sagte, aber dazu waren sie zu taktvoll. Nun, so ging es nicht.

      Der Architekt kam mit zwei Mitarbeitern an einem nebligen Januartag. Ich wartete gespannt, was er zu dem Haus sagen würde, denn davon hing ja seine Bereitschaft ab, es umzubauen. Wir fuhren über die schlechte kleine Straße durch die Olivenhaine, und da merkte ich schon, dass sich die Stimmung im Auto merklich besserte. Ein Olivenhain ist für das mitteleuropäische Auge eine ganz besondere Sache. Er erzeugt Farben und Stimmungen, wie wir sie in unseren Gärten und Wäldern nicht kennen. Es ist etwas Geheimnisvolles daran, das niemand versteht, der es noch nicht gesehen hat. Ich nehme an, es ist das unglaubliche Alter der Bäume – manche sind über 200 Jahre alt – und ihre seltsam bizarren Stämme, die bei jedem Wetter anders aussehen. Im Winter sind sie am schönsten, wenn der Nebel in ihnen wie ein Schleier hängt.

      Als wir beim Haus ankamen, zwang ich mich, nicht gleich Fragen zu stellen, und ließ es erst einmal langsam von den geübten Augen dreier Fachleute bestaunen. Niemand sagte etwas. Ich öffnete nach einem Rundgang um die äußeren Mauern des Hauses die Tür und ließ die drei ein. Ich führte sie schweigend herum, und sie machten es sehr spannend, indem auch sie schwiegen.

      Als wir wieder unten in der Cantina angekommen waren, sagte der Architekt nur: „Das machen wir.“

      Seine Mitarbeiterin sagte: „Es ist prachtvoll.“ Der zweite Mitarbeiter aber meinte, so etwas habe er noch nie gesehen, was eigentlich offen ließ, ob es ihm gefiel oder nicht.

      Es wurde nicht viel Zeit versäumt. Die drei machten sich sofort an die Arbeit, zückten ihre Maßstäbe und Notizblöcke und begannen alles auszumessen. Ich geleitete mal den einen, mal den anderen hierhin und dorthin, aber es war mir nicht klar, was da vor sich ging. Jeder Winkel, und da gab es sehr viele und kaum einer war ein rechter Winkel, wurde vermessen. Erst bei Einbruch der Dunkelheit wurde aufgehört. Noch nie hatte ich eine derart komplizierte Arbeitsleistung gesehen, und noch nie eine, die so schweigsam und so vollständig koordiniert vor sich ging. Ich wollte den Architekten verschiedene Dinge fragen, aber er meinte, man könne nichts besprechen, bevor nicht alles ausgemessen wäre.

      Die vielen Pläne, die daraus entstanden, waren ein solches Meisterwerk an Präzision, dass später ein ganzes Konvolut davon von der noch offenen Baustelle entwendet wurde. Wir suchen seither immer das Haus in der Gegend, das genau nach unseren Plänen nachgebaut worden ist. Wozu sonst konnte jemand diese Pläne brauchen?

      Unser Haus war ganz augenscheinlich in drei verschiedenen Bauperioden entstanden und hatte deshalb auch vier verschiedene Dächer, wenn man die Scheune dazuzählt, die erst später errichtet worden war. Dem Architekten gefiel das Haus außerordentlich. Es war nicht nur ein ihm wenig bekannter Stil, er spürte auch die Atmosphäre dieses alten Hauses.

      Ich wusste nicht, wie man einen Baumeister finden konnte. Aber es bot sich bald einer von selbst an, der in der Gegend ansässig war. Er wohnte in einem kleinen Straßendorf am Fuß unseres Hügels, und dort hatte man natürlich schon längst davon erfahren, dass irgendwelche Ausländer ein Haus gekauft hatten.

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