Название: Gesammelte Werke
Автор: Ernst Wichert
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9788027237517
isbn:
Die beiden Ritter hatten ihren jungen Freund belobt, und Hans freute sich dieser Anerkennung, denn die Brüder zählten zu den angesehensten Männern des Kulmer Landes. Zu Nikolaus hatte er sich freilich nie hingezogen gefühlt, und der Grund lag nicht nur in der Verschiedenheit des Alters.
Der Ritter hatte wilde Sitten und etwas Unbändiges in seiner ganzen Art. Er liebte es, den fuchsigen Bart lang zu tragen und das Haar über die Stirn fallen zu lassen, sein Blick war stechend, seine Rede rauh. Den Knaben hatte er manchmal bei seinen Besuchen in Buchwalde derb angefahren, daß er sich so zierlich trage und zuviel hinter den Büchern her sei, statt tagsüber auf dem Pferde zu liegen oder den Füchsen aufzupassen, wie er selbst es in der Jugend getan. Aber nun meinte Hans um so mehr zeigen zu müssen, daß er ein Mann geworden.
So war's denn auch fast selbstverständlich gewesen, daß die Gäste hinterher bei einer Kanne Graudenzer Biers ohne Bedenken in seiner Gegenwart von den Bundesangelegenheiten gesprochen und es ihm nahegelegt hatten, sich zum Eintritt zu melden. Es könne dann alles bleiben, wie es gewesen, und die Turmstube auch künftig zum Versammlungsort gewählt werden. Buchwalde liege den meisten Gliedern des Bundes bequem, und es lasse sich nicht überall auf den Höfen ein so festes Mauerwerk zur Bewahrung ihrer Heimlichkeiten finden. Hans erinnerte sich der Mahnungen seines Vaters. Und wenn Plauens Warnung Grund hatte, war es nicht ihm selbst nützlich, einen aufrichtigen Freund im Bunde zu haben? Hans von der Buche lehnte nicht ab, sondern ließ sich von des Bundes Zweck mehr unterrichten. Dabei war denn nach den Reden der beiden Renys wenig Verdächtiges.
Schaut Euch um, sagte Niklas, wer etwas bedeuten will, sieht zu, daß er Genossen findet. Der Orden selbst, ist er nicht nur deshalb ein großer Herr geworden, weil viel kleine Herren unter einem Hut zusammenstehen? Geht in die Städte: da umfaßt eine Mauer vieler Bürger Häuser, und geschieht dem einzelnen ein Überlaß, so läutet bald die Glocke am Rathause und ruft die Bürgerschaft zusammen. Das nicht genug. Die Städte schließen auch untereinander ein Bündnis, daß sie ihres Friedens gesichert seien und ihr Recht wahren. Wir aber auf dem flachen Lande sind am übelsten dran. Wir haben keine festen Schlösser und keine Mauern; unsere Höfe liegen vereinzelt und zerstreut. Die Ordensherren sitzen uns auf dem Nacken, denn überall streifen die Vorwerke der Häuser unsere Äcker und Wiesen; unsere polnischen Untertanen stehen unter Gerichtsbarkeit ihrer Vögte, und was auf öffentlicher Straße geschieht, das wird im Schloß abgeurteilt. Die Bürger in den Städten aber wollen keine Handarbeiter auf unseren Höfen leiden und erheben unablässig ein Geschrei, daß wir ihnen ihre Nahrung verkümmern, wenn wir billig unseren Vorteil bei Kauf und Verkauf wahrnehmen. Da ist's an der Zeit, daß wir selbst die Hände regen und in geschlossener Schar dastehen zur Abwehr. Unsere Vereinigung ist von den früheren Hochmeistern wohlgelitten und soll, so Gott will, sich auch in Zukunft bewähren, nicht nur zu unserem Besten, sondern auch zu des Landes Segen.
Hans ließ sich den Bundesbrief vorlegen und las ihn genau. Da stand aber geschrieben, daß man sich gegenseitig Hilfe leisten wolle »in nothaftigen ehrlichen Sachen«, freilich mit Leib und Gut gegen jedermann, der eins der Mitglieder an Leib, Ehre oder Gut betrübe oder verunrechte, aber mit dem ausdrücklichen Zusatz: »ausgenommen gegen die Landesherrschaft und die nächsten Blutsverwandten von der Schwertseite«. Geboten war die Unterstützung der Mitglieder bei unverschuldeter Verarmung und »ein redlicher Gottesdienst zu Gottes Lobe, des rechten Erbherrn Ehren und zu Nutz und Frommen der Mitglieder«. Das klang alles gar gut und zuverlässig. Darauf will ich mich gern verpflichten, sagte Hans, nennt mir Tag und Stunde, wenn ihr mich in den Bund aufnehmen wollet. Ich hoffe, daß er keine Heimlichkeiten hat, die dem Brief entgegen sind, denn an dessen Worte will ich mich halten, wenn ich mich in eure Genossenschaft schwöre. Das verstehe sich ja von selbst, antwortete Niklas, nur daß man nicht zu ängstlich sein dürfe, sein Recht zu fordern, und sich bei Uneinigkeiten unter den Ordensherren selbst auf die Seite derer stelle, die Rittern und Knechten auf dem Lande den besten Teil gönnten.
Eine Woche später hatten sich dann im Turm des alten Hauses zu Buchwalde zehn oder zwölf von der Gesellschaft der Eidechsen zusammengefunden, den Inhalt der Lade durchgesehen, einige Siegel erneuert und Hans von der Buche in den Bund aufgenommen. Er hatte ihnen mit einem Eide auf Christi Kreuz versprochen, ein treuer Geselle zu sein, wie es der Bundesbrief vorschreibe, und sein Siegel neben das seines Vaters gehängt. Desselben Tages war noch viel über Landessachen gesprochen worden und wie man die Schadensforderungen am besten durchsetze. Als die Gäste in der Halle den Abschiedstrunk nahmen, lösten sich die Zungen mehr. Da fehlte es nicht an derben Flüchen und Verwünschungen des Ordensregiments. Hätten sie den Michael Küchmeister gewählt, meinte Friedrich von Kynthenau, so stände es besser um den Frieden. – Ganz recht, stimmte Hans von Ezippelyn zu, der Erbschulze im Dorf Sczepil war, dem Plauen verzeiht's der König nimmermehr, daß er die Marienburg gegen ihn gehalten hat. Der Ritter von Pfeilsdorf, der auf Bartholmitz saß, wollte sichere Nachricht aus Polen haben, daß während der Gefangenschaft Küchmeisters viel heimlich zwischen ihm und dem König oder seinen obersten Räten verhandelt worden sei, wovon der Hochmeister schwerlich etwas wisse, und Hans von der Damerau auf Dombrowken lachte dazu und äußerte, der Hochmeister könne es wohl noch bereuen, daß er so eilig gewesen sei, ihn zum obersten Marschall zu ernennen. Niklas von Renys aber strich seinen Fuchsbart und sagte: Die Partie steht nicht nur zwischen den beiden, und die Dinge können wohl noch einen Verlauf nehmen, an den vor kurzem noch niemand gedacht habe. Es sei da einer, der seinen Kopf für sich haben wolle, und es werde davon noch manch Wörtchen zu sprechen sein. Des näheren ließ er sich jedoch darüber nicht aus.
Nun fand sich mitunter auch Georg von Wirsberg als Gast in Buchwalde ein. Als er von Königsberg gekommen war, brachte er für Hans von der Buche eine Nachricht mit, die diesen zu großem Dank verpflichtete: sein Freund Heinz lebte! Der Komtur schien an seiner Freude darüber herzlichen Anteil zu nehmen, und so wurde er auch ihm lieb. Von da ab kam er häufiger, mitunter noch spätabends zum Schachspiel oder zu anderer Unterhaltung, besonders in den Zeiten, in denen Natalia sich bei ihrem Bruder aufhielt. Er machte dem Fräulein artig genug den Hof und wußte immer viel Merkenswertes aus aller Herren Ländern zu erzählen, die er bereist hatte. Nahm sie auch in ihrer finsteren Stimmung selten lebhafteren Anteil am Gespräch, so schien sie ihm doch nicht ungern zuzuhören. Es kam auch wohl vor, daß sie unvermutet Fragen stellte, die ihn ein wenig in Verwirrung brachten; zum Beispiel: was er vom geistlichen Leben denke, da sein Sinn so merklich zu weltlichen Dingen stehe? Er gab darauf ausweichende Antwort und meinte, man dürfe die Frucht nicht schütteln, bevor sie reif sei; er hoffe wohl noch einmal seine Ernte zu machen, und die Zeit sei vielleicht nicht so fern, als es denen schiene, die nicht nach der Sonne sehen wollten. Auf der Erde sei alles im Wechsel, und selbst Kaiser und Papst könnten nicht hindern, daß eine Kugel rolle. Was nicht leben könne, müsse sterben, und es sei mit Körperschaften nicht anders als mit einzelnen Menschen. Manches Haus sehe äußerlich noch gar stattlich aus und sei innen doch jeder Balken von Würmern zernagt und jeder Dachsparren angefault; es frage sich nur, wann und von welcher Seite es einen kräftigen Stoß erhalte, daß es über den Haufen stürze. Man müsse sich vorsehen für alle Fälle, und wer jung sei, könne noch etwas erleben.
Hans achtete auf solche unverständliche Reden wenig; Natalia zuckte die Achseln und bemerkte spöttisch: Sagt mir doch, wann es so weit ist, Herr Komtur, daß ich das Schauspiel nicht versäume. Ihr nehmt gern den Mund voll großer Worte und gebt, denke ich, Rätsel auf, zu denen Ihr die Auflösung selbst nicht wißt. Dazu lachte er verschmitzt und sagte: Wartet nur ab, Ihr habt's ja bei Euren Jahren noch nicht so eilig, Fräulein.
Daß auf dem Schlosse zu Rheden etwas Ungewöhnliches vorging, konnte bald keinem Aufmerksamen entgehen. Fast täglich kamen dort Fuhrwerke an, die mit Kisten und Kasten beladen waren. Sie mußten wohl einen kostbaren Inhalt haben, da stets ein Ordensritter mit einigen Knechten sie begleitete und für die Ablieferung an den Komtur Sorge trug. Es war in der Tat das Gold- und Silbergeschirr, das nach des Hochmeisters Befehl aus allen Landesburgen nach Rheden zusammengebracht werden sollte, um dort eingeschmolzen und zur Befriedigung des Königs von Polen oder zu Kriegsrüstungen verwandt zu werden. Auch aus vielen Landkirchen wurden die wertvollen Altargeräte aufs Schloß gebracht, СКАЧАТЬ