Gesammelte Werke. Ernst Wichert
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Gesammelte Werke - Ernst Wichert страница 120

Название: Gesammelte Werke

Автор: Ernst Wichert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788027237517

isbn:

СКАЧАТЬ einigen Stunden hinaustrat, um sich durch Laufen zu erwärmen, schwamm das schmale, langgestreckte Floß mitten auf dem breiten, noch immer hoch angeschwollenen Strom. Die Dszimken hatten auf der vordersten Tafel einen kleinen Mast aufgerichtet und daran ein altes geflicktes Segel befestigt. Mit ihren Stangen suchten sie die Hölzer von den Untiefen fernzuhalten, die sich durch eine hellere Färbung des Wassers kenntlich machten.

      Fern, ganz fern tauchte ein viereckiger Gegenstand über die Wellenlinie der Uferhöhe hinaus. Was ist das? fragte der Junker.

      Ei, kennen Ew. Gnaden den Turm von Schloß Sczanowo nicht mehr? antwortete Moses Achacz.

      Heinz blickte unverwandt darauf zurück, bis er in nebeliger Ferne verschwunden war. Dann nahm er den Ring aus dem Kästchen, steckte ihn an den Finger, wandte das Gesicht nach Norden und sagte leise: Maria!

      31. DIE HENKERSMAHLZEIT

       Inhaltsverzeichnis

      In Danzig hatten beide Teile mit allem Eifer gerüstet. Auch fehlte es nicht an mancherlei Feindseligkeiten auf dem Plane zwischen den städtischen Befestigungen und dem Schlosse, auf den Landstraßen vor den Toren und auf der Eisdecke des Flusses. Freilich konnte man einander in dieser Winterszeit nicht viel anhaben, aber die Gemüter erbitterten sich mehr und mehr.

      Ein Angriff des Komturs auf die Stadtmauern wäre dem Rat sehr nach Wunsch gewesen. Man hätte dann die städtische Mannschaft in Tätigkeit gesetzt, die sich zwar leicht bewaffnen, aber schwer längere Zeit unter Waffen halten ließ. Die Handwerksmeister hatten den Harnisch angelegt und waren zum Kampf bereit; aber der wochenlange Nachtdienst ermüdete sie. Der Komtur andererseits hätte in seinem Zornmut wohl losgeschlagen, aber das Kapitel riet zu bedachtem Vorgehen und wollte dem Herrn Hochmeister die mißliche Exekution überlassen.

      Gar sehr änderte sich die Stimmung in der Stadt, als unerwartet früh im März die warmen Tage kamen und bald darauf der Eisgang eintrat. Das ganze Jahr lang hatte der Handel gestockt. Die Speicher lagen voll Getreide, die Flachsbrake war gefüllt, die Holzgärten hatten große Vorräte geschnittener Hölzer aufgespeichert. Danziger Schiffe ruhten an der Lastadie abgetakelt aus, Bordinge und Weichselkähne warteten auf Ladung. Und nun war der Fluß frei, englische Schiffe konnten in nächster Zeit eintreffen, Flöße und Wittinnen von Polen. Alle Hände rührten sich plötzlich, jeder wollte vorbereitet sein, aus der Gunst der Witterung seinen Vorteil zu ziehen. Die Stadt gewann ein ganz anderes Aussehen.

      Da zeigte sich's nun gar bald, wie stark der Einfluß dieser neuerwachten Handelstätigkeit auf das politische Treiben einer Stadt war, in welcher der Kaufmann allein das Regiment führte. Auch die Ratsherren und Schöppen hatten jetzt in ihren Kontoren zu tun; es galt, die Warenbestände zu prüfen, Schiffe auszurüsten, Briefe zu schreiben, Boten auszusenden, selbst eine Reise nach den auswärtigen Faktoreien vorzubereiten oder die ältesten und zuverlässigsten Kaufgesellen mit Vollmacht zu versehen. Wer Güter vor der Stadt besaß, hatte den Pferdebestand zu ergänzen, Vieh anzuschaffen, für die Bestellung der Äcker zur Sommersaat zu sorgen. So meinte jeder mit den eigenen Dingen den Kopf übervoll zu haben und die städtischen Angelegenheiten, mit denen man sich notgedrungen solange unausgesetzt beschäftigt, zurückstellen zu können. Es hielt schwer, den Großen Rat vollzählig zusammenzubringen, und auch im Artushof blieben an manchem Abend die Bänke leer. Man fing an, es als einen sehr lästigen Druck zu empfinden, daß die feindselige Haltung dem Schlosse gegenüber vielfach die freie Bewegung hemmte, bevor noch die Schiffahrt förmlich eröffnet war.

      Ob nun der Komtur durch seine Spione von diesen Dingen Kenntnis erhalten hatte, ob er sie als selbstverständlich voraussetzte, jedenfalls spielte er jetzt einen Trumpf aus, mit dem er die Partie hoffte gewinnen zu können: er hatte eine neue, sehr schwere Kette schmieden lassen und legte sie nun quer über die Mottlau gegen die Rechte Stadt Danzig hin, so daß kein Schiff ein und aus konnte. Barthel Groß hatte dieses Zwangsmittel nicht ohne Grund befürchtet. Zugleich wurde der Eckturm des Schlosses, der gegen den Fluß vortrat, mit Geschützen armiert. Als ob er sie proben wollte, ließ der Komtur mit mächtigem Dröhnen einige Steinkugeln auf das andere Ufer hinüberfliegen. Sie reichten weit genug, um jeden Angriff auf den Mauerpfeiler, der drüben die Kette an starken Haken hielt, zu vereiteln.

      Diese Maßregel verbreitete Schrecken in der Stadt. Welche neuen Verluste, wenn es dem Komtur gelang, im Frühjahr den ganzen Handel lahm zu legen! Und gerade jetzt liefen zuverlässige Nachrichten ein, daß der Hochmeister mit der Verlegung des Stapels nach Elbing Ernst mache. Bei Dirschau brauchte er nur ein paar Schiffe mit bewaffneter Mannschaft in den Strom zu legen, um alle polnischen Fahrzeuge zu nötigen, ihren Weg durch die Nogat auf das Frische Haff und Elbing zu nehmen. Das waren empfindliche Schläge.

      Urplötzlich war die Stimmung in der Stadt die allerdüsterste geworden. Die Kaufleute gingen mit gesenktem Kopfe umher, die Bordingführer murrten laut, die Schiffskinder, die endlich Arbeit und Verdienst erwartet hatten, rotteten sich auf der Lastadie, auf dem Bollwerk und auf der Speicherinsel zusammen. Nun klagten auch die Krämer, daß sie ihre Keller und Windlagen nicht gehörig würden versorgen können, die Handwerker, daß aller Verkehr gerade in der günstigsten Zeit aufhören müsse, die Sackträger, daß es für sie nichts zu tun geben werde und daß sie nicht vom Winde leben könnten. So übertrieben vielleicht alle diese Befürchtungen waren, so wirkten sie doch verstimmend auf die Gemüter, und da eben jeder beteiligt zu sein glaubte, war zuletzt niemand, der ermutigend eingriff.

      Dieselben Leute, die noch vor wenigen Wochen lieber Arm und Bein daran gewagt, als gutwillig einige Skoter für den Orden geopfert hätten, fingen nun an, über die Hartnäckigkeit des Rats zu murren und den Bürgermeistern Vorwürfe zu machen, die doch von ihnen als Verräter verschrien worden wären, wenn sie in den Schoß gewilligt hätten. Nun erschien die Abgabe, die der Hochmeister gefordert hatte, sehr gering gegen die Verluste, die man durch die Verweigerung gewärtigen mußte. Man fand, daß es doch hart gewesen sei, ihm seine Bitte rundweg abzuschlagen. Die Hoffnung, daß der König von Polen helfen werde, verblaßte mehr und mehr. Ein Angriff auf das Schloß, um das Hemmnis gewaltsam zu beseitigen, schien Torheit. Immer ungescheuter wurden solche Reden auf Märkten und Straßen laut. Man drang in die Kaufherren, auch in der Ratsstube die Meinung zu vertreten, daß für einen Ausgleich gesorgt werden müsse, da man doch die Stadt dieser Händel wegen nicht zugrunde richten könne.

      Arnold Hecht, der vorher am heftigsten gegen den Orden das Wort geführt hatte, wurde nun am ehesten kleinlaut.

      Ihm selbst standen große Verluste bevor, wenn seine Handelsunternehmungen nicht in Gang kamen, und er war Verbindlichkeiten eingegangen, die sich kaum noch lösen ließen, ohne sein Kontor in schlechten Ruf zu bringen. Nun nahm er, um seinen Rückzug vorzubereiten und zu decken, den Mund voll zu Angriffen, die ein Ansehen hatten. Hab' ich's nicht stets gesagt, ließ er jeden hören, der die Ohren auftun wollte, daß die Sache falsch angegriffen ist? Hat sie nicht ein so jämmerliches Ende nehmen müssen? Wir haben den ganzen langen Winter Zeit gehabt, konnten mit unsern müßigen Leuten etwas Herzhaftes gegen das Schloß unternehmen, konnten den König ermutigen, zu unsern Gunsten ein Machtwort zu sprechen. Statt dessen werden Briefe geschrieben hin und her, Sendboten an den Hochmeister geschickt, der im Lande herumreist, alle Hände voll zu tun hat, den Schoß zusammenzubringen und uns rückhaltige Antworten gibt. Ihm freilich war's genehm, die Sache bis zum Frühjahre hinzuziehen. Was meinte man denn auszurichten, wenn das Schloß nicht gebrochen würde? Und es gab eine Zeit, da wär's uns mit leichter Mühe gelungen, die Füchse aus ihren Löchern zu ziehen und den ganzen Fuchsbau zu zerstören. Warum haben wir unser Tor vermauert? Warum haben wir unsere Werke aufgeführt gegen das Schloß? Um ruhig zuzusehen, wie der gnädige Herr Komtur die Kette schmieden ließ, uns den Fluß zu sperren – aha! Nun ist's freilich zu spät, mit Gewalt etwas auszurichten: die Kreuzherren sind wohlgerüstet, und unsere Bürger mögen nicht länger im Harnisch gehen, um Kinder zu schrecken. СКАЧАТЬ