Else Ury: Die beliebtesten Kinderbücher, Romane, Erzählungen & Märchen (110 Titel in einem Band). Else Ury
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Читать онлайн книгу Else Ury: Die beliebtesten Kinderbücher, Romane, Erzählungen & Märchen (110 Titel in einem Band) - Else Ury страница 260

СКАЧАТЬ Aber heute versagte der Humor.

      »Sollen wir angeln helfen, Fräulein Annemarie?« Eine lustige Männerstimme erklang hinter der Erstarrten. Alles Blut sagte sie ihr zum Herzen. Rudolf Hartenstein, den photographischen Apparat in der Hand, mit dem er Stadtaufnahmen gemacht, stand hinter ihr, daneben Anneliese Bergholz. Sie lachte Tränen über das malerische Stilleben im Neptunsbrünnle.

      Das überlebte Annemarie nicht. Ohne zu überlegen, tat sie das, was sie gleich hatte tun wollen – heidi – fort war sie!

      »Aber Fräulein Annemarie, Sie tun ja grad’, als ob Ihnen alle Felle davongeschwommen wären. Es sind doch halt nur Fische!« Vergeblich versuchte Rudolf die Flinke einzuholen. »Geben’s mir doch wenigstens eine Hand – – –«

      Was – die klebrigen Eierpfoten? Das fehlte gerade noch. Annemarie beschleunigte das Tempo. Eiligst in eins der alten Giebelhäuser hinein, die Stiegen hinauf, nun kam sie in der oberen Gasse wieder Im Erdgeschoß heraus. Sie kannte sich hier schon gut aus. So – ein tiefer Atemzug – sie war ihrem Verfolger entgangen.

      Was würde Frau Veronika nur sagen? Ohne Korb, ohne Ware und ohne Kinder kam sie zurück. Letztere sammelten noch immer Stachelbeeren auf dem Marktplatz ein.

      Scheu schlich sie sich an der Küche vorbei. Oben angelangt, nahm sie erst die Reinigung ihres äußeren Menschen vor. Gut, daß Marlene und Ilse sie nicht in diesem Aufzug erblickten, daß die im Kolleg waren. Das gäbe sonst sicher Anlaß zu endlosen Neckereien.

      Eigentlich hatte sie sich doch mächtig dämlich benommen, daß sie auf und davon gelaufen war. Wie meistens kam Nesthäkchen erst hinterher zu dieser Einsicht. Gute Miene zum bösen Spiel machen und retten, was noch zu retten war. Das wäre viel schlauer gewesen. Wenn sie es sich jetzt nachträglich klar machte, so war es weniger das Erscheinen von Rudolf Hartenstein, als das Lachen seiner Cousine, das sie in die Flucht gejagt. Von der wollte sie sich nicht auslachen lassen. Nein, von der nicht! Und da benahm sie sich wie ein dummes Gör und gab durch ihr Davonlaufen erst recht Grund zum Lachen. Nesthäkchen ballte die Hände. Krebsrot wurde es vor Ärger.

      »Fräulein Annemarie – Fräulein Annemarie!« Vom Gärtchen her erklang Dr. Hartensteins Stimme.

      Sollte sie sich taub stellen?

      »Kommen’s nur, Fräulein Annemarie, wir haben halt alles wieder beieinand’«, schallte es von neuem herauf.

      Nesthäkchen schielte durch die Gardine. Er war allein, ohne die Cousine. In der Hand schwang er ein Netz mit Fischen. Vronli und Kaschperle mit Korb und Tüten, durchaus nicht schuldbewußt, sondern ganz fidel an seiner Seite.

      Wie der Wind war Annemarie unten.

      »Herr Doktor, was haben Sie bloß von mir gedacht – – –«

      »Daß es leichter ist, Medizin zu studieren, als auf dem Wochenmarkt Einkäufe zu machen«, lachte Rudolf. »So – da wären die Fischle, kragt’s alles dem Mutterli in die Küche, Kinderle. Und ein andermal seid’s braver. Und Sie, Fräulein Annemarie, müssen’s halt jetzt auch brav sein, und zum Dank, daß ich so fleißig für Sie geangelt hab’, den versprochenen Spaziergang mit mir machen.«

      »Gehen Sie denn nicht mit Ihrer Cousine Anneliese?« Halb freudig, halb zaghaft klang’s.

      »Nein, ich geh’ halt mit der Annemarie«, lachte der junge Arzt.

      Was dachte Doktors Nesthäkchen jetzt noch an Fische, Schmarren und Stachelbeeren und an die hungrigen Freundinnen! Es schritt an Rudolf Hartensteins Seite über rebduftende Höhen bei Grillengezirpe und Sonnengeflirr weit hinaus ins Neckartal.

      Und hätte sich die gute Frau Veronika nicht erbarmt, dann hätte man im Dreimäderlhaus heute hungrig zu Bette gehen müssen.

      9. Kapitel

       Lustige Schwabenstreiche

       Inhaltsverzeichnis

      Der Schwäbische Wanderbund war wieder mal auf der »Walze«. So nannten die Schwaben ihre Sonntagsausflüge. Diesmal galt es eine mehrtägige Wanderfahrt, die gleichzeitig Semesterschluß und Universitätsferien würdig einzuleiten hatte.

      Ein wenig verändert hatte sich der Schwäbische Wanderbund. Egerling, Ziegenhals und Steinbock fehlten. Ersterer war nach gewissenhafter Absolvierung des letzten Kollegs und nach noch gewissenhafterer der Semesterschlußkneipe heim ins Dorf gezogen, um bei der Erntearbeit zu helfen. Ziegenhals und Steinbock hatten die Aufforderung, auf dem Bauernhof seiner Eltern die Ferien zu verleben und dafür bei der Ernte ebenfalls mit Hand anzulegen, gern angenommen. »Tummele dich nur fleißig, Ziegenhals, sonst kommt unsere ›kürzeste Frist‹ ebenso breit wie lang zurück«, hatte man die Gefährtin von allen Seiten gefoppt.

      Auch die anderen waren nach Dorf Mutlangen vom Dorfschulzen freundlichst eingeladen worden, der ganze Schwäbische Wanderbund. Aber der hatte andere Pläne. Eine Wanderung ins Donautal hinab bis nach Ulm. Dort wollte Annemarie Braun die Eltern treffen, um dann gemeinsam mit ihnen einige Wochen in der unweit gelegenen Sommerfrische Blaubeuren zu verbringen. Marlene und Ilse dagegen sollten sich von Ulm aus in den Schwarzwald schlagen, wo Ulrichs Erholung suchten.

      Für die drei fehlenden Mitglieder hatte der Schwäbische Wanderbund Ersatz bekommen. Da war zuerst Bruder Hans, der eines Tages mit Lodenjoppe und Rucksack seinen Einzug in Tübingens alte Giebelstraßen hielt, um selbst mal nachzuschauen, ob Nesthäkchen auch nicht zu viel Unfug dort trieb. Drei weißgekleidete Ehrenjungfrauen, blumengeschmückt, hatten sich zu seinem Empfang an der Bahn eingefunden.

      Freudigst war er von der fidelen Gesellschaft begrüßt worden. Weniger freudig betrachtete man die Beteiligung von Dr. Rudolf Hartenstein und seiner Schwester, wenigstens von seiten Krabbes und Neumanns. Aber da diese richtig mutmaßten, daß die drei Grazien in Gesellschaft des Referendars und der Geschwister Hartenstein, falls sie beide dagegen stimmten, die Wanderung einfach ohne sie machen würden, ergaben sie sich darein.

      So sah die unternehmungslustige Gesellschaft aus, die an einem besonders sonnengoldenen Augustmorgen aus Tübingens Mauern seelenvergnügt herauszog. Vronli und Kaschperle gaben ihnen das Geleit bis zum Bahnhof und sahen neidvoll dem pfeifenden Zügle nach, welches das Tanteli entführte.

      »Wohin geht’s zuerst, Herr Reisemarschall?« erkundigte sich Hans Braun bei Hartenstein, mit dem er trotz der Kürze ihrer Bekanntschaft schon warm sympathisierte.

      »Nach Reutlingen. Das alte Städtchen mit seinen grauen Stadtmauern und Wehrgängen, den mittelalterlichen Toren und Türmen, den Brünnle und Gäßle, bietet ebensoviel künstlerisches wie historisches Interesse. Gar so lieb ist’s halt. Ich stell’ es Rothenburg ob der Tauber noch voran. In Reutlingen ist noch alles ursprünglich und unberührt wie vor fünfhundert Jahren. Nix ist auf den Fremdenverkehr zugeschnitten. Es lohnt sich, dort einen Tag zu verbringen.«

      Das schmale Gesicht Rudolfs belebte sich beim Sprechen merkwürdig. Jede Empfindung kam darin zum Ausdruck. Nesthäkchen saß ihm gegenüber und machte Studien.

      »I kann halt nix Besonderes nit in Reutlinge finde«, meinte Krabbe, nur um zu widersprechen. Er fühlte sich durch Dr. Hartenstein, dem er ohnedies noch vom Rosenfest her nicht so recht grün war, in seinen Führerrechten gekränkt. Bisher war er es stets gewesen, der die Sonntagsfahrten zusammengestellt hatte.

      »Reutlinge – Pfullinge – da ischt СКАЧАТЬ