Else Ury: Die beliebtesten Kinderbücher, Romane, Erzählungen & Märchen (110 Titel in einem Band). Else Ury
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СКАЧАТЬ so toll geschnitten – au – au – es tut ja so weh!«

      »Siehst du, Lotte, das ist die Strafe dafür, daß du die Schere angefaßt und dich mit Willen geschnitten hast; nun mußt du die Schmerzen ertragen«, sagte Vater ernst. Aber er nahm sein weinendes Nesthäkchen doch mit in das Sprechzimmer und machte ihr einen Verband, der war noch viel schöner als Gerdas.

      Ach, wie stolz war Annemie darauf, nun tat es lange nicht mehr so weh.

      Am nächsten Tage durfte Puppe Gerda ihren Verband abnehmen und war wieder ganz gesund, während ihre kleine Mama noch mehrere Tage mit verbundenem Händchen gehen mußte.

      Den Keuchhusten aber bekamen sie alle beide nicht.

      8. Kapitel

       Dudel-Dudel-Leierkasten

       Inhaltsverzeichnis

      Klein-Annemarie saß mit ihren sämtlichen Kindern in ihrem Gärtchen draußen auf dem Blumenbrett. Davor waren Eisenstäbe angebracht, daß sie nicht herausfallen konnte.

      Wunderschöne Blumen hatte Annemie in ihrem Gärtchen gesät: Winde, Bohnen und Kresse. Leider merkte man aber vorläufig noch gar nichts davon. Nicht das kleinste grüne Spitzchen wollte sich in den Zigarrenkisten mit brauner Erde zeigen. Das kam daher, weil Annemie jeden Tag die gesäten Bohnen wieder ausgrub, um nachzusehen, ob sie denn noch immer nicht anfangen wollten, grüne Blättchen zu treiben.

      Den Puppen gefiel es aber trotzdem in ihrem Gärtchen. Die Sonne schien so hell und warm, daß Irenchens blasse Wangen sich leise zu röten begannen. Und Mätzchen, der ebenfalls seine Sommerwohnung auf dem Blumenbrett bezogen hatte, schmetterte und jubilierte so lustig, daß selbst die schwarzgrauen Spatzen, die sich auf dem Dach herumzankten, andächtig lauschten.

      Ach, was gab es hier draußen nicht alles zu sehen, Puppe Gerda reckte sich fast den Hals aus. Und ihre kleine neugierige Mama tat dasselbe.

      Drüben bei Müllers plättete die Auguste am offenen Fenster, und eine Treppe tiefer, bei Geheimrats, rührte die dicke Köchin eine Speise ein und sang dazu – beinahe so schön wie Mätzchen. Gegenüber aber, im Kinderzimmer, preßte Annemies Freund, der kleine Rolf, der erst kürzlich krank gewesen und noch blasser ausschaute, als Irenchen, sehnsüchtig das Näschen gegen die Fensterscheibe. Der arme kleine Kerl durfte noch immer nicht ausgehen. Wie gern hätte er wenigstens bei Annemie und ihren Puppen auf dem Blumenbrett gesessen!

      Annemie nickte ihrem kleinen Freunde einen Gruß zu, und sämtliche Puppen nickten ebenfalls. Dann aber hatten sie alle noch etwas viel Schöneres zu sehen.

      Der Portier drunten im Hof drehte heute zum erstenmal in diesem Sommer den kleinen Springbrunnen wieder auf, der mitten in dem runden Rasenplatz, mit dem der Hof geschmückt war, stand. Ein kleiner, steinerner Nackedei spritzte aus seinem Munde lustig das Wasser heraus. Annemie glaubte, er spüle den Mund, und sämtliche Puppen dachten dasselbe. Ja, Gerda wunderte sich, warum der Steinjunge sich denn mitten auf dem Hof die Zähne putzte! Und ein Hemdchen oder Nachtröckchen hatte er auch nicht mal an, das war doch nicht anständig!

      Um den Springbrunnen hatten sich sämtliche Portierkinder versammelt, auch noch ein paar kleine Freunde aus der Nachbarschaft hatten sich dazu gesellt. Denn das war ein Ereignis, wenn der Springbrunnen zum erstenmal wieder ging. Annemie sah von ihrem luftigen Sitz voll Andacht auf den Portier, der dieses Wunder vollbracht. Jetzt stand es bei ihr bombenfest, wenn sie mal groß war, wollte sie aber ganz bestimmt Portier werden.

      Es war gut, daß das Blumenbrett Gitterstäbe hatte, sonst wäre Annemie schon längst auf den Hof geplumpst. Die kleine Neugierige kniete auf dem Blumenbrett, um besser sehen zu können, und streckte das Stubsnäschen durch die Eisenstäbe. Auch alle Puppen hatte sie an dem Gitter aufgestellt, denn da unten war es jetzt einfach herrlich.

      Karle, der krummbeinige Portierjunge, ließ ein Papierschiff in dem Springbrunnensee schwimmen. Paule, sein Bruder, peitschte den Kreisel, daß er von einer Ecke des Hofes in die andere hopste. Amanda lief auf Rollschuhen einher, daß es sich wie ein Schnellzug anhörte. Und die übrigen Kinder umstanden die schwarze Grete, die geschwätzige Elster, die in einem Käfig an der Portierloge wohnte und so stolz tat, als ob sie selbst der Pförtner sei. Sobald einer das Haus betrat, rief sie mit krächzender Stimme höflich: »Wohin wünschen Sie, mein Herr?«, und gleich darauf weniger höflich: »Halt’ den Dieb – halt’ den Dieb!«

      Ach, wer doch auch da unten sein dürfte! Mutti erlaubte es nicht, daß ihr Nesthäkchen auf dem Hof spielte, und das fand es dort doch tausendmal lustiger als im Tiergarten.

      Plötzlich wurde die kleine Gesellschaft drunten noch lebhafter als zuvor. Das Interesse für die schwarze Grete war mit einemmal verflogen, all die blauen, grauen und braunen Kinderaugen wandten sich mit seligem Aufleuchten einem ziemlich zerlumpten, alten Manne zu, der den Hof betrat. Auf dem Rücken trug er einen großen Kasten, und in der Hand ein hölzernes Gestell.

      »Der Leiermann – der Leiermann ist da!« klang es jubelnd vom Hof herauf.

      Auch Annemie klatschte vor Freude in die Hände, und sämtliche Köchinnen machten ihre Küchenfenster auf und guckten heraus.

      Der Leiermann stellte sein Gestell auf, setzte den Kasten darauf, drehte die Kurbel »Dudel-Dudel-Leierkasten« – und da begann das Konzert auch schon.

      Erst ein lustiger Walzer, die Kinder drunten im Hof umschlangen sich paarweise und begannen zu tanzen. Geheimrats dicke Köchin wiegte sich bei ihrer Speise in den Hüften, die Auguste ließ ihr Plätteisen über die Wäsche tanzen, der blasse Rolf trommelte dazu an die Fensterscheibe, und selbst die schwarze Grete schlug zierlich mit den Flügeln den Takt. Annemie aber drehte ihre Puppen nach der schönen Musik und dachte voll Inbrunst: »Ach, wenn ich doch nicht die Annemie Braun, sondern ein Portierkind wäre, und da unten mittanzen könnte!«

      Als der Leiermann geendet, flogen aus vielen Fenstern in Papier gewickelte Geldstücke herunter, die er dankend aufsammelte, wobei ihm die Kinder halfen.

      Auch Annemie lief zu Mutti, die mit Fräulein die Wintersachen gegen Motten verwahrte. Da roch es ganz abscheulich nach Kampfer und Pfeffer und krabbelte in dem Näschen.

      »Hatschi – hatschi,« nieste die Kleine, »Mutti, ach, bitte, schenke mir doch einen Sechser für den Leiermann unten – hatschi – hatschi.«

      Mutti lachte über ihr niesendes Töchterchen und gab Nesthäkchen das gewünschte Geldstück.

      Eifrig lief die Kleine damit zu ihrem Gärtchen zurück. Sie wickelte das Geld in Zeitungspapier und – hast du nicht gesehen – da sauste es durch die Luft, dem kleinen steinernen Nackedei im Springbrunnen gerade an den Kopf. Hops, ging die Reise weiter in den Springbrunnen hinein, daß das Wasser aufspritzte.

      »Mein Geld, mein Geld ist ertrunken!« schrie Annemie herab zu den dudelnden Polkaklängen.

      Der krummbeinige Portierkarle hörte mit tanzen auf, fischte das Geld aus dem flachen See und legte es auf den Leierkasten.

      »Schönen Dank auch, kleines Fräulein!« rief der Leiermann herauf und nahm sogar seinen verbeulten Hut ab. Dann spielte er einen feinen Galopp.

      Hoppla – wie die Böcklein sprangen die Jören unten auf dem Hof durcheinander – hoppla – noch viel ausgelassener hopsten oben die Puppenjören.

      Gerda СКАЧАТЬ