Michael Unger . Ricarda Huch
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Название: Michael Unger

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066388799

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СКАЧАТЬ hast du jetzt deine Ansicht geändert?«

      »Er hat dich weit von uns weggeführt«, sagte Verena, und sah ihm mit dunklem Blick ins Auge, »und ich fürchte anderswohin, als wo deine Frau dich gerne sehen könnte.«

      Michael wußte, daß das einmal zur Sprache kommen mußte, und obwohl er sichtlich erblaßte, blieb er in unveränderter Stellung auf seinem Platze sitzen und sagte: »Ich habe Rose wiedergesehen und liebe sie so wie damals. Das ist ein Unglück für uns beide, aber kein schlimmeres, als sehr viele Menschen trifft, und wir sind eher in der Lage, es zu ertragen als die meisten.«

      »Wenn es ein Unglück für dich und mich ist«, sagte Verena scharf, »warum sahest du sie denn wieder, wodurch es doch noch vergrößert wurde?«

      Es kostete Michael Mühe, zu antworten, doch bezwang er sich und sagte kurz: »Ich konnte nicht anders.«

      »Ich glaube freilich«, sagte Verena, »daß es dir leichter wird, das Unglück zu ertragen als den meisten Menschen, die mehr Pflichtgefühl haben als du.«

      In Michaels bleichem Gesicht glühten die Augen, die er fest auf sie richtete. »Das verantworte ich«, sagte er. »Mit dem Ertragenkönnen meinte ich, wie du wohl weißt, etwas anderes, nämlich, daß wir Unabhängigkeit, Geldmittel und Bildung genug haben, um uns geistigen Ersatz für verlorenes Glück verschaffen zu können. Mir hat sich ein reiches Leben eröffnet, seit ich das Studium ergriffen habe, und dasselbe ist für dich da, wenn du es dir nur aneignen willst.«

      Er war im Begriff, ihr von den Mädchen zu erzählen, die er kennengelernt hatte, die teils um einen Beruf auszuüben, teils nur um ihrem flatternden Leben eine Grundlage zu geben, studierten, und welche Befriedigung sie darin fanden. Aber im gleichen Augenblick fiel ihm ein, wenn sie nun sagen würde: »Ja, das möchte ich!« was dann daraus entstehen würde? Sie konnte füglich sowohl mit Mario wie ohne ihn da leben, wo er war, und es ließ sich kaum anders denken, als daß sie eine solche Möglichkeit mit Ungeduld ergreifen würde. Was aber würde dann aus ihm, seiner einsamen Arbeit, seinem überschwenglichen Dasein, seinem freien Adlerhorst in den Bergen? Er verstummte unter dem Andrang quälender Gedanken und vermochte nicht, so lähmte ihn die plötzliche Aussicht, einen Übergang zu anderen Vorschlägen zu finden.

      Sie hatte anfangs gewartet, was er sagen würde, dann, da er so lange schwieg, sich in träumenden Gedanken verloren und fast vergessen, um was es sich handelte. Ihre schönen, traurigen Augen ruhten ernst und weich auf ihm, der ihr unbeweglich gegenübersaß, und nach einer Weile füllten sie sich mit Tränen. Ein furchtbares Angstgefühl erfaßte Michael, er glaubte es nicht länger ertragen zu können, sprang auf und ging rasch aus dem Zimmer und aus dem Hause, um bis zum Abend allein durch die Straßen zu hasten. Unbefreit kam er nach Hause und kämpfte die ganze Nacht mit guten und bösen Gedanken.

      Es stand ihm fest, daß er Verena die Hand zu allem bieten mußte, was ihr Befreiung und Befriedigung geben konnte. War es nicht grausam, nachdem er sie von seinem Herzen ausgeschlossen hatte, sie auch von dem neuen Geistesleben auszuschließen, in dem er sich sonnte? Und wenn ihm der Gedanke, sie könnte ihn zur Universität begleiten, so unerträglich, so tödlich war, so mußte er zweifeln, ob es wirklich die Arbeit, der Umgang mit Freunden, das Dehnen des Geistes war, das ihn so froh gemacht hatte. Dann war es vielmehr die neue Freiheit gewesen, das ungebändigte Leben, das Einssein mit Rose, auch wenn sie nicht bei ihm war.

      Am anderen Morgen sah er fahl und verstört aus, und die Stirn drückte ihm wie Blei auf die Augen. Sowie er mit Verena allein war, stellte er ihr vor, daß sie wahrscheinlich am ehesten durch das Studium irgendeiner Wissenschaft Genüge finden würde, wozu ihr scharfer Verstand sie vorwiegend befähigte. Er sprach trocken und erwähnte noch nichts davon, daß sie ihn begleiten könnte, doch setzte er ihr deutlich auseinander, wie er es meinte, und warum er es für besser halte als das Leben, das sie jetzt eingeschlagen hatte.

      Ihre erste Entgegnung war mißtrauisch und bitter, die Wissenschaft also, an die sein kalter, dürrer Verstand sie verweise, solle sie dafür entschädigen, daß sie zur Kunst nicht tauge, obwohl doch Michael sie am Tage vorher zur Wiederaufnahme ihrer Malversuche hatte anregen wollen. Er erinnerte sich daran und fügte hinzu: »Daß ich dir dies vorschlage, entspringt nur meiner Freundschaft für dich, du weißt nicht wie großer, aber fühlen mußt du es, wenn du ehrlich gegen dich selbst sein willst.«

      »Wissenschaft und Freundschaft«, flüsterte sie und legte ihre hohe, edelgeformte Stirn in ihre beiden schmalen Hände. – »Wie du es betonst«, sagte Michael, »klingt es wie der Wegwurf des Daseins, das Schnödeste, womit man Bettler abfertigt, und doch hängen nicht viel so edle Früchte an dem Baume des Lebens.«

      Verena blieb noch eine Weile in ihrer Stellung und sagte dann heftig: »Was soll das alles mir, da es doch unausführbare Dinge sind? Bildest du dir ernstlich ein, daß ich hier im Hause Unger studieren könnte? Und was sollte aus dem Kinde werden, wenn ich es verließe, wie du es getan hast?«

      »Mario könntest du entweder mitnehmen«, sagte Michael, »oder du könntest ihn bei meinen Eltern lassen, da der Vater ihn ohnedies ungern missen würde. Für den, der will, sind das keine Schwierigkeiten.«

      »Ja«, sagte Verena, »für den, dem sein Wille über alles geht. Mir kommt zunächst die Pflicht gegen mein Kind, und die fordert, daß ich selbst und ungeteilt mich ihm widme. Wenn es ihm auch in jeder Beziehung bei deinen Eltern so gut ginge wie bei mir, so ist es doch deswegen mein Kind, damit es nach meiner Art erzogen wird, meinem Beispiele folgt, meine Anschauungen einsaugt; abgesehen davon, daß ich deinen Eltern eine Verantwortung aufbürdete, die sie vielleicht nur deswegen willig übernähmen, weil sie sie nicht in ihrer ganzen Schwere begriffen. Nähme ich das Kind nun aber mit, was sollte vollends dann aus ihm werden, wenn seine Mutter in den Hörsälen und über den Büchern säße. Du solltest mir nicht Dinge ausmalen, die mich damals, als wir heirateten, zur Allerglücklichsten auf Erden gemacht hätten, und mir nun, da sie zu spät kommen, nur mein Elend zeigen.«

      »Ich glaubte dir das Beste zu sagen, was ich hätte«, entgegnete Michael, »und du wendest es um, als wäre es das Grausamste. Daß ich vor drei Jahren anders war, als ich jetzt bin, ist nicht meine Schuld. Aber deine ist es, wenn du jetzt nicht mit willst. Was du von der Erziehung des Kindes sagst, taugt nicht; unzählige gute, große, glückliche Menschen sind nicht so an der Schnur gewachsen, die ihre Eltern ihnen zogen.«

      »Nein«, sagte Verena, »es sind auch schon Lilien auf Misthaufen gewachsen; aber es wäre doch ein törichter Gärtner, der deswegen keine auf das Beet pflanzte und wartete, ob nicht der Kehricht blüht.« Während des Gespräches war es Michael leichter ums Herz geworden; ein Gott hatte die Hand über seinem Schicksal gehalten und seine Frau mit Blindheit geschlagen. Weiter in sie zu dringen, hielt er nicht für seine Pflicht, um so weniger, als sie klug genug war, um selbst zu bedenken, was auf dem Spiele stand, und das jetzt Verworfene nachträglich anzunehmen. Er fühlte sich wie einer, der aus äußerster Gefahr gerettet ist, dem zuliebe der Himmel ein Wunder getan hat; er mußte an sich halten, um die Trunkenheit seines inneren Jubels nicht laut zu äußern.

      Von Anfang an hatte Michael versucht, seine Eltern an dem, was er genoß, teilnehmen zu lassen, und die Malve machte ihm das auch leicht; sowohl wenn er von Menschen sprach, die er kennengelernt hatte, wie von den Gegenständen seines Studiums, folgte sie ihm gern eine Weile. Den lebhaften Gesprächen, die er zuweilen mit Arnold Meier führte, hörte sie mit behaglicher Aufmerksamkeit zu und warf ihre kindlichen und klugen Fragen hinein. Aber sein Vater saß meistenteils schwer und teilnahmslos dabei und ließ sein Herz nie ganz von einem schmerzlichen Drucke frei werden. In Wort und Benehmen trug er Michael nichts mehr nach, aber es war ihm anzumerken, daß er das Gleichgewicht noch immer nicht wieder hatte finden können; die Malve, Raphael und Verena sagten einmütig, er sei älter geworden und Michaels Entfernung sei hauptsächlich schuld daran.

      Allmählich brachte Michael СКАЧАТЬ