Michael Unger . Ricarda Huch
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Название: Michael Unger

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 4064066388799

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СКАЧАТЬ noch die Umrisse seiner Gestalt, unterschieden aber doch, daß er sich nur langsam und leise hin und her wiegte, wozu er nun die schwermütige Melodie eines russischen Volksliedes mit halber Stimme zu singen begann. Allmählich sang er lauter, so daß sie die Worte deutlich vernehmen konnten:

      Kein Haus, kein Hof, nur der Schnee und die Heide,

       Der Sturm und ich und der Schmerz, den ich leide.

       Wohin denn? Wohin denn? Die Wölfe schrei'n.

       Im Herzen kein Gott – am Himmel kein Schein.

      Michael fühlte sich wunderbar von diesen Tönen angezogen, immerhin blieb er besonnen genug, um Arabell zurückzuhalten, die im Begriffe war, als ob eine magnetische Gewalt sie hinrisse, auch das dünne Eis zu betreten, unter dem von Zeit zu Zeit ein schwaches Donnern hinlief. Als Michael die Hand auf ihren Arm legte, lächelte sie und sagte: »Es war mir eben geradeso, als stünde dort der Tod und lockte mit unwiderstehlichem Gesange in sein düsteres Reich.«

      In diesem Augenblicke näherte sich der Freiherr; er hatte sich bisher auf der klaren Fläche in weiten Bogenschwingungen ergangen und glich in dem kurzen schwarzen Mantel, der ihn umflatterte, einem großen Nachtvogel, der in einsamen Ringen durch die Dunkelheit kreist.

      »Hier stockt die Luft wieder einmal von Stimmungen«, rief er lustig, »und es ist gut, daß ich dazwischensause. Es ist merkwürdig, daß die Menschen sich damit zufriedengeben, hölzerne Instrumente mit Darmsaiten zu sein, die sich nach Belieben hoch oder tief spannen lassen. Man sagt, daß ein Mädchen, welches nicht Brot zu schneiden versteht, nicht reif zum Heiraten ist, und ich sage, daß, wer an Stimmungen leidet, nicht reif für den Himmel ist. Sie, Arabell, sind, wie ich glaube, weder reif für den irdischen noch für den überirdischen Himmel.« Damit glitt er an Arabells Seite, die unschlüssig nach dem Gesange hinüberhorchte, ergriff eine ihrer Hände und flog ohne weiteres mit ihr davon. Michael war wieder allein mit dem Russen, der sich gleichzeitig zu ihm gesellte, den er jetzt aber mit mehr Teilnahme, ja mit einer Art von Zuneigung, die seinem eigenartig schönen Gesange galt, betrachtete. Er sagte ihm allerlei darüber und über die russischen Volkslieder im allgemeinen, worauf jener nicht einging; als Michael schließlich verstummte, sagte er: »Es wird Sie eine Gotteslästerung dünken, wenn ich sage, daß ich den Mann nicht liebe, den Sie und alle anderen verehren; und das nicht etwa, weil er mir das Mädchen entzieht, das ich mehr als alles auf der Welt und einzig auf der Welt liebe, sondern weil er ein kaltes Herz ohne Begeisterung hat, aber gerade Genie genug, um sein marmornes Heidentum so zauberhaft darzustellen, daß er die Schwachen damit betört.«

      »Sie häufen so viel überraschende Vorwürfe gegen den Freiherrn«, sagte Michael, »daß ich kaum weiß, wie ich allen begegnen soll. Ob er in Wahrheit daran denkt, Ihnen ein Mädchen zu entfremden, das Sie lieben, darüber kann ich nicht urteilen; hätten Sie recht, so täte er es gewiß nicht aus Bosheit, sondern aus irgendeinem guten Grunde, wenn sich auch meinetwegen seine Richtigkeit bezweifeln ließe. Das bestreite ich aber mit gutem Gewissen, daß er kalt sei und seine Lehre heidnisch; denn die völlige Hingabe an Gott, den Geist, die er verlangt, ist weit eher christlich zu nennen.«

      »Ich nenne alles Heidentum«, sagte Boris hart, »was in der Verherrlichung der eigenen Person gipfelt. Was nützt es, wenn einer groß und gottesähnlich und Gott selbst wird und von seiner Macht und Herrlichkeit den anderen nichts mitteilt, die dessen bedürfen? Das ist Religion für die Glücklichen und Starken, wenn man überhaupt Religion nennen kann, was nicht die Menschen verbindet, sondern voneinander abschließt. Ich sage Ihnen offen, daß ich mein Leben den Duldern meines Vaterlandes geweiht habe und gewiß bin, früher oder später, sei es durch Verrat oder bei hochverräterischer Tat ergriffen, es schimpflich am Galgen zu enden. Es kann nicht jeder die Verhältnisse in meiner Heimat kennen und infolgedessen nicht richtig beurteilen; aber ich hasse diejenigen, die sie kennen und sich auf die Seite der Schlächter stellen, anstatt auf die der Opfer.«

      Er hatte im Sprechen einen freieren, größeren Blick bekommen und gefiel Michael immer besser; er sagte mit Herzlichkeit: »Zunächst seien Sie überzeugt, daß ich Sie nie verraten werde, noch, dafür möchte ich bürgen, wird es der Freiherr tun. Ich kenne die Lage Ihres Vaterlandes nur ungenau, doch kann ich mir wohl vorstellen, daß einer, ohne grausam zu sein, gewaltsame Maßregeln zur Herbeiführung einer höheren Kultur, denn darum handelt es sich doch wohl im Grunde, mißbilligt, weil diese stets nur langsam reifen kann und Eingriffe diese Entwickelung eher stören und aufhalten als befördern.«

      »Redensarten!« rief Boris ungeduldig; »eine Suppe von marklosen, ausgelaugten Knochen, die ein verhungerter Hund nicht schlappern möchte. Sehen Sie die Tatsachen an. Sehen Sie Freunde, Brüder und Schwestern unter der Peitsche und unter Martern verenden. Sehen Sie die Unschuldigen im Kerker verfaulen und die Bösewichter und Trunkenbolde und Weiberjäger und Salonschwätzer sich am Tische des Lebens mästen. Sehen Sie die gesunde Kraft in Unwissenheit und Schmutz verkommen und Feinheit und Bildung die Wahrheit beflecken und die Religion verächtlich machen. Ein Schuft, wer da zusieht und seine eherne Gleichgültigkeit mit rednerischen Lappen bemäntelt!«

      Michael fühlte sich durch den wütenden Erguß nicht beleidigt, aber auch nicht getroffen; es schien ihm natürlich und berechtigt, daß diese Dinge, so schrecklich sie sein mochten, ihn nicht aus seinem Gleichgewichte brachten. Er konnte nichts mehr erwidern, da der Freiherr mit Arabell zurückkam und zum Aufbruch mahnte. Im Antlitz des Freiherrn war nichts zu lesen als die stolze Offenheit des furchtlosen Mächtigen und die Überlegenheit des allseitig gebildeten Geistes. »Während unser blutiger Freund hier predigte, habe ich eine Rede gegen ihn gehalten«, sagte er lachend, »und hoffe, daß meine von besserem Erfolge begleitet ist als seine; wenigstens scheint es mir nicht, als ob sich Michael Unger zur roten Fahne bekehrt hat. Wir streiten um die Seelen wie Satan und der Engel.«

      Boris hatte doch die Genugtuung, das geliebte Mädchen nach Hause führen zu können; denn der Freiherr nahm Michaels Arm und ging mit so rüstigen Schritten vorwärts, daß die beiden jungen Leute um ein gutes Stück zurückblieben. »Warum wühlen Sie so gegen den armen Menschen?« fragte Michael, als sie von den Nachfolgenden nicht mehr gehört werden konnten. »Ich glaube, das Mädchen sieht ihn ohnehin nicht mit verliebten Augen an.«

      »Aber sie hört mit verliebten Ohren zu, wenn er schwatzt«, sagte der Freiherr. »Das Mädchen ist zu fein für solch einen barbarischen Talgfresser; sie haben den Magen voll von der klebrigen Schmiere, und im Kopfe qualmt ein fettiges Fünkchen, das höchstens zum Nachtlicht oder zum Allerseelenlämpchen langt. Er soll wieder in sein Land gehen, einen Minister oder dergleichen umbringen und sich aufhängen lassen, dann hat er seine Bestimmung erfüllt und ist mit sich zufrieden. Hier wird er, wenn er auch im Arm seiner Geliebten läge, doch immer von dem Galgen träumen, den er sich in der Jugend zum Marterwerkzeug erkoren hatte. Glauben Sie mir, ich kann ihm keinen größeren Dienst leisten, als wenn ich Arabells Herz recht fest in den Händen behalte.«

      »Aber tun Sie ihr denn damit einen Dienst?« fragte Michael bedenklich. »Es ist doch wahrscheinlicher, daß der Russe sie glücklich machen kann, als daß Sie es können?«

      Der Freiherr legte lachend den Arm um Michaels Schulter und sagte: »Weil er sie liebt und ich sie nicht heiraten kann, meinen Sie. O Michael, können Sie an keinem Stall vorübergehen, wo zwei an einer Krippe Platz hätten? Der Russe mit seiner massenhaften Liebe reißt sie nur so oder so in die Untiefen des Lebens, wo sie steckenbleibt und verschlammt. Was kann ich ihr aber schaden? Bin ich ein Geck oder ein Wüstling oder ein Hanswurst? Selbst wenn ich sie verführte und mit einem halben Dutzend Kinder sitzenließe, was ich durchaus nicht im Sinne habe, so wäre das besser für sie, als wenn sie Boris heiratet. Wenn gute Menschen einander Schmerz zufügen, ist noch nicht Ursache, Zeter zu schreien, und auch was einem ein Übelwollender antut, geht hin; eh man sich lieben läßt, da soll man auf der Hut sein. Man soll darauf bedacht sein, Geist zu wecken, und nicht darauf achten, wie weh es tut. Müssen Sie nicht Beine abschneiden und Geschwüre auskratzen, wenn Sie Arzt sind? Aber eine Frau, СКАЧАТЬ