Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch
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Название: Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3)

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 4064066388812

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СКАЧАТЬ er sich wohl, und sehen müsse der Kaiser ohnehin mit seinen eigenen Augen. Es könne der Majestät doch etwas zustoßen, sagte der neue Ofenheizer Rhutsky ängstlich, wenigstens müsse mit Windlichtern geleuchtet werden, und unten vor der Galerie müsse jemand warten, für den Fall, daß der Kaiser etwas benötige. Nachdem alles angeordnet war, ergriff der Kaiser Keplers Arm und ließ sich von ihm durch den Schloßgarten am singenden Brunnen vorüber zum Belvedere führen. Vor dem jähen Anblick der himmlischen Unendlichkeit schloß der Kaiser die Augen und hieß Kepler durch einen Wink mit der Hand einen Sessel dicht an die Mauer rücken, denn er litt an Schwindel. Den Pelz, den man ihm umgehängt hatte, dicht um sich ziehend, obwohl es eine laue Frühlingsnacht war, setzte er sich und blieb eine Weile so, ohne sich zu rühren. Nachdem er sich erholt hatte, wies ihm Kepler erst den Kometen, der als ein schwacher, etwas verschwommener Schein aus dem blaßblauen Himmel auftauchte, und dann den neuen Stern, der sich im Sternbild der Leier zeigte. Wenn er recht aufmerke, sagte er zum Kaiser, werde er sehen, daß dieser Stern anders als die anderen, wie eine stark brennende Fackel aussehe und daß zuweilen rubinrote Zungen darin aufflammten, als ob in einem Hochofen gewisse Stoffe zerschmolzen würden. Er halte dafür, daß es mit diesem Stern seine besondere Bewandtnis habe.

      Was er damit andeuten wolle? fragte der Kaiser aufmerksam, er solle es ungescheut heraussagen.

      »Wie,« sagte Kepler, »wenn es gar kein Stern wäre, sondern eine Welt, die jenseits der uns sichtbaren Sonnenwelten läge und die, durch inneres Gesetz oder unerforschliche Revolutionen erschüttert, untergehend durch unseren Raum stürzte? Dann freilich müßte sie, wie sie aus ihrer, unseren armen Werkzeugen unzugänglichen Entlegenheit herausbrach, auch wieder verschwinden.« Ein neuer Stern müsse einen neuen Kaiser bedeuten, sagte der Kaiser, so viel verstehe er auch von der Sternkunst.

      Ach nein, sagte Kepler gutmütig, indem er sich über den Lehnstuhl des Kaisers beugte, das solle er sich doch aus dem Sinn schlagen. Der Weltensturz, der jetzt dort erscheine, sei vor unmeßbarer Zeit geschehen, als die römischen Kaiser deutscher Nation noch gar nicht vorhanden gewesen.

      Aber umsonst könne er doch nicht erscheinen, beharrte der Kaiser, und auch nichts Geringes zu bedeuten haben.

      Kepler zuckte ein wenig ungeduldig die Schultern und sagte nach einer Weile: »Wenn es so wäre, daß wir, die irdische Luft verlassend, im Äther atmen und in den Weltraum hineinschiffen könnten, dann würden wir Jahrhunderte reisen, bis wir etwa in die Nähe jener Welt kämen. Wenn unser Herz dann von dem Donner der umrollenden Sonnen und dem Anblick der entblößten Allmacht Gottes noch nicht gebrochen wäre, würden wir vielleicht sehen, wie ein aus den Weltentrümmern verjüngter Ball durch den kochenden Ozean rollte. Scheiterte dann unser Schiff in der feurigen Brandung, wer früge danach? Was könnten wir den Erstlingen Gottes gelten?«

      Der Kaiser wendete sich mit mißtrauischem Blick nach Kepler um. Er sei ein Ketzer, sagte er; ob er etwa nicht glaube, daß Gott, der die Menschen erschaffen habe, ihren Lauf und die Stunde ihres Todes wisse? Ob er nicht glaube, daß Gott sie durch Zeichen warnen könne?

      »Alles, was geschieht, geschieht in Gott,« sagte Kepler eifrig, »und also ist Gott allwissend.« Es möchte auch wohl sein, fuhr er fort, daß, da alle Teile der Welt in Gott zusammenhingen, der eine Teil sich im anderen spiegle. Aber so im einzelnen könne man dem nicht nachgehen. Es könnten auch Kaiser auf anderen Sternen regieren, um die sich Gott bekümmern müßte, man könnte da leicht etwas auf den unrechten Ort beziehen. Wolle der Kaiser aber durchaus eine Auslegung von ihm haben, so wolle er ihn mahnen, nach Ungarn zu blicken, weil der Stern dort hinüber aufgegangen sei.

      So gehe es doch auf den Matthias, murmelte der Kaiser, in sich hinein schaudernd.

      Das habe er nicht gemeint, sagte Kepler, mitleidig in das fahle, jammervolle Gesicht des Kaisers blickend. Die Ungarn seien rebellisch, das sei allbekannt, aber es fehle ihm ja nicht an treuen Untertanen. Er wolle den Kaiser nun aber wieder hinunterführen, die nächtliche Kühle könne ihm schaden, und der Komet sei ohnehin schon untergegangen.

      Folgsam stand Rudolf auf, lehnte sich auf Keplers Arm und wandte sich der Treppe zu, ohne noch einen Blick in den Himmel zu werfen, der von unzählbaren aus seiner Unermeßlichkeit quellenden Keimen zitterte.

      Trotz seiner Müdigkeit konnte der Kaiser nicht schlafen. Von Matthias, stöhnte er, von Matthias drohe ihm Gefahr, er sei des Todes, niemand könne ihn retten. Philipp Lang suchte ihn zu beruhigen: hier in der Burg sei er sicher, alle Zugänge seien von zuverlässigen Leuten besetzt, zu ihm könne man nur über seine, Langs, Schwelle. »Du verstehst mich nicht«, sagte der Kaiser, der aufrecht im Bette saß; »ich fühle, als bohre sich ein glühender Nagel in meinen Kopf und als zerschmölze mein Gehirn zu Gallert und fließe aus.« Das freilich schmecke nach Zauberei, sagte Lang; er kenne aber einen alten Juden, der wisse einen Gegenzauber, bei Tage wolle er ihn auf die Burg kommen lassen. Einstweilen solle der Kaiser sich wieder niederlegen und zu schlafen versuchen. In der Tat legte sich der Kaiser, damit Lang ihn verließe; es war ihm plötzlich eingefallen, daß es auch Lang sein könnte, der ihn vermittelst Zauber zu Tode quälte, wenn er mit solchen Leuten Umgang hatte. Er konnte es im Auftrage des Matthias tun oder um böser Lust zu frönen; der Schweiß tropfte ihm von der Stirn, indem er bedachte, wie nah er seinen Henker bei sich hätte. Als Rhutsky am Morgen in seine Kammer trat, winkte er ihn zu sich und fragte ihn leise, ob er oder einer von den anderen Dienern den Lang jemals bei verbotenen Künsten ertappt hätte. Er solle es bei seinem Leben bekennen.

      Rhutsky fiel auf die Knie und gestand endlich, er habe lange schon den Argwohn, daß Lang ihn, den Kaiser, behext habe. Er solle sich aber nicht merken lassen, daß er ihm auf der Spur sei, sonst könne es ein böses Ende nehmen; nur solle er Lang unter diesem und jenem Vorwande nicht so viel an sich heranlassen, und wenn er ihn berührt hätte, sich darüber bekreuzen.

      *

      Zu seinem Stellvertreter bei dem Reichstage, den das immer dringender werdende Geldbedürfnis notwendig machte, ernannte der Kaiser seinen Neffen Ferdinand von Steiermark, der ihm weniger anstößig war als seine Brüder. Den Protestanten war das unlieb, denn die Gewaltsamkeit, mit der Ferdinand in seinem Lande das evangelische Bekenntnis ausgerottet hatte, ohne Erbarmen mit dem Jammer der Betroffenen zu haben und selbst die Verödung seines Reiches nicht scheuend, hatte Mißtrauen und Abneigung gegen ihn erregt. Ferdinand war vergnügt, eine so bedeutende Rolle spielen und weithin wahrnehmbares Gepränge entfalten zu können; andererseits gab er seine häusliche Bequemlichkeit ungern auf und dachte mit Unlust an die verwickelten Schwierigkeiten, die es zu lösen galt. Er hatte vor einigen Jahren seine Cousine, die Schwester des Herzogs Maximilian von Bayern, geheiratet, nachdem seine Mutter unter Aufbietung ihres Ansehens und ihrer Strenge ein untunliches Liebesverhältnis, das ihn beherrschte, abgeschafft hatte. Nach einiger Zeit verliebte er sich denn auch in die Base, obwohl sie unansehnlich, schwächlich und kränklich war, und fühlte sich in der Ehe vollkommen befriedigt. Zwar fehlte es seiner Frau nicht an beschränktem Eigensinn, aber er zeigte sich fast nur in der Religion, wo es ihm recht war; ihm und seiner Mutter gegenüber war sie ganz Opfer und Hingebung. Diese, deren nie geschonter Körper allmählich mürbe zu werden begann, gewöhnte sich, den Herrscher in ihrem Sohne zu sehen, seit er einen eigenen Hausstand hatte, und so fühlte er sich zu Hause weich gebettet und geborgen und wußte nichts anderes, als daß es ihm überall und jederzeit gelingen müsse.

      Auf den Straßen nach Regensburg, wohin der Reichstag ausgeschrieben war, zogen Lastwagen die Vorräte für die Tafel der anwesenden Fürsten und Herren; von Gradisca kamen Austern, Thunfisch und Stockfisch, von Triest allerhand Südfrüchte, vom Breisgau Wein, von Linz gesalzener Hecht und Konfekt. Die Fuhrleute, die die Frachten begleiteten, waren sorglich in Schafpelze gewickelt; denn der Winter war kälter, als er seit Menschengedenken gewesen war. Der Schnee war hart gefroren und bog sich wie eiserne Stangen unter den Füßen; man erzählte sich, daß irgendwo der Wein im Keller erfroren wäre.

      Die protestantischen Fürsten erschienen nicht selbst, sondern waren durch СКАЧАТЬ