Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3). Ricarda Huch
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Название: Der Dreißigjährige Krieg (Teil 1-3)

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 4064066388812

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СКАЧАТЬ mit seinem Namen und Ansehen; der Lärm führte den Hauptmann der Polizeiwache herbei, der, nachdem Rußworm sich zu erkennen gegeben hatte, die Gesellschaft vorbeiließ und zugleich die Wächter entschuldigte, die als arme Leute nur erhaltene Befehle ausgeführt hätten. Diese Demütigung genügte nicht, seinen Zorn zu besänftigen; vielmehr bewirkte er, daß die Wächter in hartes Gefängnis geworfen wurden und wochenlang dort schmachteten. Die Frauen der Männer warfen sich ihm zu Füßen und flehten sein Erbarmen an, ohne daß es ihn rührte; ihren Männern, sagte er, geschehe recht, der Übermut müsse gestraft werden, in Zukunft würden sie seinen Namen kennen. Erst als zwei von den Gefangenen vor Kälte und Hunger gestorben waren, ließ er die übrigen frei.

      Was hatte ihn umgetrieben bei allem seinem Tun? Wohin war er geraten? Seine Blicke folgten den schwarzen Wolken, die unaufhaltsam vorüberfegten wie die Augenblicke seines grauenvollen, besinnungslos vergeudeten Daseins. Er hatte das Wiedereintreten des Jesuitenpaters überhört und wendete sich mit einem Schrei des Schreckens um, als dieser die Hand auf seinen Arm legte und ihn fragte, ob er bereit sei, das Abendmahl zu empfangen.

      Rußworm schlug die Hände vor das Gesicht, stürzte auf die Knie und rief aus: »Ich bin der sündenvollste aller Sünder, nicht wert, dein Gewand, mein Vater, zu berühren! Wie sollte ich den Leib des Herrn empfangen?« Der Geistliche legte die Hand auf Rußworms Scheitel, sagte, daß Reue auch ein Übermaß von Sünde zu tilgen vermöge, und forderte ihn auf, zu beichten. Fast eine Stunde verging darüber, worauf der Jesuit dem Büßenden das Credo vorzusprechen begann. Als er die Worte aussprach: »Et incarnatus est«, erbebte Rußworm, wie wenn ein Posaunenstoß sie begleitet hätte. »Auch meine Seele«, rief er aus, »war ein unsterblicher Hauch Gottes, aber das Fleisch, in das sie einging, hat sie verschlungen. Die Edle ist eine Sklavin geworden, entstellt und besudelt, und ließ das Fleisch als einen grausamen Herodes über sich triumphieren. Es ist zu viel, zu viel,« stöhnte er, »meine Schuld ist zu groß für Gottes Gnade.« Die Tränen stürzten heftig aus seinen Augen, indem er die Knie des Paters umschlang. »Gottes Gnade ist unermeßlich«, sagte dieser sanft. »Daß der Augenblick da wäre,« flüsterte Rußworm, »wo ich dies Fleisch opfern darf, das durch und durch voller Sünde ist! Aber ist das Buße, daß ein Schwert meinen Nacken durchschneidet? Ich möchte, daß jedes meiner Glieder einzeln zu Tode gemartert werden könnte. Langsam sollte das Feuer mich verzehren; vielleicht ließe Gott zu, daß, während mein Fleisch in Qualen schmölze, meine Seele verjüngt und gereinigt würde.«

      Der Pater suchte den leidenschaftlich Schluchzenden zu beruhigen. »Ergib deinen Willen in Gott,« sagte er zu ihm, »auch darin, daß du nicht mehr opfern willst, als er von dir verlangt. Bringe dich ihm willig dar, wenn die Stunde kommt, und harre demütig, wie er mit dir schalten will.«

      Nach dieser gewaltsamen Aufregung kam eine wohltätige Ruhe und tiefer Schlaf über den Verurteilten. Er wurde durch die Schritte und Reden verschiedener Männer geweckt, die sein Zimmer betraten und unter denen er die vermummte Gestalt des Henkers erkannte. Ob es schon Zeit sei? fragte er; man hätte ihn länger schlafen lassen können. Es sei sechs Uhr, wurde ihm geantwortet, um sieben müsse alles vorbei sein. Der Jesuitenpater, der ein Kruzifix trug, nickte ihm zu und schien ihm etwas sagen zu wollen; allein er beachtete es nicht, plötzlich von einem durchdringenden Widerwillen und Zorn erfaßt. Auf seine laute Frage, ob des Kaisers Majestät davon unterrichtet sei, daß jetzt sein Haupt fallen solle, antwortete einer der anwesenden Richter, es geschehe alles auf Befehl des Kaisers. Rußworm stutzte; es drängte ihn, das Fenster aufzureißen und die Vorübergehenden um Rettung anzurufen, der Kaiser werde sie dafür belohnen. Nicht möglich schien es ihm, nicht möglich, daß der Kaiser ihn verließe!

      Draußen war es noch dunkel, in das Zimmer fielen rote Lichter von den Fackeln, die die Wächter hielten. Das Gefühl, es beobachteten ihn höhnende Blicke und weideten sich an seiner Todesfurcht, ließ ihn sich fassen; er richtete sich stolz auf und bat die Anwesenden, seinen Abschiedsworten Gehör zu schenken.

      Der Tod sei ihm erwünscht, sagte er ruhig, durch den er die zahlreichen Sünden seines Lebens büße. Wolle der Henker ihm die befleckte Hand abhauen, bevor er ihm das Haupt vom Rumpfe trennte, so werde er es ihm danken. Nicht als ob er am Tode des Herzogs von Mercoeur schuldig sei; auch den Belgiojoso habe er nicht getötet, vielmehr habe der ihm nachgestellt und sei in die Grube gestürzt, die er ihm zum Falle gegraben habe.

      Er wurde lebhafter und sprach schneller und lauter. Noch weniger, fuhr er fort, habe er sich jemals gegen das Haupt des Römischen Reiches, den Kaiser, verfehlt. Ja, er sei neidisch und rachsüchtig gewesen, habe wüst mit Weibern gewirtschaftet; aber den Kaiser habe er verehrt wie einen Vater und Herrn, der Traum seiner Jugend wie das Ziel seiner Manneskraft sei gewesen, sein Leben auf dem Schlachtfeld für den Kaiser zu wagen. Er habe die Feinde nie gefürchtet, die von außen die Macht des Kaisers angegriffen hätten, noch die im Innern des Reiches sein Diensteifer gereizt hätte. Heilig über alles sei ihm der Kaiser gewesen, Huld und Lohn hätte er von ihm verdient; anstatt dessen gebe er ihn dem Henker preis. Zu spät werde er ihn zurückwünschen, er werde keinen finden, der ihm so ergeben sei wie er. Niemand werde ihn vor den Verrätern schützen, die ihn umringten, verlassen werde er sterben, arm und einsam wie ein heimatloser Bettler.

      Während einige von Rußworms Rede erschüttert waren, machte der Vorsitzende des Gerichtes Miene, seine Lästerungen gegen die kaiserliche Majestät zu unterbrechen; indessen legte der Jesuit die Hand auf seinen Arm und hielt ihm mit traurigem Blick das Kruzifix entgegen. In Rußworms Zügen ging eine jähe und schreckliche Veränderung vor; er riß das Kreuz dem Geistlichen aus der Hand, drückte es an die Lippen und an das Herz und rief aus, indem er sich auf die Knie warf: »Mein Heiland Jesus Christus, vergib mir; ich sterbe gern als ein Sünder zu deinen Füßen.« In dieser Stellung verharrte er schweigend, bis der Streich fiel, der ihn mit eins tötete.

      Dieselbe Nacht war dem Kaiser unruhig verlaufen. Abends hatte er mit Philipp Lang, ein paar Malern und Frauen beim Weine gesessen, bis er plötzlich müde wurde und zu Bett verlangte. Er wachte aber nach kurzem Schlaf wieder auf und wurde, je länger er sich schlaflos hin und her warf, desto aufgeregter. Philipp Lang, den er zu sich rufen ließ, durchschaute, daß er gern von Rußworm gesprochen hätte, aber nicht selbst anfangen mochte, und erzählte scheinbar beiläufig, der Verurteilte habe seine Schuld eingesehen und sich reumütig auf den Tod vorbereitet.

      »Er ist ein trotziger Mensch«, sagte der Kaiser. »Warum hat er meine Gnade nicht angerufen, da ich ihm doch immer ein milder Herr gewesen bin?« Er sei sich wohl bewußt gewesen, daß er sie nicht verdient habe, meinte Lang; auch habe er niemand außer sich selbst geachtet.

      Er sei auch tüchtig gewesen, sagte der Kaiser. Ja er habe ihm Glück gebracht. Jetzt sei er von Verrätern umgeben und wisse nicht, wem er trauen solle.

      Lang nannte diesen und jenen, der Rußworm weit überlegen sei, und führte Beispiele von dem verwahrlosten Zustande an, in den das Heer unter ihm geraten sei. Er habe nur den Vorzug plumper Tapferkeit besessen; der verstorbene Schwarzenberg habe stets an ihm getadelt, daß er alles besser wissen wolle als die anderen, daß aber seine Pläne unausführbar seien.

      »Einer beneidet den anderen, und einer mißtraut dem anderen«, sagte Rudolf. »Sie haben es im Grunde alle nur auf mein Geld abgesehen.«

      Wenn der Kaiser wollte Gnade walten lassen, sagte Lang vorsichtig, so könne niemand ihn an der Ausübung dieses göttlichen Rechtes hindern, wenn es hie und da auch böses Blut machen werde.

      »Ich habe niemand als dich,« sagte Rudolf klagend, »diejenigen, die mich ehren und lieben sollten, trachten nach meinem Leben. Mag der Rußworm übrigens sein, wie er will, er war mir ergeben und war deshalb meinem Bruder Matthias im Wege, der ihn verleumdete. Sie haben es darauf abgesehen, daß ich in ihm mich selbst opfere.« Er stand vom Bett auf und ging, auf Lang gestützt, im Zimmer auf und ab, das ein trübes Nachtlämpchen erhellte. Indessen kroch der Morgen an das Fenster; mit fiebrigen Augen sah der Kaiser zu, wie sich unten die Dächer und Türme spitz und fröstelnd in das СКАЧАТЬ