Gesammelte Werke. Ricarda Huch
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Название: Gesammelte Werke

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Философия

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isbn: 4064066388829

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СКАЧАТЬ sein Recht auf Preußen noch nicht eigentlich aufgegeben hatte. Wenn einst benachbarte Länder sich unter dem Zepter der Imperatoren gesammelt hatten, so mehrte das den Glanz des Mittelreiches; jetzt nisteten sich die Nachbarfürsten ein, um den Bau, dessen Glieder sie sich nannten, zu sprengen. Ein Reich aus Reichen, ein Riesenkörper, zusammengesetzt aus Körpern, von denen jeder ein durchgeformtes Individuum war, voller Gegensätze und Spannungen und doch schwer beweglich, nur sich selbst gefährlich, so lag das heilige Monstrum da, nachdem die Fieberwut des Krieges, die es geschüttelt hatte, erloschen war.

      Es war ein Sonntag im Oktober, als in Münster, wohin zu diesem Zweck auch die Gesandtschaften von Osnabrück verlegt worden waren, unter Kanonendonner die Urkunden des Friedens unterzeichnet wurden. Am folgenden Sonntag fanden für alle Konfessionen Dankgottesdienste statt, und der Stadtsyndikus ritt im feierlichen Aufzug durch die Straßen, um den Frieden zu verkündigen. Kuriere eilten in alle Länder und zu den Armeen, um sie zur Niederlegung der Waffen aufzufordern. Paul Gerhard dichtete das schöne Friedensgedicht, in dem es hieß: »Wohlauf und nimm nun wieder – Dein Saitenspiel hervor – o Deutschland, singe Lieder – in hohem, vollem Chor!« Das aber war doch wohl zu viel verlangt. Als in Osnabrück der Stadtsyndikus den Frieden ausrief, standen Tränen in den Augen mancher Zuhörer. Man meinte, sie hätten der Enttäuschung darüber gegolten, daß infolge der Friedensbestimmungen der unbeliebte Bischof nach Osnabrück zurückkehrte; indessen waren es wohl die Tränen, die sich einstellen, wenn ein Glück so spät kommt, daß man es nicht mehr genießen kann. Was konnte der Frieden dem verarmten Bürger in den verarmten und bedrängten Städten geben? Was vollends dem Bauer, dessen Hütte verbrannt, dessen Vieh weggetrieben, dessen Kinder oft genug im Kriege verschollen, verdorben und gestorben waren? Auch änderte sich zunächst für die Bevölkerung noch nichts. Die Armeen, die den Diplomaten mißtrauten, legten die Waffen nicht nieder, bis die Friedensbestimmungen ausgeführt waren; darüber vergingen Monate. Die Rückgabe von geistlichen Gütern an die protestantischen Besitzer war nicht leicht durchzusetzen; die fünf Millionen, die zur Befriedigung des Heeres ausgesetzt waren, mußten vom deutschen Volke aufgebracht werden. Von den Glücklosen des Heeres zogen viele als verkrüppelte Bettler, hilflos und überall verhaßt durch das Land, andere, die noch heile Glieder hatten, lebten vom Raub, an den der Krieg sie gewöhnt hatte. Verwildert wie sie waren, wie hätten sie sich in die armseligen, umschränkten Arbeitsverhältnisse des Tages hineinfinden sollen?

      An der Grenze dieses Reiches, von dem nur wenig Gegenden, wie Oldenburg und Hamburg, von dem Kriege verschont geblieben waren, gab es ein Land, das, wie in einen unüberschreitbaren Ring gezaubert, ihn dreißig Jahre lang nahebei gesehen und doch nicht von ihm berührt worden war, die schweizerische Eidgenossenschaft. Hier erhielten sich die Freiheit, der Reichtum, die Solidität der Städte, ihre wohlabgewogenen, erprobten Einrichtungen, die Überlieferungen einer ruhig ausreifenden Kultur. Überraschender ist die Kultur eines anderen deutschen Grenzlandes, Hollands, die ein Gebiet, das achtzig Jahre lang Krieg geführt hatte, mit ihren Früchten überschüttete. Beiden Ländern bestätigte der Westfälische Frieden ihre Selbständigkeit und die Unabhängigkeit vom Reiche, die tatsächlich schon lange bestanden hatte. Daß diese Trennung nun rechtlich ausgesprochen wurde, machte sie doch erst zu einer endgültigen; es war der Verlust zweier Länder, in denen gewisse Seiten des deutschen Wesens, Freiheitsliebe, Gerechtigkeitsliebe, Sachlichkeit zu besonders reiner Ausprägung gekommen waren.

       Inhaltsverzeichnis

      Als während des Dreißigjährigen Krieges die Katholiken nach dem Norden vorgedrungen waren, wurde Spee nach Peine geschickt, um durch Predigt und Beispiel die Bevölkerung zum alten Glauben zurückzuführen. Es ist begreiflich, daß er Feinde hatte: eines Tages, als er über Land ritt, wurde er überfallen und schwer verletzt. Ein durch die katholische Reaktion vertriebener Prädikant fand den Hilflosen, verband seine Wunden, so gut es gehen wollte, geleitete ihn nach Hause und beschützte ihn vor weiteren Angriffen. Immer wird es Samariter geben, deren gütiges Herz nur die Hilfsbedürftigkeit beachtet, nicht nach dem Glauben, der Nation, dem Stande fragt. Etwas anderes als die natürlich-christliche Güte einzelner Menschen sind die Grundsätze, die zu einer Zeit und in einem Volke maßgebend sind und die Anordnungen in Staat und Kirche und die Handlungen der Menschen bestimmen. In einem und demselben Volke kann es zu verschiedenen Zeiten sehr verschiedene Grundsätze geben. Im Lande der grausamsten Inquisition, in Spanien, entstand einst das weltberühmte Gespräch des Heiden mit Vertretern der drei geoffenbarten Religionen, die ihn zuerst entzückten, als sie ihm erklärten, was ihnen gemeinsam sei, aber in Bestürzung versetzten, als sie auf das zu sprechen kamen, was sie unterscheide, und sich bekämpften und sich gegenseitig die Aussicht auf die Seligkeit absprachen. Wiederum als ihm jeder das Wesen seines Glaubens auseinandergesetzt hatte und der Heide Gott in einem herrlichen Gebet gedankt hatte, daß er sich der Welt dreifach offenbart habe, entfernten sich die drei Gläubigen ergriffen und beschämt und einig in dem Ergebnis: es möge jeder glauben, was ihm von seinen Vätern überliefert sei, und in der Liebe wetteifern, die Entscheidung, welcher Glaube der wahre sei, Gott überlassend. In solcher Gesinnung regelte sich im mittelalterlichen Spanien der Verkehr zwischen den Spaniern, Arabern und Juden, die die Halbinsel bewohnten. Sie disputierten über ihren Glauben, ohne sich zu verfolgen. Diese friedlichen Beziehungen bestanden unter den höheren Klassen, die überhaupt duldsam zu sein pflegen, da Sitte, Bildung und Wissenschaft sie einander nähern. Die unteren Schichten des Volkes, die nur ihre eigene Sprache kennen und sprechen und überwiegend ihren Instinkten ausgeliefert sind, ringen weniger um das Verständnis fremder Völker und Religionen; anzunehmen, daß das beste Recht und die edelsten Eigenschaften ihrem Volke angehören, ist ihnen natürlich. Mehreren wilden Volkserhebungen gegen die Fremden, Araber und Juden, gaben die höheren Klassen allmählich nach; die Könige Ferdinand und Isabella führten, indem sie sich auf den Volkshaß stützten, die Ausrottung der Fremden und Vereinheitlichung Spaniens herbei. Von den unteren Volksschichten ging die Forderung der Reinheit des Blutes aus, die in der Folge für die Spanier so charakteristisch wurde, ihren Stolz begründete, der sie bei anderen Nationen verhaßt machte. Nachdem der Fanatismus in langwährenden Kriegen gegen fremdrassige und fremdgläubige Völker aufgepeitscht war, übertrafen die Spanier alle europäischen Nationen an Unduldsamkeit und Nationalstolz.

      Auch in Deutschland hatte sich das Volk zuweilen in Judenverfolgungen und Ketzerverfolgungen hineinhetzen lassen; aber die Inquisition, also eine grundsätzliche, systematische Verfolgung Irrgläubiger, fand in Deutschland nicht viel Zustimmung. Sie wurden von den Dominikanern ausgeübt, die nie volkstümlich waren und von den Humanisten geradezu verhöhnt wurden. Diese hätten, wenn überhaupt, eher einen Menschen wegen schlechten lateinischen Stils verbrannt als einen, der über das Verhältnis von Gott Vater zu Gott Sohn eine vom Papst nicht gebilligte Meinung hatte.

      In der Zeit, als Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz, mit dem Beinamen der Fromme, den Calvinismus in sein Land einführte und die Lutheraner vertrieb, schrieb einmal Landgraf Wilhelm von Hessen, ein sehr einsichtiger Mann, in bezug auf dies Vorgehen: Wenn er, Friedrich, das Recht hätte, seine Untertanen nach seiner Meinung umzuändern, so hätten ja der Erzbischof von Mainz und der Abt von Fulda dasselbe Recht, welches sie, die Protestanten, ihnen aber nicht hätten lassen wollen, ebensowenig Frankreich und Spanien, deren Untertanen der Kurfürst Beistand geleistet hätte. Deshalb könnten jene Fürsten ihm vorwerfen, er strafe an ihnen, was er selbst tue. Darauf antwortete Friedrich: es sei wohl ein ander Ding, einen zum Guten und Gotteswort und der Wahrheit, ein anderes, ihn zum Bösen, Abgötterei und Lüge treiben, die weil das eine von Gott geboten, das andere direkt verboten sei. »Ficht mir auch nicht an, daß die Papisten fürwenden möchten, sie hätten auch den Vorsatz, die rechte Religion zu befördern, denn ein jeder muß seines Grundes selbst gewiß sein, man wollte denn alle Religionen in ein Zweifel setzen und eine scepticam religionem machen, daß man nit wisse, welches schwarz oder weiß wäre.« Erstaunlich, wieviel Naivität und zugleich Klugheit und richtige Beobachtung sich in diesem Urteil des alten, damals seinem Ende nahen Kurfürsten verrät. Wer glaubt, im Besitz der Wahrheit zu sein, wird der nicht alle und namentlich die, welche seiner Leitung und seinem Schutze СКАЧАТЬ