Die Lobensteiner reisen nach Böhmen: Zwölf Novellen und Geschichten. Alfred Doblin
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Название: Die Lobensteiner reisen nach Böhmen: Zwölf Novellen und Geschichten

Автор: Alfred Doblin

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 4064066116811

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СКАЧАТЬ abgesehn. Aber mit dem Mädel bändelt er nicht an.“ Hitzinger spähte um sich, bog sich lang nach vorn über sein Knie, flüsterte ins Gras: „Ein Schuft ist es, ein undankbarer. Was hast du dich geschunden für sie. Wir haben immer zusammengehalten. Meine Flaschen hätt ich zerschmissen, hoho! Vielleicht ist es ein neuer. Müßt ihn erwischen und zu Kleinholz schlagen.“ „Möcht schon,“ brummte Haslau, „aber wer ist es? Minzel Aloys ist in Stuttgart verheiratet, Musikantenfranzele schwimmt auf dem Wasser, Fabian macht Uhren im Zuchthaus.“ Der Mann mit den Silberknöpfen wiegte sich: „Sollt mir passieren, Haslau Oskar. Mein Vater erzählt: wenn früher einer so was fingerte in der Sippe oder an Kameraden, so haben sie sich zusammengetan die Leute allesamt, haben die Feme gemacht über ihn, so hats geheißen, und ab mit der Kohlrübe. Leg ein Blatt Papier in den Keller, schreib rauf mit dem roten Blei: ‚Bruder‘ und drei schwarze Kreuze hinterher.“ Haslau leckte sich die Lippen: „Er gefällt mir, das Bengelchen. Ich denke: Fuchseisen oder Rattengift. Das zieht.“ „Erst warnen!“ „Das Vieh liest nicht, säuft nur.“ — „Egal; er soll sein Fett kriegen, aber in Ordnung, mein Jung, in Ordnung; also schreib du hier aufs Papier: Bruder und drei Kreuze; schwarz, feste Handschrift, Oskar. Weiter scherts dich nicht.“

      Eine Woche drauf, Mittwoch früh sechs Uhr in der tiefsten Stille, gellten und gellten Schreie durch das Häuschen, überschlagende Frauengeschreie, Geheul, Hinklatschen auf der Treppe. Gegen die Schlafstube schlug es; in Schlafrock und Pantinen riegelte Haslau auf, packte das Mädchen, das blökend ins Zimmer fiel, beim Arm: „Hat er dir etwas tun wollen?“ Er riß den Ochsenziemer von der Wand, zerrte das unbändige Geschöpf, das immer heiserer brüllte, über den Flur, auf die Kellertreppe: „Schrei nicht, sachte, sachte, sonst kommen die Leute von drüben.“ Sie patschte in sinnlosem Entsetzen die Hände zusammen, hatte Aufstoßen, spie. „Hast du auch die Tür hinter ihm zugemacht?“

      Aus dem Keller kam ein schmaler Lichtschein.

      Krumm, in einer riesigen Lache Erbrochenem lag ein toter Mann neben umgeworfenen Flaschen.

      Still zog Haslau den Schlafrock über dem Bauch zusammen, ein verständnisvolles Aufleuchten ging über sein Gesicht; er nickte: „So, so, so, hin!“ Das Mädchen sprang über eine Pfütze, kreischte draußen weiter. Von oben trampelten schwere Schritte. Haslau bückte sich kopfschüttelnd über seinen Zettel. Er leuchtete, während die beiden Männer sich herandrängten, dem Toten über den besudelten Bart, den gesperrten Mund: „Fabian, ausgerückt aus dem Kittchen, da sind wir ja wieder.“ Der eine Rollkutscher, mit dem hängenden zerfaserten Schnurrbart, fragte, was denn hier wäre; nachdenklich blickte Haslau ihn und den Toten an, pfiff: „Wie sind Sie eigentlich hier rein gekommen meine Herren? — Ja, das ist der Fabian. Ein guter alter Bekannter von mir. Was so aus einem Menschen wird. Man möchte an aller Vernunft verzweifeln. Da hab ich diesen Dreideibelskerl in meinem Keller erwischt. Das war ein Geriebener aus Stuttgart. Hat der nötig gehabt, bei mir Kartoffeln zu stehlen?“ Und er machte sich über die Flaschen her: „Anderthalb Flaschen heute. Der Rest hat ihm nicht geschmeckt.“

      Die Männer sahen sich an, kletterten flüsternd die Treppe hinauf. Haslau faßte den Toten bei den Beinen, schleifte ihn über die Stufen auf den Hof, packte ihn auf den Buckel, so daß der geschorene Kopf auf das Pflaster knallte und schmiß ihn an den Rand des Gartens hin. Brach ein Stück des Holzgitters heraus, ließ den Körper, zwei heftige Stöße gegen das Kreuz, bergab auf die Straße rollen. Unten kniete die Leiche, die sich mit einem Arm an einem Pfahl verfing, nach einer Minute ruhig am Weg, beugte den Kopf so tief ins Gras, daß sie durch ihre Beine hindurchsah. In der Stube wusch er sich die Hände, rieb sich Weste und Hose ab, schrieb schnaufend an seinen Freund: „Fabian muß in letzter Zeit sehr dick geworden sein; er war sehr schwer. Nun werden wir Ruhe haben und das Mädchen kann ich entlassen.“

      Der Gendarm riß an der Klingel, der Rollkutscher dabei. Als der mit dem Helm brüllte, fragte Haslau verblüfft, ob er solchen stinkenden Kerl auf seinem Grundstück liegen lassen sollte. „Holt Ihr ihn ab, Ihr Polizeiherrchen. Ich mach meine Stube sauber, mit gütigem Verlaub.“ Sie packten ihn an. Mit gehässigen Blicken trat er rückwärts dem Kutscher gegen das Schienbein, so daß er jaulte.

      Im Gerichtssaale priemte er erregt. Hitzinger lümmelte an der Barriere.

      Erst brummte Haslau: „Herr Richter, der Mann ist an das Zyankali für die Wühlmäuse in meinem Keller geraten.“

      „Es wird behauptet, Sie haben das Gift absichtlich in Weinflaschen aufbewahrt.“

      „Lassen wir doch die Leute reden, Herr Richter.“

      Mit einmal verweigerte er die Antwort und suchte auf seiner Bank herum. Dann protestierte er plötzlich mit vortretenden Augen, indem er sich über die Schranke beugte, wegen Freiheitsberaubung.

      Als die Richter nach kurzer Zwischenberatung auf das Podium wiederkehrten, beobachtete er sie verbissen, keifte vor sich: „Was die geheim tun! Mit ihren schwarzen Mützen! Die Herren Dokters! Die Herren Dokters! Den Dreck kümmert sie mein Ding mit Fabian.“

      Der Vorsitzende schlug auf den Tisch. Haslau schniefte herauf: „Wollt ihr mir zeigen, was ich zu tun hab, ich alter Mann? In dieser Sache? Wißt ihr was von diesem Prozeß? He?“

      Prustend schüttelte er die Fäuste, während ihm blaue Ringe vor dem Gesicht schwammen und er auf den Beinen schaukelte: „Ich verlange, daß ihr Fabian vernehmt und mich rauslaßt. Fabian ist von meinen Leuten. Das ist hier kein Gericht für unsereins. Wenn Fabian nicht recht geschehen ist, so soll er’s sagen.“

      Müde kroch als Zeugin ein krummes Mütterchen heraus: „Ja, ja, wenn ich sprechen dürft, und der Fabian hat gesagt, wenn er das nächste Mal einbrechen tät bei Haslau Oskar, dann würd’s wohl eine Geschichte geben.“

      Der Vorsitzende fauchte über den Tisch gegen sie. Haslau zitterte, brummelte: „Also ihr laßt mich raus, wenn ihr’s doch hört! Die Sach ist zwischen mir und Fabian. Die Sach ist beschlossen und gerichtet und beendet. Ich misch mich auch nicht in euren Streit. Ihr laßt mich raus!“

      Der Richter donnerte: „Sie haben sich ruhig zu verhalten hier.“

      Mit unkenntlichem Gesichtsausdruck, fade schielend, die Augen etwas wässerig leer, bewegte sich der Wirt an der Brüstung, setzte sich schwerfällig, während er grunzte, und sein Brustkorb arbeitete. Seine blaurote Unterlippe zuckte pulsierend. Hitzinger flüsterte hetzend; Haslau winkte ab.

      Es war nichts zu beweisen. Er wurde zu zehn Tagen Haft wegen Fahrlässigkeit und so weiter verurteilt.

      „Karl,“ sagte er auf der Straße zu Hitzinger, „die wollten mich umbringen. Wenn ichs nicht hintergeschluckt hätte, saß ich drin.“

      Der lange Hitzinger beruhigte ihn. Zu Hause beim Anblick der grünen Kognakflasche, die Kathrine hereintrug, weinte Haslau erbittert. Er zog die karierten Vorhänge zu, schwieg erst, trank und gluckste finster: „Karl, ist für die denn ein anständiger Mensch und ein Schwein dasselbe? Wegen des dicken Fabian, des Viehs, der meinen Wein ausgesoffen hat, muß ich ins Kittchen?“

      „Wenn er’s wüßt, krank lacht er sich.“

      Haslau schrie: „Krank lachen tät er sich. Schlimmer als Minzel Aloys war er.“

      Als der andere bekümmert die Flasche an sich heranzog, legte der dicke Wirt den aufgestützten Arm hin, sagte entschieden: „Ich nicht. Es gibt noch Gerechtigkeit dafür. Bin kein Aff, Karl, sag ich dir, der sich kujonieren läßt wie ein dummer Lausbub von den hergelaufenen Federfuchsern auf dem Gericht. Bin ich ein solcher Aff?“ und pflanzte sich im Zimmer neben Hitzinger auf, den Hosengurt anziehend.

      „Was СКАЧАТЬ