Der Bildschnitzer von Würzburg (Historischer Roman). August Sperl
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Название: Der Bildschnitzer von Würzburg (Historischer Roman)

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831422

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СКАЧАТЬ da hab' ich ihr den Stein gesetzt.«

      »Das war Eure Schuld, Meister Tilmann!« unterbrach ihn Lorenz Fries.

      »Meine Schuld?«

      »Eure Schuld und die Schuld der Frau da drinnen!« Er wies auf die Schmalwand.

      »Lorenz, wollt Ihr mir ans Herz greifen?«

      »Ich muß es tun. Sie hat Euch aus der Werkstatt in die öffentlichen Geschäfte getrieben, ihr Ehrgeiz ist's gewesen, der Euch von Amt zu Amt greifen ließ, ihre Eitelkeit hat Euch auf Wege gezerrt, die Euerm Wesen fremd waren und fremd sind, Euch – der Ihr begnadet seid vom Schöpfer, mit Kinderaugen durch diese böse Welt zu gehen und in Kinderaugen zu fassen, was schön ist an ihr und was gut ist und aus ewigen Gefilden hereinleuchtet in unsere Nächte. Fluch Eurem Reichtum, der Euch erlaubt hat, Eure Kunst zu versäumen – Wochen, Monate, Jahre langt«

      »Sie hat es gut gemeint mit mir und hat mich sehr geliebt,« flüsterte der Meister.

      »Sie hat in Euch sich selbst geliebt.«

      »Es liegt tiefer, als Ihr glaubt,« stöhnte Tilmann nun ganz unter dem Bann seines Gastes, und ließ sich schwer in seinen Stuhl sinken. »Kunst – was Kunst? Ich bin niemals der Kunstfertige gewesen, den ihr in mir gesehen habt. Was wißt denn ihr, versteht denn ihr von Kunst? Der dort in Nürnberg, der Albrecht, den ich bewundern muß und doch heimlich hassen möchte – wenn ich nicht auch zum Hassen zu schwach wäre –, der ist der Kunstreiche, der Kunstfertige, wie ihn die Erde alle zwei-, dreihundert Jahre gebiert – reich wie ein Fugger, fertig in aller Kunst. Der ist immer der Albrecht Dürer, wenn ich einer von den armen Bildschnitzern bin, die zufällig Tilmann Riemenschneider oder anders heißen. Der ist wie ein Gott auf dem Delphin hinausgeritten in der schäumenden Flut. Und warum das? Er hat mir's einmal selber gesagt, ungefähr also: Schau dir die Natur an und nur die Natur, glaub' nicht, daß du Besseres in dir selber habest und könnest sie meistern; denn wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur – wer sie heraus kann reißen, der hat sie.«

      Er hielt inne und verbarg das Antlitz in den Händen.

      »Woher könnt Ihr wissen, wie er sich fühlt?« fragte der Magister mit kühlem Spott: »Steckt Ihr in ihm? Wer weiß, wie ihm zumute ist, gerade weil er so viel kann?«

      »Wie ein Gott mag sich fühlen, wer keine Grenzen seines Könnens sieht!« sagte Tilmann.

      »Jedem Können sind Grenzen gesteckt,« unterbrach ihn Lorenz Fries. »Auch die Natur hat ihre Grenzen.«

      »Die so weit, so tief, so hoch gesteckt sind, daß auch die schärfsten Augen sie niemals erkennen. Und ebenso weit sind die Grenzen der Kunst gezogen, und der wahrhaft Kunstfertige ist König in diesen Grenzen und dazu allzeit Mehrer des Reichs. Ich habe meine Grenzen sehr frühe geahnt – zum ersten Male dort in Gent vor dem Altare; und dennoch vermaß ich mich, meine Grenzen zu durchbrechen, und schnitzte mehr als hundert Jahre nach den gottbegnadeten Maler-Brüdern zu meinem größten Altar – auch eine Verkündigung Mariä. Auch eine!« wiederholte er mit unsäglicher Bitterkeit.

      »Meister Tilmann, Ihr lästert!« rief der Magister.

      »Kennt Ihr den Genter Altar?« fragte der Meister zornig.

      »Nein. Aber den Kreglinger!«

      »Nun also –!«

      »Und so oft mich meine Pflicht ins Taubertal führt, eile ich, das Kirchlein zu besuchen, werfe mich auf die Knie vor dem größten Eurer Werke und insonderheit vor der Verkündigung Mariä.«

      »Ich vermaß mich, meine Grenzen hinauszurücken, und schuf auch eine Verkündigung Mariä – eine hölzerne. Eine hölzerne,« wiederholte Tilmann störrisch. »Denn Euer Bischof hat ja recht, ich bin zuletzt doch nur ein kleiner Heiligenschnitzer geblieben.«

      »Mein Bischof –? Ich dächte, er ist auch der Eurige! Und unser Bischof hat so etwas nie gesagt.«

      »Laßt das!« rief Tilmann rauh. »Ich weiß es alles selbst am besten. Aber –« nun richtete er sich hoch auf und seine Augen begannen zu glühen – »ich allein und sonst niemand aus Erden hat ein Recht, mir das zu sagen. Und daß er – mir gegenüber ein armseliger Nichtskönner – es gewagt hat, mich in meiner Stube hinterhältig auf Lateinisch zu beschimpfen, das – das vergess' ich ihm niemals.«

      »Meister Tilmann, er hat nichts dieser Art gesagt; des bin ich Zeuge. Und seit wann versteht Ihr Lateinisch?«

      »Schweigt –!« rief der Meister mit verzerrtem Gesicht, preßte die Hände auf seine Ohren und begann aus und ab zu rennen. Und es war wieder, als hätte er den anderen vergessen und wüte im Selbstgespräch gegen sich: »Heilige vermag ich zu schnitzen. Aber Menschen aus unserem Gebein, mit unserem Fleisch, mit unserem Blut? Schaut die Männer an aus meinen Altären! Aus dem Gewirre unmöglicher Faltengewänder heben sie die bedrückten Gesichter. Nachbar Klaus, Gevatter Kunz, wie sie leiben und leben, mehr nicht. Und auf allen diesen Gesichtern ist zu lesen mein Leid, mein Gram und meine Gebundenheit – ein endloser Zug, betend um ihre Erlösung. Und meine heiligen Frauen? – Aus dem Gewirre unmöglicher Faltengewänder heben sich unirdische Häupter –«

      »Überirdische!« unterbrach ihn Lorenz Fries grollend.

      »Und weiß man denn, warum ich meine Köpfe auf Puppenleiber setze, die ich eben mit dem Gewirre unmöglicher Faltengewänder verhülle? Weil ich all die übermäßige Schönheit in den sichtbaren Kreaturen um mich her zwar fasse in meinen Verstand, aber nur zum kleinsten Teil in mein Werk zu bringen vermag. Weil ich den ganzen gottgeschaffenen Menschen nachzubilden doch nicht die Kraft hätte!«

      »Euer Adam, Eure Eva, Meister?« warf Lorenz Fries ein.

      »Jawohl, mein Adam, meine Eva!« Es war, als besänne sich der Künstler, daß er nicht allein war. »Gerade sie predigen mir, wie hart ich gebunden bin. Meine Eva! Die verfluchten Schnürleiber der Weiber! Geht in den Dom zu Bamberg und erkennt staunend vor der Statua der Synagoge, was göttliche Nacktheit ist. Und zu dem allen frage ich mich, wenn ich an der Marienkirche vorübergehe und meine Gebilde betrachte: Tilmann, war's auch recht, daß du, gehorsam dem Auftrag, die Nacktheit auf die Gasse gestellt und preisgegeben hast den Augen der Unmündigen und Halbwüchsigen?«

      »Könntet Ihr nicht,« fragte nun Lorenz Fries lauernd, »Euch dennoch frei machen durch den Anblick vollendeter Natur, schaffend wetteifern mit dem Schöpfer und also die Höhe der Kunst erklimmen? Es ist ja nicht anders: Wahrhaftig steckt die Kunst in der Natur; wer sie heraus kann reißen, der hat sie. Ich dächte – die Holde mit den Angelhäkchen in den dunklen Augen, das Patenkind Eurer Seligen, schlank und wundervoll gewachsen wie die Stammutter der Menschheit – ? sie täte Eurer Kunst alles zu Gefallen. Ein Wort von Euch –!«

      »Niemals!« fuhr Tilmann auf. Aufs neue begannen seine Augen zu glühen. »Weiche von mir –!«

      »Seht Ihr!« Lorenz Fries lächelte befriedigt. »Nur in Eurem Willen liegen Eure Grenzen.« Er trat nahe heran und legte die Hand auf die Schulter des Gebeugten. »Meister Tilmann, grämt Euch nicht. Schweres Blut und enges Gewissen bestimmen Euer Leben und Eure Kunst. Schweres Blut und enges Gewissen sind Eure Natur. Wolltet Ihr Euch gewaltsam daraus erheben, wär's wider die Natur. Und letzten Endes – was ist Fleisch, was ist Blut? Raub des Todes, Verwesung und Asche. Grämt Euch nicht! Aus all dem Fleisch und Blut ahnungsvoll die Idee des Menschlichen – ich glaube, Plato sagt ähnlich – oder das Heilige der Idee herauszuschaffen und leuchten zu lassen auf dem Goldgrund der Verklärung vor den trüben Augen der Bedrückten – lieber Meister, alle anderen Werke entrichten den СКАЧАТЬ