Der Bildschnitzer von Würzburg (Historischer Roman). August Sperl
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Bildschnitzer von Würzburg (Historischer Roman) - August Sperl страница 4

Название: Der Bildschnitzer von Würzburg (Historischer Roman)

Автор: August Sperl

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9788075831422

isbn:

СКАЧАТЬ flüsterte sie dicht über seinen flackernden Augen: »Gut deutsch hat er's gesagt: Fries, mir war's doch, als müßte die wundervolle Statua sogleich von ihrem Sockel herabsteigen. Keine Heilige, sondern ein entzückendes Weib.«

      Bermeter war mit Katzenschritten emporgekommen. Jetzt stand er nur noch eine Stufe tiefer als das Mädchen und flüsterte mit heißem Atem dicht vor ihr: »Keine Heilige, sondern ein entzückendes Weib – ganz richtig, Schatz!«

      Sie rührte sich nicht von der Stelle. Sie beugte nur den Kopf in den Nacken, als wollte sie sich wehren. Aber ihre dunklen Augen flackerten unter den halbgeschlossenen Lidern, flackerten ihm lockend entgegen. Nur die roten Lippen zuckten mitleidig: »Der arme Meister, nun sitzt er wieder halbe Tage lang in Schwermut – ich muß es ihm sagen, daß du gelogen hast!«

      Da trat er auf ihre Stufe und umschlang sie. Willenlos hing sie in seinen Armen und duldete seine Küsse: »Laß mich – du! Der Meister kommt!«

      »Auch recht,« sagte Bermeter, drückte sie noch einmal wild an sich und begann langsam rückwärts abzusteigen.

      »Ich hab' dir doch schon gesagt, du sollst mich nicht küssen, wenn ich nicht will,« zürnte sie mit lachenden Augen und ordnete ihre Haare.

      »Sehr gut, Schatz!«

      »Meinst wohl, du kannst mit mir machen, was du willst?« ereiferte sie sich.

      Leise lachte der dunkle Geselle und trällerte im Hinabgehen vor sich hin:

      Mütter, sagt es euern Kindern:

       wer sich einmal küssen ließ,

       kann's das zweitemal nicht hindern

       – arme Kinder, merkt euch dies.

      Kindlein, nur den kleinen Finger

       gebt uns – nichts bedarf es mehr –

       und schon zieht euch der Bezwinger

       willenlos so kreuz als quer.

      Spinnlein lauert auf der Stiege,

       wartet in dem dunklen Fletz –

       sieh', da zappelt eine Fliege

       in dem schlau gestellten Netz.

      Mütter, sagt es euern Kindern:

       wer sich einmal küssen ließ,

       kann's das zweitemal nicht hindern

       – arme Kinder, merkt euch dies!

      II.

       Inhaltsverzeichnis

      Spät am selbigen Abend kam der Magister Lorenz Fries, des Bischofs Sekretarius, des Bischofs zweiter Kopf, wie ihn die Domherren spottend zu nennen beliebten, der kluge Staatsmann, der vielgewandte Historikus und Archivar, abermals die Stiege empor zu Tilmann Riemenschneider, dem Ratsherrn.

      Er fand den Freund lesend und setzte sich schweigend ihm gegenüber.

      Lange Zeit saßen sie also.

      Endlich hob der Meister sein Haupt und blickte scheu hinüber. Und eine Träne quoll und rann herab in seinen grauen Bart.

      »Erlaubet!« sagte Lorenz Fries, griff nach dem Folianten, blätterte zurück zum Titel und las: »Das Neue Testament. Deutsch. Wittenberg. 1522.« Wortlos legte er es zurück.

      »Wer hat wohl dem Bischof mein Geheimnis verraten? Kein Mensch als die Tote und ich – so hatte ich gewähnt – –!« begann der Meister.

      »So wenig als ich darum gewußt hatte, so wenig vermag ich Euch Auskunft zu geben,« sagte Lorenz Fries einfach. »Aber ich schätze, Ihr seid – erlaubt, daß ich Euch warne – ebenso unvorsichtig im Verkehr mit den Großen dieser Erde wie bei der Auswahl derer, die zu jeder Tagesstunde Zutritt in Eure Stube haben. – Bermeter – ?!«

      Heftig schüttelte Tilmann das Haupt: »Ein Unglücklicher, der mir verpflichtet und treu ergeben ist.«

      »Ein Mensch wie das böse Gewissen und die schleichende Sünde,« grollte Fries. »Ein Bube, der seine Tage mit Schlemmen und Temmen hinbringt, nichts kann als spielen und prassen –«

      »Oh, er ist auch ein kunstvoller Bildschnitzer auf seine Art!« rief der Meister.

      Lorenz Fries zuckte die Achseln: »Es wird ihm wenig Zeit übrig bleiben, seine Kunst zu üben. Und ist doch immer bei Geld. Höret, wir sehen ihm scharf auf die Finger; denn es liegt der Verdacht vor, daß er der heimliche Diener fremder Städte ist und anderes mehr.«

      Der Meister rückte seinen Stuhl. »Er ergötzt mein Geblüt durch Saitenspiel wie David die Seele des Saul,« sagte er abweisend. »Und es könnte ja sein, daß ich seiner Armut zuweilen ein wenig aufhelfe.«

      »David hat Saul betrogen, daß ihm die Augen tropften,« kam die Antwort zurück.

      »Bermeter betrügt seinen Wohltäter niemals,« lächelte Tilmann unter Tränen.

      Der Magister faltete die Hände auf der Tischplatte und sah bittend aus den alten Mann hinüber: »Arbeitet! Arbeit ist die beste Ergötzung der Seele.«

      Wehmütig schüttelte der Meister das Haupt: »Vordem war mein Gemüt voll von Bildern, und ich wähnte, mir sei gegeben, alles zu gestalten. Jetzt aber weiß ich, mein Werk ist getan.«

      Er rückte abermals seinen Stuhl, erhob sich und begann aus und ab zu schreiten. Stoßweise kam es heraus: »Siehe da einen, über den die Zeit hinübergegangen ist! Erbarmungslos hinübergegangen! Ich bin ein Mann der Vergangenheit, und mein Fluch ist, daß ich die Größe des Neuen erkenne von ganzem Gemüte und ebenso klar weiß, daß ich zu klein bin für das, was vor meinen Augen wiedererwachsen und auferstanden ist. Ich bin verstrickt und eingepreßt in die alten Formen, und nichts und niemand kann mir helfen. Wohl habe ich versucht, mich frei zu machen – Gott weiß, wie schmerzhaft das gewesen ist. Heute ist mir offenbar, daß ich mich nimmermehr befreien kann. Das Alte versinkt, und ich mit ihm.« Er hielt inne und warf einen feindseligen Blick auf den Gast: »Weiß zwar eigentlich nicht, warum ich Euch und gerade heute Euch das alles sage?«

      »Geht in den Dom,« rief der Magister unbeirrt, »und stellt Euch vor das Epitaphium des Bischofs Lorenz! Da habt Ihr das Neue gemeistert«.

      Tilmann zuckte zusammen: »Das Bild ist von meinen Händen – ganz richtig – und ist so beschaffen, wie alles andere von mir auch. Der Rahmen aber, das Neue, das Euch so gefällt, die Engel, die Früchte, die Säulen – ? sind Bermeters Kunst. Und also ist es gar nicht das Denkmal des Bischofs, sondern der Grabstein Tilmann Riemenschneiders. Was sagt Ihr dazu –?«

      Der Magister schwieg.

      Zornig wiederholte der Meister: »Der Totendeckel meiner Kunst!«

      »Ist immerhin die Frage, ob das Neue allzeit besser ist als das Alte, und ob dieses Alte immer restlos im Neuen untergehen muß, das doch aus ihm hervorgewachsen ist!« warf Lorenz Fries bedächtig ein.

      Tilmann СКАЧАТЬ