Deutsche Geschichte (Band 1-3). Ricarda Huch
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Название: Deutsche Geschichte (Band 1-3)

Автор: Ricarda Huch

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 4064066388348

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СКАЧАТЬ seinen Sinn berückt. Allerdings konnte er im Norden unabhängiger sein als ein vom Kaiser ernannter Bischof von Rom. Um die nordischen Angelegenheiten bekümmerten sich die Kaiser wenig: es war keine Unterstützung, aber auch keine Einmischung von ihnen zu erwarten. Hier war alles neu und fremd, Abenteuer, unbegrenzte Möglichkeit. Der Blick des jungen Mannes, der in den thüringischen Wäldern gefangen gewesen war, schweifte entzückt über das britannische und das baltische Meer, über nie gesehene Inseln bis dahin, wo in Dunkel und Grauen die Erde endet. Diese Länder waren zum Teil noch heidnisch, zum Teil noch nicht im Christentum befestigt; durch lebhafte Missionstätigkeit konnte die Kirche von Bremen hoffen, sie sich kirchlich unterzuordnen, war sie doch mit Hinblick auf diese Aufgabe gegründet, die nur durch unglückliche Umstände und durch die Nachlässigkeit mancher Bischöfe nicht erfüllt war. Es war ein ähnlicher Gedanke, wie im Südosten des Reiches Bischof Pilgrim von Passau ihn gehegt hatte.

      Aus eigener Anschauung hatte Adalbert keine Kenntnis der nordischen Länder; aber er sammelte so viel Nachrichten über sie wie möglich. Mit den Slawen, die Mecklenburg und Pommern bewohnten, gab es Beziehungen, denn an der Mündung der Oder lag Jumne, die reichste Handelsstadt der Welt, wo kostbare Erzeugnisse ferner Länder getauscht wurden. Es war bekannt, daß man von dort zu Lande nach Griechenland gelangen konnte, wenn auch dieser Weg wegen der unberechenbaren Sinnesart der anwohnenden Völker vermieden wurde. Weiterhin nach Osten warf das Meer den goldgelben Bernstein ans Ufer, mit dem die Frauen des Südens sich schmückten, und noch weiter oben lag das seltsame Land der Amazonen, von denen man sagte, daß sie durch ein Wasser, das dort fließe, schwanger würden, andere meinten durch vorüberreisende Kaufleute, die sie gefangennähmen und nach dem Gebrauch wieder verstießen. Sie erzeugten Mädchen von wunderbarer Schönheit und Söhne mit Hundeköpfen. Zur Zeit des Erzbischofs Alebrand, der vor Adalbert regierte, taten sich einige vornehme Friesen zusammen, um zu erkunden, ob es wahr sei, daß man von der Mündung der Weser aus immer nordwärts fahrend zum grenzenlosen Weltmeer komme. Nachdem sie sich eidlich miteinander verbunden hatten, fuhren sie ab, ruderten an Dänemark, Schottland und Island vorüber und gerieten plötzlich in den Nebel des weltendenden Meeres. Dort riß sie ein Strudel mit, der ihrer Meinung nach dadurch entstanden sei, daß dort alle Strömungen Ursprung und Ausmündung hätten, verschlang einige Schiffe und spie andere wieder aus. Sie kehrten nach Bremen zurück und erzählten dem Erzbischof ihre Erlebnisse. Bei Island, sagten sie, sei das Eis des Ozeans schwarz und so trocken vor Alter, daß es angezündet brenne. Sicherere Nachrichten gab es über die skandinavischen Länder. Nicht nur daß schon der heilige Ansgar am Mälarsee gewesen war, Adalbert stand in freundschaftlicher Beziehung zum schwedischen König Sven Esthritson, in dessen Gedächtnis die Geschichte der nordischen Völker wie in einem Buche geborgen war. Man kannte Fünen mit der großen Stadt Odense, Seeland mit Röskilde, dem dänischen Königssitz, Schonen mit Lund, die fruchtbarste dänische Landschaft, wo es schon 300 Kirchen gab. Schweden schilderte der König als ein ebenfalls an Vieh, Früchten und Honig reiches Land, dem auch viel Waren aus der Fremde zugeführt würden; herrlich sei der goldene Tempel von Uppsala, wo alle neun Jahre, zur Zeit der Frühlings-Tagundnachtgleiche alle schwedischen Völker zusammenkämen und ein Fest feierten. Norwegen dagegen sei rauh, ungeheuer kalt, unfruchtbar, arm. Das Volk lebe von Viehzucht, nur an Milch und Wolle sei es reich. Er erzählte von den schwarzen Füchsen und Hasen, weißen Mardern und Bären, die es oben im Norden gäbe, und von den Finnen, die auf Schneeschuhen die Ure, Büffel und Elche überflügelten, die sie jagten. Alle Nordleute, aber ganz besonders die Finnen, kannten noch die alten Zauber; so wußten sie durch gemurmelte Sprüche die Walfische in ihre Gewalt zu bringen. Je mehr man nach Norden kam, desto mehr war heidnische Zauberei im Schwange.

      Den Charakter der Nordleute stellte man an Adalberts Hofe nach allem, was man davon sah und hörte, sehr hoch. Sie besaßen die von den Deutschen so geschätzten Eigenschaften der Tapferkeit und des Stolzes; sie ließen sich lieber töten als züchtigen; von einem zum Tode Verurteilten erforderte der Anstand, unbekümmert fröhlich zu erscheinen. Sie verachteten Gold und Silber, Pelzwerk und feine Stoffe, und ihre Gastfreiheit war unbegrenzt. Es machte tiefen Eindruck, daß in manchen Gegenden Schwedens und Norwegens die vornehmsten Männer Viehhirten waren wie die Erzväter der Bibel, daß die Schweden noch keine Städte hatten und ihr Leben in Armut und heiliger Einfalt zubrachten. Sie waren so liebevoller Gesinnung, daß sie alles gemeinsam besaßen, und zwar nicht nur die Einheimischen untereinander, sondern die Fremden inbegriffen. Dies, sagte man, sei nicht eine Folge des Christentums, sondern ihre Natur sei christlich, ohne daß sie von Christi Lehre etwas wüßten. Die gebildeten Deutschen betrachteten die Nordleute gerührt wie etwa Tacitus die Germanen.

      Sowohl in Dänemark wie in Schweden gab es schon christliche Kirchen und Gläubige, überhaupt ließ sich das Volk dort oben gern von Christus und seinen Taten erzählen; aber die deutschen Christen waren es, so erfuhr man, die die Ausbreitung des Christentums erschwerten. Ihr Beispiel schreckte ab, da sie das, was sie lehrten, nicht durch ihr Leben verwirklichten. Besonders die Habgier, mit der sie Steuern auflegten, und die Härte der Einforderung derselben erregten Unwillen; beides wurde dem Herzog Bernhard von Sachsen vorgeworfen, der ohnehin Adalberts Feind war. Auch der Slawen Freigebigkeit und Gastfreiheit hob sich preiswürdig ab von der christlichen Habgier. Die Anerkennung schöner und edler Eigenschaften der Heiden führte nicht etwa zur Herabsetzung des Christentums, sondern zu dem verstärkten Wunsche, diese Heiden zu Christen zu machen, damit sie das einzige erwürben, was ihnen fehlte. Denn erst als Christen waren sie Glieder des Reiches, traten sie ein in den gotterfüllten Raum des Himmels und der Erde, des Lebens in der Ewigkeit. Es war ein Zauber, der die Menschen verklärte, auch wenn er ihr Inneres nicht verwandelte.

      In einem Punkte nur fand man die Nordleute zu tadeln, in der Maßlosigkeit nämlich, mit der sie sich sinnlichen Genüssen hingaben. Sie berauschten sich im Trunk und in der Liebe, und weder das Trinken noch die Frauen wollten sie sich nehmen lassen. König Sven wurde vom Volke wegen der großen Zahl seiner natürlichen Kinder König Vater genannt. Die Menge der Beziehungen hinderte nicht, daß sie einer einzelnen Frau mit beharrlicher Leidenschaft anhingen. Sven hatte nach dem Tode seines Vorgängers auf dem schwedischen Throne dessen Witwe Gunhild geheiratet, die nach der Ansicht der Kirche in einem verbotenen Grade mit ihm verwandt war. Da die dänischen Bischöfe ihn bei Adalbert deswegen anklagten und Adalbert, in diesem Punkte unerbittlich, ihm riet, sich von seiner Frau zu scheiden, weigerte er sich, mußte schließlich aber doch nachgeben. Adalbert hatte Mühe, den Erbitterten zu versöhnen. Die Frau, die er dann heiratete, wurde von seiner Geliebten vergiftet. Adalbert, der selbst, augenscheinlich mehr infolge natürlicher Veranlagung als aus Askese, keusch war, verachtete die, welche ihre sinnlichen Gelüste nicht beherrschen konnten. Davon abgesehen mochte er sich dem Ausschweifenden und Phantastischen der nordischen Menschen verwandt fühlen. Mönchische Dürre war ihm fremd; es war, als breche die verhaltene Sinnlichkeit mit doppeltem Überschwang aus seinem Geiste hervor. Er war ein Verschwender, der nur in der Fülle atmen konnte. Nach einem großen Brande baute er den Dom von Bremen nach dem Muster des Doms von Benevent fremdartig und über alle Gewohnheit prächtig. Er liebte das Alte Testament, wo der Herr sich in seiner Majestät offenbart. Obwohl er an guten Tagen ohne Geselligkeit nicht leben konnte, empfand er leicht Verachtung für die Menschen. Freigebigkeit, sagte er, sei ein Merkmal des Adels; das Überwiegen von Kleinlichkeit, Dummheit und Habgier an den Menschen erregte seinen Hohn. Seine Pläne waren Visionen, die auf die Wirklichkeit wenig Rücksicht nahmen; das galt besonders von seinem größten, seinem eigentlichen Plan, den geheimnisvollen, urgewaltigen Norden zu seiner Diözese zu machen. Eine Zeitlang schien es, als sollte dieser mächtige Traum, der dem deutschen Einfluß ein neues, ausgedehntes Gebiet eröffnete, Gestalt gewinnen, als der deutsche Bruno von Toul den Heiligen Stuhl innehatte. Seine Regierung war zu kurz, als daß ein so wenig vorbereitetes Unternehmen vom Papst hätte an Hand genommen werden können. Das nordische Patriarchat sollte nach Adalberts Meinung zwölf Bistümer umfassen, von denen noch keines vorhanden war. Die Bekehrung machte keine nennenswerten Fortschritte. Es gehörte zu Adalberts Plänen, daß er selbst den Norden bereisen und den Heiden predigen würde; aber als König Sven ihm riet, die Aufgabe einem Einheimischen zu überlassen, der der Sprache mächtig sei, ließ er sich leicht überreden. Als ein großer Träumer badete er seine Stirn in Ruhm, ohne daran zu denken, daß der vorgefühlte Glanz durch Arbeit und mühselige Tage in die Wirklichkeit geleitet werden müsse. СКАЧАТЬ