Für mich bist du ein Wunder. Andi Weiss
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Название: Für mich bist du ein Wunder

Автор: Andi Weiss

Издательство: Bookwire

Жанр: Афоризмы и цитаты

Серия:

isbn: 9783961224470

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СКАЧАТЬ „Lass mich los! Was soll das denn?“

      Doch ich kam nicht frei. Der Dicke hielt mich noch fester und rammte mir eine Faust in die Seite. Holger griff nach meinem Kinn. Mit der anderen Hand schwenkte er den Regenwurm.

      „Lecker, lecker, lecker! Wo du herkommst, ist es da nicht wie in China, wo man gerne Regenwürmer isst?“

      Ich war erschöpft. Die Hand, die mein Kinn hielt, war zu stark. Tränen liefen mir über die Wangen. Ich schloss die Augen und erwartete angewidert den Wurm.

      Plötzlich knallte etwas. „Au!“, heulte Holger neben Hannes auf. Eine Hagebutte hatte ihn am Kopf getroffen, Samenkerne und Saft klebten an seiner Stirn. Schon kam die nächste geflogen. Und noch eine. Vor Schreck lockerte der Dicke seinen Griff. Ich reagierte sofort. Ich warf ihn ab und stürzte mich auf ihn mit einer Hand voll Sand, die ich dem überraschten Typen ins Gesicht klatschte. Im selben Moment stürzte sich jemand auf Holger. Nach einem kurzen Handgemenge saß ich auf dem Dicken, der Unbekannte auf Holger. „Spinnt ihr eigentlich, oder was? Er hat euch doch gar nichts getan“, brüllte mein unerwarteter Retter jetzt und stieß Holger sein Knie so fest in die Seite, dass der aufstöhnte.

      „Haut bloß ab!“, knurrte er sauer und rutschte zur Seite. Ich ließ den Dicken ebenfalls frei, und die beiden rannten durch den kleinen Trampelpfad davon. Ich sah ihnen nach, dann sah ich meinen Retter an. Ein dunkelhaariger Junge, dessen Gesicht mit Sommersprossen übersät war, etwas älter als ich. Er grinste mich an.

      „Ich bin Martin“, sagte er und streckte mir seine Hand entgegen, „hab ich gerne gemacht, ich kann die beiden sowieso nicht leiden.“

      So begann unsere Freundschaft. Bald waren wir unzertrennlich. Wir übten Flugkopfbälle auf der Dorfwiese, machten Fahrradtouren. Im Sommer fischten wir Forellen in den kleinen Teichen rund ums Dorf, im Winter fuhren wir auf der Waldpiste unsere Schlitten kaputt. Wir rauchten heimlich gemeinsam die erste Zigarette. Wenn wir mal wieder etwas ausgefressen hatten, warnten unsere Eltern uns gegenseitig vor dem schlechten Umgang. Recht hatten beide.

      Eine Freundschaft in Nordfriesland mit einer gewissen Tom Sawyer Romantik. Nur, dass ich sie wirklich erlebt habe. Als junge Erwachsene trennten sich unsere Wege durch Ausbildung und Studium. Bei einem Wiedersehen nach Jahren merkten wir beide mit etwas Wehmut, dass der Zauber verflogen war. Alles hat seine Zeit. Unsere Leben passten nicht mehr zusammen. Martin war ein Einsiedler geworden, ich ein Großstadtmensch.

      In diesem Jahr werde ich 56. Fast ein halbes Jahrhundert ist seit dem Überfall in der Sandgrube vergangen. Wenn ich heute zurückblicke, merke ich, dass ich ihr eine Grunderfahrung verdanke: Da war ein Freund, der mich gerettet hat. Jemand, den ich zunächst nicht kannte, und der trotzdem für mich gekämpft hat. Einer, der sich auf die Seite des Schwachen und Unterlegenen gestellt hat. Ein Wunder, irgendwie.

      Und so ist es kein Wunder, dass sich diese Erfahrung sogar in meinem Glaubensleben spiegelt. Bei mir ging ab der Pubertät und als junger Erwachsener vieles schief, ich wurde suchtkrank. Dann fand ich zum Glauben. Ich erlebte, wie Jesus mich gegen die Übermacht von Alkohol und Spielhallen in Schutz nahm. Er hat mich rausgehauen und freigemacht. Jesus ist mein Freund geworden.

      Uwe Heimowski, Pastor, Jahrgang 1964, Gera

      Das Geschenk

      Liebe Anna,

      wir haben uns lange nicht gesehen. 38 Jahre ist es her – und ich frage mich, wie es dir seitdem ergangen ist.

      Weißt du noch, damals in der 1. und 2. Klasse, da waren wir Freundinnen. Wir, zwei schüchterne 7-Jährige, die gern Latzhosen trugen und im Unterricht miteinander flüsterten. Ich erinnere mich noch gut an deine roten Wangen, dein Lächeln, deinen inneren Frieden.

      Du wusstest es nicht, aber mein Leben damals war schwierig. Inneren Frieden kannte ich nicht. Ich wohnte bei meiner Mutter, aber ein richtiges Zuhause hatte ich nicht. „Sicherheit“ und „Geborgenheit“ waren Worte, die ich hörte, aber nicht verstand. Es war eine dunkle Zeit.

      Schon im Kindergarten hatte ich mich sehr auf die Schule gefreut. „Schule“ hieß für mich „groß werden“ – und das wollte ich! So einfach, wie ich es mir vorgestellt hatte, war es dann aber doch nicht. Die Tage vergingen auch in der Schule nicht schneller als zu Hause, das Lernen war anstrengend und alles war mir zu laut, zu schnell, zu viel.

      Umso mehr freute ich mich, dass du da warst. Wir verbrachten gern Zeit zusammen – und eines Tages hattest du Geburtstag. Viele deiner Freunde waren eingeladen, auch ich. Ich hatte schon gehört, was man sich so schenkte: Puppen mit Klappaugen, Rollschuhe mit richtigen Stiefeln dran und sogar kleine Kassettenrekorder! So teure Sachen! Ich staunte nicht schlecht.

      Über deine Einladung freute ich mich, aber ich hatte auch Angst. Würde meine Mutter überhaupt erlauben, dass ich komme? Und wenn nicht, wäre ich dann noch deine Freundin? Und was sollte ich dir schenken, ich hatte nicht viel! Von meiner Mutter bekam ich Taschengeld, 5 Mark im Monat. In dem Monat hatte ich aber nur noch 1,50 übrig … Was sollte ich nur machen?

      Nach der Schule schlich ich nach Hause. Meine Mutter saß in der Küche und las Zeitung. Meine Hände zitterten. Ich wollte dir so gern etwas schenken, etwas „richtiges“, wie die anderen Kinder! Ich holte tief Luft.

      „Ute?“ Ich räusperte mich. „Mama“ nennen durfte ich meine Mutter nicht. Sie seufzte und schaute hinter der Zeitung hervor. „Ich bin zum Geburtstag eingeladen, bei der Anna. Kannst du mir ein bisschen Geld geben, damit ich ihr was kaufen kann?“ Ich hielt den Atem an.

      Meine Mutter sah mich nicht an. „Dafür hast du doch Taschengeld!“

      „Ich… Ich hab nur noch 1,50…“, murmelte ich.

      „Dann hättest du halt was sparen müssen! Von mir kriegst du jedenfalls nix!“

      „Aber“, flehte ich, „die Mütter von den andern Kindern, die kaufen denen die Geschenke!“ Mein Bauch tat weh. „Bitte!“

      „Tja, ich bin aber nicht andere Mütter! Du hast dein Taschengeld, basta!“ Ihre Hand knallte auf den Tisch. Was sollte ich denn bloß für 1,50 Mark kaufen? Sollte ich Anna sagen, dass ich nicht kommen durfte? Jemanden um Geld bitten? Aber wen? Mir fiel niemand ein.

      Am Tag danach, zwei Tage vor deinem Geburtstag, ging ich in die Stadt. Ich lief an den Schaufenstern vorbei, die mit prall gefüllten Federmäppchen, Skateboards und Monchichis dekoriert waren. Als mir bewusst wurde, dass ich nichts davon würde kaufen können, ging ich nach Hause. Auf dem Weg kam ich an einem Krämerladen vorbei. Ich beschloss, mich darin umzusehen. Ich musste doch irgendwas Schönes für dich finden! Dann entdeckte ich sie: eine große Schachtel mit Aufklebern, ganz hinten in der Ecke. Je drei Blatt in Folie verpackt, Autos, Herzen, Tiere. „Da! Blumen! Rosa, gelbe und orange Blumen! Die gefallen Anna bestimmt!“ Ich griff zu. Nur 1,10! Sogar für ein Stück Geschenkpapier reichte mein Geld.

      Zu Hause packte ich die Aufkleber ein. Ich war erleichtert – zumindest würde ich nicht mit leeren Händen dastehen! Und doch machte sich Angst in mir breit. Was, wenn ihr mein Geschenk nicht gefällt? Oder wenn sich jemand darüber lustig macht? Es sind ja nur Aufkleber! Ich rieb mir den Bauch.

      Als ich am nächsten Tag vor deiner Tür stand, war ich nervös. Wann sollte ich dir mein Geschenk geben? Und wie? Ich klingelte. Als du die Tür öffnetest, brachte ich nicht mehr als „Hallo“ und „Alles Gute zum Geburtstag“ heraus. Die Aufkleber hielt ich hinter meinem Rücken versteckt.

      Nach und nach trudelten die Gäste ein. Dann СКАЧАТЬ