Für mich bist du ein Wunder. Andi Weiss
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Название: Für mich bist du ein Wunder

Автор: Andi Weiss

Издательство: Bookwire

Жанр: Афоризмы и цитаты

Серия:

isbn: 9783961224470

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СКАЧАТЬ und bröckelnden DDR. Ein Treuewunder, ein Solidaritätswunder, ein Mutwunder:

      Immerhin hatten am 4. Juni 1989 die regierenden Kommunisten in Peking rund 3.000 Demonstranten mit Panzern niedergewalzt, und es war nicht ausgeschlossen, dass die SED-Chefs in Berlin dasselbe tun würden.

      Dann fiel die Mauer. Dann fiel die Ostmark. Dann fiel die Treuhand ein und über alles her. Dann fielen die Masken. Und in vielen Kirchen fiel vieles aus. Opfer und Mittäter waren schwer zu trennen, Wendeverlierer und Wendegewinner gab es in denselben Familien.

      Mir fielen die Vorurteile auf: Einst hochwillkommene Weihnachtsmänner aus dem Schlaraffenland waren jetzt beargwöhnte Raubritter aus dem Heuschreckenland. Einst geachtete Widerständler gegen die SED waren jetzt die ersten Übersiedler mit Reihenhaushälfte in Westfalen. Manche Friedensbeter und Kerzen-Demonstranten von 1989 richteten sich in heimlichem Selbstmitleid ein. Oder richteten ihre Enttäuschung gegen alle Wessis, die ja keine Ahnung hatten und nicht mitreden konnten und besser zu Hause geblieben wären und überhaupt…!

      Im dritten Stock klingeln musste ich nicht mehr: Die Mansarde war nach Grundsanierung durch einen Investor unbezahlbar geworden für unsere Freunde. Die Stasi-Frau parterre war Sachbearbeiterin in einem Berliner Bezirksamt geworden, war also quasi in ihrer Branche geblieben. Die Junge Gemeinde gab es mangels junger Leute nicht mehr.

      Das Wunder? Es begegnete mir in jenen DDR-Christen, die sich gerade nach dem Wendewunder der Herzensverhärtung widersetzten. Für sie, für etliche unserer Freunde „drüben“, fiel mir zehn Jahre nach dem Mauerfall ein Text ein. Johannes Nitsch hatte ihn vertont und Christine Rösch, Diakoniepfarrerin in Radebeul bei Dresden, gesungen:

      Wir mussten uns so oft verweigern,

      zunächst und allererst dem Neid.

      Man wusste uns den Frust zu steigern

      und auch die Minderwertigkeit.

      Und jeden Tag „was willste machen“

      und jedes Jahr „so ist’s nun mal.“

      Da klang es bitter, unser Lachen.

      Die alten Witze klangen schal.

      Sich der Erwartung nicht zu beugen,

      stets arm und dankbar dazusteh’n,

      vorm großen Mann den Kopf zu neigen

      und dabei auch noch aufrecht gehn

      war meistens schwierig, manchmal quälend.

      Ein Hin und Her aus Stolz und Gier.

      Das strengte an. Man fühlt sich elend.

      Daran lief manche Freundschaft leer.

      Wir mussten uns oft widersetzen

      den Lügen und der Kumpanei

      und jenen Ängsten, die uns hetzten:

      Die große Chance sei vorbei.

      Als nichts mehr ging und viele gingen,

      gab Gott uns Kraft, nach Haus zu fahr’n

      und nicht den Abgesang zu singen,

      nein, auch die Hoffnung zu bewahr’n.

      Wir weigerten uns auch zu glauben,

      das Leben werde dadurch gut,

      dass man sie schnappt, die sauren Trauben

      und falschen Hasen aus dem Hut.

      Dem faulen Zauber sich zu sperren,

      dass nur wer hat, auch etwas ist –

      fällt schwer unter den neuen Herren,

      seit Habgier eine Tugend ist.

      Lasst Euch die Herzen nicht verhärten

      zur Zeit der Überheblichkeit.

      Was wertvoll war, wird Gott bewerten

      mit Gnade und Barmherzigkeit.

      Dass Euch die Seele nicht verkrustet,

      schafft Christus selbst, der in Euch wohnt,

      von dem Ihr ahntet oder wusstet,

      dass jeder Tag mit ihm sich lohnt.

      Andreas Malessa, Theologe, Hörfunkjournalist, Buchautor, Jahrgang 1955, Hochdorf bei Stuttgart, www.andreas-malessa.de

      Wenn ich das gewusst hätte …

      Wenn ein Kind geboren wird, sich entwickelt und all das Gute und Schöne, das Gott in diesem neuen Menschen angelegt hat, zum Vorschein kommt, ist das immer ein Wunder – ein wunderbares Wunder geradezu. Erst recht, wenn direkt nach der Geburt festgestellt wird, dass der frische Erdenbewohner mit diversen Fehlbildungen zur Welt gekommen ist und sein Überleben und Entwickeln alles andere als sicher ist. So haben wir es bei der Geburt von Sohn 02 erlebt.

      Seitdem spreche ich mit vielen Menschen über die schwierige, für uns emotional kaum fassbare Situation rund um Sohn 02. Es ist unfassbar, wie viele Menschen an uns denken, für uns beten, uns unterstützen und in aller eigenen Hilflosigkeit trotzdem signalisieren wollen: Ihr seid nicht allein. Das tut unglaublich gut. Vor Kurzem sagte in einem solchen Gespräch jemand zu mir: „Wenn ich vor der Geburt meines Kindes gewusst hätte, dass es so krank sein würde und was das dann konkret für Folgen hätte, dann hätte ich, glaube ich, lieber kein Kind bekommen.“ Da musste ich kurz drüber nachdenken …

      Wenn ich vorher gewusst hätte, wie chronisch krank und dadurch behindert Sohn 02 werden würde … Wenn ich gewusst hätte, wie viel Mist, Schmerzen, Zwang und Angst er erleben und durchleiden muss … Wenn ich gewusst hätte, wie körperlich weh es einem tun kann, wenn das eigene Kind völlig unschuldig und unverdient leidet … Wenn ich vorher gewusst hätte, wie sehr das unser aller Leben bestimmen und prägen wird … Wenn ich gewusst hätte, was das alles kostet an Zeit, Kraft, Geld, wie groß der Strauß von Stilblüten deutscher Bürokratie werden wird, den wir quasi nebenbei so ansammeln … Wenn ich gewusst hätte, wie überfordernd das für jeden Einzelnen meiner Familie werden würde, ebenso wie für uns zusammen … Wenn ich gewusst hätte, dass Ärzte auch nur Menschen sind, Menschen, die ich in einem Moment bewundere und liebe, weil sie meinem Kind helfen, und Menschen, auf die ich manchmal Sekunden später zutiefst wütend bin wegen ihrer Kommunikationsunfähigkeit und ihren Beschränkungen in Diagnose und Therapie … Wenn ich gewusst hätte, dass meine Kraft, meine emotionale Belastbarkeit, mein Vertrauen in Gott, meine Ehe, mein Bild von mir als Vater, Ehemann, Glaubender und Mensch so stark gefordert werden würden, wie noch nie – oft über die Grenzen des bisher Vorstellbaren, manchmal über die Grenzen des eigentlich Möglichen hinaus …

      Wenn ich vorher gewusst hätte, dass wir völlig unvorbereitet, im Nebel nach einem sicheren Grund stochernd, Entscheidungen treffen sollen, eigentlich müssen, uns dagegen sträuben und irgendwie doch auch wollen, die über Leben und Tod befinden … Wenn ich vorher gewusst hätte, dass ich irgendwann СКАЧАТЬ