Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke
Автор: Guy de Maupassant
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
isbn: 9783962817695
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Als wir unter den Bäumen des Parks waren, ergriff mich ein leichter Schauder und ein Duft von gefallenen Blättern wallte auf. Mein Gatte sagte nichts, aber horchte, spähte und witterte im Dunkeln; er schien vom Kopf bis zu Füßen von der Jagdpassion erfasst.
Bald kamen wir an den Rand der Teiche. Unbeweglich stand das Schilf; kein Hauch regte sich darin. Nur über den Wasserspiegel lief ein leiser, kaum wahrnehmbarer Schauer. Bisweilen bewegte sich auch etwas auf der Oberfläche, und erregte leichte Wasserringe wie leuchtende Runzeln, die ins Weite zerflossen.
Als wir die Hütte erreicht hatten, die uns zum Hinterhalt dienen sollte, ließ mein Mann mir den Vortritt und lud dann langsam sein Gewehr. Das trockene Knacken seiner Hähne verursachte mir einen eigentümlichen Eindruck. Er sah mich zusammenfahren und fragte: »Sollte diese Probe dir genügen, dann sprich.« Sehr überrascht antwortete ich: »Keineswegs. Ich bin nicht hierhergekommen, um wieder umzukehren. Bist du sonderbar heute Abend!« – »Wie du willst,« murmelte er.
So blieben wir, ohne uns zu rühren.
Ungefähr eine halbe Stunde verging, ohne dass etwas die lastende, klare Stille dieser Herbstnacht störte. Da fragte ich meinen Mann ganz leise: »Bist du auch sicher, dass er hier vorbeikommt?«
Hervé zuckte zusammen, als ob ich ihn gebissen hätte, und hielt den Mund an mein Ohr. »Ich bin sicher, verlass dich drauf!«
Wieder Schweigen.
Ich glaube, ich begann einzuschlafen, als mein Mann mich plötzlich am Arme zerrte und mit scharfer, veränderter Stimme zischte: »Da – siehst du ihn? Da unten, unter den Bäumen?« Ich blickte hin, erkannte aber nichts. Hervé legte langsam an, indem er mich fest im Auge behielt. Ich selbst hielt mich schussbereit, und plötzlich, keine dreißig Schritt vor uns, tauchte ein Mensch im vollen Mondlicht auf; er ging mit raschen Schritten, vornübergebeugt, als ob er flöhe, und eilte an uns vorüber.
Ich war dermaßen entsetzt, dass ich einen furchtbaren Schrei tat. Aber ehe ich mich umwenden konnte, flammte es vor meinen Augen auf, ein betäubendes Krachen folgte, und der Mann rollte am Boden, wie ein Wolf, der eine Kugel bekommen hat.
Ich stieß ein schrilles, entsetztes, wahnsinniges Geschrei aus. Eine wütende Hand, Hervés Hand, packte mich an der Gurgel. Ich wurde zu Boden geworfen und von starken Armen hochgehoben. Er lief, während er mich hoch in der Luft hielt, auf den ins Gras gestreckten Körper zu und warf mich gewaltsam darauf, als ob er mir den Kopf zerbrechen wollte.
Ich hielt mich für verloren; er wollte mich töten. Schon setzte er den Hacken auf meine Stirn, – als er selber umschlungen und niedergeworfen wurde, ohne dass ich noch begriff, was geschah.
Ich fuhr jäh auf und sah Paquita, meine Zofe, auf ihm knien. Sie hatte sich festgekrallt wie eine wütende Katze, und riss ihm in rasender Wut den Bart und die Haut vom Gesichte.
Dann schnellte sie, wie von einem anderen Gedanken ergriffen, wieder empor, warf sich über den Leichnam, umschlang ihn mit beiden Armen, küsste ihn auf die Augen, auf den Mund, schob seine Lippen mit den ihren auseinander und suchte einen letzten Lebenshauch, eine innige Liebkosung in des Toten Munde.
Mein Mann war aufgesprungen und blickte starr zu. Er begriff und fiel mir zu Füßen. »Verzeihung, meine Teuerste!« flehte er. »Ich hatte dich im Verdacht und ich habe den Geliebten dieses Mädchens getötet. Mein Wächter hat mich betrogen.«
Ich schaute den seltsamen Küssen dieses Toten und dieser Lebenden zu und hörte ihr Schluchzen und die Ausbrüche ihrer verzweifelten Liebe.
Und von Stund’ an begriff ich, dass ich meinem Manne untreu sein würde.
*
Mondschein
Frau Julie Roubère erwartete ihre ältere Schwester, Frau Henriette Létoré, die von einer Schweizer Reise zurückkehrte.
Létorés waren seit etwa fünf Wochen verreist, und Frau Henriette hatte ihren Gatten allein nach seiner Besitzung bei Calvados zurückkehren lassen, wo er geschäftlich zu tun hatte, um selbst auf ein paar Tage nach Paris zu gehen und ihre Schwester zu besuchen.
Es war schon Abend. In dem kleinen bürgerlichen Wohnzimmer war es bereits recht dämmerig. Frau Roubère saß am Fenster und las zerstreut, um bei jedem Geräusche den Kopf zu heben.
Endlich klingelte es und ihre Schwester erschien in ihren wallenden Reisekleidern. Sie flogen sich gleich in die Arme, noch ehe sie sich wiedererkannt hatten, und hielten mit Küssen nur inne, um gleich wieder anzufangen.
Dann sprachen sie und befragten sich über ihr Befinden, ihre Familie und tausend andere Dinge; sie schwatzten hastig, mit eiligen, abgerissenen Worten und sprangen vom einen zum anderen über, während Henriette ihren Schleier und Hut ablegte.
Die Nacht brach herein. Frau Roubère schellte nach der Lampe, und als sie gebracht war, blickte sie ihre Schwester aufmerksam an und wollte sie von Neuem umarmen. Aber plötzlich hielt sie betroffen, starr und sprachlos inne: auf den Schläfen ihrer Schwester schlängelten sich zwei große weiße Locken. Ihr übriges Haar war kohlschwarz und von tiefem Glanze, aber da – nur da – an den beiden Seiten zogen sich zwei Silberflechten hin, die sich alsbald in der dunkelen Masse verloren. Und sie war doch kaum vierundzwanzig Jahre alt, und dies war vor ihrer Schweizer Reise auch nicht gewesen. Frau Roubère starrte sie unverwandt an; die Tränen waren ihr nahe, als ob irgend ein geheimnisvolles, furchtbares Unglück über ihre Schwester hereingebrochen wäre.
– Was hast du, Henriette? fragte sie.
– Nichts, antwortete die Gefragte mit traurigem, krankem Lächeln. Ich versichere dir, nichts. Du blickst so auf meine weißen Haare?
Frau Roubère fasste sie ungestüm an der Schulter und blickte sie forschend an.
– Was hast du? wiederholte sie. Wenn du die Unwahrheit sagst – ich merk’ es sogleich.
Sie standen sich Aug’ in Auge gegenüber. Frau Henriette war blass geworden, als СКАЧАТЬ