Guy de Maupassant – Gesammelte Werke. Guy de Maupassant
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Название: Guy de Maupassant – Gesammelte Werke

Автор: Guy de Maupassant

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier

isbn: 9783962817695

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СКАЧАТЬ die­ses Lan­des soll­te den Mord be­gan­gen ha­ben, und San­ta Lu­cia blieb al­lein mit sei­ner Schwes­ter zu­rück. Er war ein schwa­cher, furcht­sa­mer Kna­be, klein, oft­mals krank und ohne ir­gend­wel­che Wil­lens­kraft. Dem Mör­der sei­nes Va­ters schwur er kei­ne Ven­det­ta. Alle sei­ne Ver­wand­ten ka­men zu ihm und be­schwo­ren ihm hoch und hei­lig, sich zu rä­chen; aber er blieb taub ge­gen ihr Fle­hen und selbst ge­gen ihre Dro­hun­gen.

      Da nahm ihm sei­ne Schwes­ter nach al­tem kor­si­schen Brau­che ent­rüs­tet sei­ne schwar­zen Klei­der fort, da­mit er nicht um einen To­ten trau­er­te, der un­ge­rächt ge­blie­ben. Aber selbst da­ge­gen blieb er un­emp­find­lich, und an­statt die noch ge­la­de­ne Flin­te sei­nes Va­ters her­un­ter zu neh­men, schloss er sich ein und zeig­te sich nir­gends mehr, denn er wag­te den ver­ächt­li­chen Bli­cken sei­ner Al­ters­ge­nos­sen nicht Trotz zu bie­ten.

      So ver­gin­gen Mon­de. Es schi­en, als hät­te er die Un­tat ganz ver­ges­sen und leb­te mit sei­ner Schwes­ter in der Tie­fe ih­rer ge­mein­sa­men Be­hau­sung.

      Ei­nes Ta­ges nun hei­ra­te­te der, den man des Mor­des be­zich­tig­te. San­ta Lu­cia schi­en die­se Nach­richt nicht zu rüh­ren, und der Bräu­ti­gam ging auf dem Wege zur Kir­che, wie um ihn her­aus­zu­for­dern, an dem Hau­se der bei­den Wai­sen vor­bei. Bru­der und Schwes­ter sa­ßen ge­ra­de am Fens­ter und aßen Ge­ba­cke­nes, als der Bur­sche den Braut­zug er­blick­te, der vor sei­ner Woh­nung vor­bei­zog. Plötz­lich über­kam ihn ein Zit­tern; er stand auf, ohne ein Wort zu sa­gen, be­kreu­zig­te sich, lang­te die Flin­te von der Herd­wand her­un­ter und ging her­aus.

      Wenn er spä­ter hier­auf zu spre­chen kam, pfleg­te er zu sa­gen: »Ich weiß nicht, was mir war, aber ich hat­te es im Blu­te; ich fühl­te, es muss­te so sein, ich könn­te doch nicht wi­der­ste­hen, und dar­um ging ich und ver­steck­te die Flin­te im Rohr an der Stra­ße nach Cor­te.«

      Eine Stun­de dar­auf kehr­te er mit lee­ren Hän­den und sei­ner all­täg­li­chen Mie­ne zu­rück. Sei­ne Schwes­ter glaub­te, dass er an nichts mehr däch­te. Aber des Nachts ver­schwand er.

      Sein Feind muss­te noch in der­sel­ben Nacht mit sei­nen bei­den Hoch­zeits­bit­tern zu Fuße nach Cor­te ge­hen. Sie schrit­ten sin­gend auf der Stra­ße ein­her, als plötz­lich San­ta Lu­cia vor ih­nen auf­tauch­te und den Mör­der an­blitz­te. »Jetzt ist’s Zeit!« schrie er und jag­te ihm einen wohl­ge­ziel­ten Schuss durch die Brust.

      Ei­ner der Hoch­zeits­bit­ter lief da­von, der an­de­re blick­te ihn an und frag­te: »Was hast du da ge­tan, San­ta Lu­cia?«

      Da­mit woll­te er nach Cor­te lau­fen und Hil­fe ho­len. Aber San­ta Lu­cia wet­ter­te ihn an: »Steh oder ich schie­ße dir dein Bein ent­zwei!« Der an­de­re, der sei­ne bis­he­ri­ge Furcht­sam­keit kann­te, er­wi­der­te ge­ring­schät­zig: »Das wagst du ja doch nicht!« und ging. Aber da krach­te schon der Schuss und er brach zu­sam­men; die Ku­gel hat­te ein Bein zer­schmet­tert.

      San­ta Lu­cia kam nä­her. »Ich will dei­ne Wun­de be­se­hen«, sag­te er. »Ist sie nicht schwer, so wer­de ich dich hier lie­gen las­sen; ist sie töt­lich, so wer­de ich dir den Rest ge­ben.«

      Da­mit un­ter­such­te er die Wun­de, und da er sie für töt­lich be­fand, lud er sein Ge­wehr noch ein­mal, for­der­te den Ver­wun­de­ten auf, sein Pa­ter­no­s­ter zu be­ten, und schoss ihm dann durch den Schä­del. Am nächs­ten Mor­gen war er in den Ber­gen.

      Und wis­sen Sie, was er da ge­tan hat, die­ser San­ta Lu­cia?

      Sei­ne gan­ze Fa­mi­lie wur­de von Gen­darmen fest­ge­nom­men. Selbst sein On­kel, der Pfar­rer, den man als An­stif­ter des Mor­des im Ver­dacht hat­te, wur­de ins Ge­fäng­nis ge­wor­fen und von den Ver­wand­ten des Er­schos­se­nen an­ge­klagt. Es ge­lang ihm in­des­sen, zu ent­flie­hen; er griff gleich­falls zur Flin­te und tat sich mit sei­nem Nef­fen zu­sam­men.

      Lu­cia tö­te­te nun nach­ein­an­der die An­klä­ger sei­nes Oheims und riss ih­nen die Au­gen aus, um den an­de­ren die Leh­re zu ge­ben, dass sie nichts be­haup­ten soll­ten, was sie nicht mit ei­ge­nen Au­gen ge­se­hen hät­ten.

      Er tö­te­te alle Ver­wand­ten und den gan­zen An­hang der feind­li­chen Fa­mi­lie. Er brach­te in sei­nem Le­ben vier­zehn Gen­darmen um, zün­de­te die Häu­ser sei­ner Wi­der­sa­cher an und war bis zu sei­nem Tode der ge­fürch­te­tes­te Räu­ber, des­sen man sich ent­sin­nen kann. – – –

      Die Son­ne ver­schwand hin­ter dem Mon­te Cin­to, und die mäch­ti­gen Schat­ten des Gra­nit­stockes leg­ten sich auf den Gra­nit des Ta­les. Wir be­schleu­nig­ten un­sern Schritt, um noch vor An­bruch der Nacht nach dem klei­nen Dor­fe Al­ber­tac­ce zu kom­men, das wie ein großer Stein­klum­pen an den Rän­dern der wil­den Schlucht kleb­te. Und ich sag­te im Ge­dan­ken an den Ban­di­ten:

      – Was für eine schreck­li­che Sit­te ist doch Eure Ven­det­ta!

      – Was wol­len Sie? ent­geg­ne­te mein Beglei­ter. Man tut nur sei­ne Pf­licht!

      *

      Sie war ru­hig ge­stor­ben, ohne To­des­kampf, wie ein Weib, das ein un­sträf­li­ches Le­ben hin­ter sich hat, und nun lag sie mit ge­schlos­se­nen Au­gen und fried­li­chen Zü­gen auf ih­rem Bet­te, als ob sie schlie­fe; ihr lan­ges wei­ßes Haar war sorg­fäl­tig fri­siert, als ob sie es erst zehn Mi­nu­ten vor ih­rem Tode ge­ord­net hät­te. Ihr mar­mor­nes To­ten­ant­litz drück­te sol­che Samm­lung und Ruhe, eine sol­che Er­ge­bung aus, dass man sich wohl vor­stel­len konn­te, wel­che schö­ne See­le in die­sem Kör­per ge­wohnt, wel­ches sturm­lo­se Le­ben die­se hei­te­re Grei­sin ge­führt, wel­ches fried­li­che Ende ohne Qua­len und Ge­wis­sens­bis­se die­se un­sträf­li­che Frau ge­fun­den hat­te.

      An ih­rem Bet­te knie­ten in ver­zwei­fel­tem Schluch­zen ihr Sohn, ein Be­am­ter von un­beug­sa­men Grund­sät­zen, und ihre Toch­ter Mar­gue­ri­te, die als Non­ne Schwes­ter Eu­la­lia hieß. Sie hat­te sie in stren­ger Moral er­zo­gen, im Glau­ben ohne Wan­kel­mut un­ter­wie­sen und mit un­wan­del­ba­rem Pf­licht­ge­fühl be­seelt. Der Sohn war Be­am­ter ge­wor­den; er hielt das Ge­setz hoch und schlug die Läs­si­gen und Saum­se­li­gen mit un­er­bitt­li­cher Stren­ge. Und die Toch­ter war im Dran­ge der Tu­gend, mit der sie die­ses from­me Haus er­füllt hat­te, und weil sie die Men­schen ver­schmäh­te, Got­tes Braut ge­wor­den.

      Ihren Va­ter hat­ten sie nicht ge­kannt; sie wuss­ten nur, dass er ihre Mut­ter un­glück­lich ge­macht hat­te; Ein­zel­hei­ten hat­ten sie nie er­fah­ren.

      Die Non­ne drück­te in ir­rem Schmerz einen Kuss auf die her­ab­hän­gen­de El­fen­bein­hand der To­ten, eine wah­re Chris­tus­hand. Die an­de­re Hand, die auf der an­de­ren Sei­te des hin­ge­streck­ten Kör­pers ruh­te, hat­te sich noch vom To­des­kampf her mit ir­ren­dem Tas­ten in das Bett­tuch ge­krampft, und das Lei­nen lag noch in klei­nen wei­ßen, wel­li­gen Fal­ten, wie in Erin­ne­rung СКАЧАТЬ