Leichter Atem. Iwan Bunin
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Название: Leichter Atem

Автор: Iwan Bunin

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783038209737

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СКАЧАТЬ und in der Höhle einen Stoß glimmender Kohle. Aber es ist keine Kohle, es ist altes Münzgold. Der Eingang zur Höhle ist schmal, hat eine steinerne Schwelle. An der Wand zur Linken ein steinerner Rauchfang, an der Wand zur Rechten ein steinernes Lager. Oberhalb davon Nischen: Darin standen einst die heiligen Ikonen. Über jeder Nische ist eine schwarze, eiserne Halterung in den Fels geschlagen: In diesen Halterungen glommen die Öllämpchen vor den Ikonen. Das verwunschene Gold ist auf dem Boden in der Mitte gehäuft: Nicht alles konnte er mehr verteilen, der Gotse, der Recke, der in dieser uralten Zelle lebte, die vor ihm einem Eremiten Obdach gewesen war, einem Gottesmann. Das treue Roß war am Flußufer entlanggetrottet, unterhalb der Felsen. Den Gotsen selbst – möge seine sündige Seele dem Herrn gefallen! – trugen Adler auf breiten Schwingen zur Rast in die Höhle.

      Dieser Gotse war kein Talgar, kein Räuber: Er brach den Pharaonen-Pferdedieben6 die Beine, beraubte allein die Reichen, behielt von der Beute nur den hundertsten Teil und verteilte das Übrige an die Besitzlosen, er tötete nur, um sich zu verteidigen, und mittwochs und freitags fastete er. Weißt du, welche Tracht er trug? Die gleiche, wie jeder Hirte sie trägt: Leder an den Füßen, Pluderhosen und ein Hemd aus Leinen, im Gürtel ein Messer, Pistolen und einen Flachmann – eine Feldflasche, vornehm ausgedrückt –, auf dem Kopf eine Schaffellmütze, um die Schultern einen weiten Umhang aus Schafwolle, auf dem Rücken einen kurzläufigen Karabiner. Er selbst war stattlich wie eine Pappel und kräftig wie eine Eiche, stark wie ein Wolf, furchtlos wie eine Kugel, listig wie eine Schlange, schnell wie die Gedanken, feurig wie die Liebe, treu wie das Schicksal, gegenüber den Armen großzügig und sanft, gegenüber den Mächtigen unerbittlich; kräftig und abfallend waren seine Schultern, breit die behaarte Brust, schmal die Taille, der Schnurrbart rotbraun und lang, das Gesicht wie Gold und Bronze, die Augen klares Feuer.

      Im zehnten Jahr seiner Heldentaten ging der Gotse in der Heiligen Osternacht zum Gebet in Gottes Kirche.

      Er hatte fünfzehn Griechen getötet – du kennst sie doch: Gibt man zehn Türken, zehn ungetaufte Juden und zehn räudige Hunde in die Kelterei, fließt das Blut eines Griechen; er hatte dreißig Serdare ausgeraubt – waren sie doch reicher als der Fürst selbst und hatten den Armen Kreuz und Hemd als Zins abgenommen; er hatte im Wald einen türkischen Polizeichef abgefangen und ihn mit einem Pferdehufeisen beschlagen; er hatte einhundertzwanzig Lieder komponiert, vierzig Faß bessarabischen Wein getrunken, in Schenken und auf Hochzeiten getanzt; er besaß ein rotbraunes Pferd, schnell wie der Wind, schlau wie ein Fuchs, das nie lahmte, nie schwitzte, obwohl es klein von Wuchs war und nervös tänzelte – wann also hätte der Gotse in die Kirche gehen sollen? Neun Jahre lang war er nicht in der Kirche gewesen, obgleich er nicht weniger an Gott gedacht hatte als du und ich; im zehnten Jahr machte er sich auf und tat den feierlichen Schwur, in dieser Nacht – was auch geschehen möge – niemandem Böses zu tun, und sei es der Teufel selbst.

      Er ließ das Pferd auf dem Feld zurück, warf die Zügel über den Sattelbogen und ging durch das Dorf. Er ging und sah überall Licht in den Hütten, gedeckte Tische und geweißte Öfen. In einer Kate aber, der ältesten, ärmlichsten von allen, waren die Fenster dunkel – offenbar reichte es dort nicht einmal für ein Licht, geschweige denn für einen Osterkuchen. Dem Gotsen war traurig zumute – war er doch in genau so einer armen Kate aufgewachsen –, und mit bedrücktem Herzen betrat er die Kirche. Sein Herz spürte, daß ihm die Welt nicht einmal in der Osternacht Ruhe lassen würde – und so geschah es auch, nach Gottes Willen. In der Kirche war es voll und eng, alle hielten brennende Kerzen in der Hand, auf allen Gesichtern lag Freude. Der Gotse stand abseits im Schatten – er überragte alle anderen –, verrichtete voller Inbrunst sein Gebet und blickte um sich: Neben ihm stand ein Kind, ausgemergelt, in Lumpen gehüllt, und hielt die Hand seiner Mutter, einer blassen, ärmlich gekleideten, aber hübschen jungen Frau mit großen Augen. Der Gotse beugte sich zu ihr und fragte sie leise: »Frau, wer bist du, warum bist du so blaß und teilnahmslos?« Die Frau warf dem Gotsen einen scheuen Blick zu, schlug die Augen nieder und gab keine Antwort. Erneut sprach der Gotse sie an und fragte, dieses Mal noch leiser: »Gehört nicht dir die Kate an der Schlucht, ist es nicht deine Kate, in der das Fenster dunkel ist?« Doch wieder antwortete seine Nachbarin nicht, sie wandte sich nur ab und bekreuzigte sich vor den Ikonen. Der Gotse hörte nicht mehr, was auf dem Ambo über Christi Auferstehung gesungen und gelesen wurde. »Das Kreuz und die Gottesmutter mögen mich strafen«, dachte er wehmütig. »Ich habe mir fest gelobt, diese Nacht niemandem Böses zu tun, aber mein Menschenherz duldet es nicht!« Und ohne das Gebet zu beenden, verließ er schnellen Schrittes die Kirche. Weit hinter der Schlucht, jenseits der Teiche, stand leuchtend wie eine Laterne das prächtige Herrenhaus auf dem Gutshof. Wie der Gutsherr stieg der Gotse die Freitreppe hinauf, verscheuchte die Hunde mit der Peitsche, und wie der Gutsherr betrat er die hellen, herrschaftlichen Gemächer, und was weiter geschah, kannst du dir denken.

      In jener Osternacht konnte die blasse Moldauerin, die in der Kirche kein Wort zu dem Gotsen gesagt hatte, sich lange nicht entschließen, ihre Kate zu betreten: Auf dem Heimweg ging sie mehrmals daran vorüber, da ihr schien, das sei nicht ihr Haus – so hell erleuchtet waren ihre Fenster von den herrschaftlichen Kerzen, so reich gedeckt war der Tisch mit dem herrschaftlichen Mahl. An diesem Tisch saß der hochgewachsene, mächtige Recke und hielt ihr schwaches, kleines Kind in seinen starken Armen. In dieser Osternacht wurde die moldauische Witwe die Geliebte des Gotsen, seine Liebste, seine Gefährtin. Drei Jahre lang liebte sie den Gotsen innig und treu. Im vierten Jahr aber – wenig Verstand und Ehre steckt in den Menschen! – bestach sie der Wamisch, der Kreispolizeichef, woraufhin sie, die Verräterin, den Gotsen preisgab. Tschauschen7, Panduren8 und Armaschen9 umstellten ihr Haus, als der Gotse nach einer langen Reise ruhte, und wollten ihn lebendig ergreifen. Er erwachte, packte die Pistolen, stieß mit dem Fuß die Tür der Kate aus den Angeln, sprach sein Geheimwort, ließ Nebel auf seine Feinde herabsinken, pfiff nach seinem Pferd Rojbu – das vom Futterkasten her freudig heranpreschte –, sprang in den Sattel, schnalzte mit der Zunge und flog davon schneller als ein Gedanke, die Zügel zwischen den Zähnen haltend und mit den Pistolen nach hinten feuernd. Doch die Feinde ließen nicht von ihm ab. Schwimmend durchquerte das Pferd einen Fluß, durchquerte einen zweiten, durchquerte einen dritten Fluß, und schon waren die Wälder, waren die Kodry10 nah, wo der Gotse sich verbergen wollte. Ein Arwanit, ein Häscher – die Erde soll ihn verschlucken! –, hatte den Karabiner nicht mit Kugeln geladen (den Gotsen trifft keine Kugel), sondern mit Silbermünzen, und er durchschoß dem Gotsen den Rücken und seinem Pferd das Bein. Das Pferd strauchelte, der Gotse fiel zu Boden – und sofort fesselte man ihn, trat mit Absätzen auf seinen Scheitel, daß er barst, und brachte ihn in Ketten auf einem Fuhrwerk nach Jassy11 … Gute Christenmenschen, auch das geschah an einem Ostertag!

      Da ziehen hellblaue Ochsen den mit Eisenblech beschlagenen Wagen einen hohen Berg hinan. Auf dem Fuhrwerk liegt der Recke mit einer blutigen Wunde, neben ihm geht die majkuliza, die alte Mutter des Gotsen, tupft das Blut von seiner Wunde und fleht die krummgehörnten Ochsen an: »Sachte, sachte, ich bitte euch unter Tränen, schüttelt den Wagen nicht so, darin liegt mein Sohn im Sterben!« Und wie Wasser so sanft und sachte wiegt sich der Wagen, und der Recke sagt: »Geh fort, meine Liebe, mit deinem Glück, und mich laß mit meiner Feuerwunde!« – Aber nein, so wird es im Lied gesungen. Die Mutter des Gotsen hatte damals noch nicht vernommen, daß man ihren Sohn in den Kerker von Jassy brachte. Und sie wußte lange nicht, wie er dort schmachtete, wie ihn dort die Wachen quälten. Da sagte der Gotse den Wachen: »Gute Christenmenschen, mir liegt etwas auf der Seele, ich habe einem Herrn einen großen Beutel mit Geld gestohlen und nicht gesehen, daß darin auch ein kupfernes Bildchen an einem hellblauen Band war; es ist das Bild eines Säuglings, gestattet mir, es dem Herrn zurückzugeben, für diese Gefälligkeit will ich euch eine Stelle zeigen, wo ein großer Schatz verborgen ist, und ich gelobe bei Gott, in den Kerker zurückzukehren; im Traum habe ich gesehen, daß der Bauer nach Jassy gekommen ist und auf dem Markt mit Pferden handelt, ich gebe ihm das Bild und kehre zurück in die Fesseln.«

      Du glaubst, der Gotse sei nicht zurückgekehrt, er habe nach seinem Pferd Rojbu gepfiffen, das frei durch die Kodry streifte? Nein, der Gotse ist kein Räuber, sein Wort gilt. Er machte den Herrn auf dem Markt ausfindig und gab das Bild mit dem Säugling zurück in die Hände seines Besitzers. Als er danach СКАЧАТЬ