Der Geselle des Knochenhauers. Frank Goyke
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Название: Der Geselle des Knochenhauers

Автор: Frank Goyke

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Hansekrimi

isbn: 9783863935122

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СКАЧАТЬ dich in der Stadt um. Trage alles zusammen, was einen Anhänger Luthers mit dem Mord in der Badestube in Verbindung bringen könnte.«

      »Und wenn es nun kein Lutheraner war?«

      »Ich spreche nur von Möglichkeiten, mein Freund«, sagte Fannemann, lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Bruder Eusebius war von dessen Ansinnen alles andere als begeistert. Er war Seelsorger und Prediger und für Spitzeldienste nicht geeignet. Jedoch war er nicht nur ein wissbegieriger, sondern auch ein neugieriger Mensch, und so gab er Fannemann zwar keine Zusage, aber er lehnte auch nicht rundheraus ab.

      Der Büttel und der Badeknecht hatten die sterblichen Überreste des Einbecker Holzhändlers Groper auf einem Handwagen zum Rathaus geschafft und sie dort in einer Kammer aufgebahrt. Obwohl sie den Wagen mit einer Plane abgedeckt hatten, war die Haut des Toten noch immer feucht. Und sehr weiß war sie, so weiß die das Fleisch eines gekochten Huhns: Groper hatte sehr viel Blut verloren, ja er war regelrecht ausgeblutet.

      Die Ratsherren stand um den Tisch herum, auf dem die Leiche lag. Der Stadtphysikus, ein auf der Universität ausgebildeter Arzt, breitete seine Instrumente aus, mit denen er die Wunde vermessen wollte. Diese Aufgabe hätte auch ein Wundarzt oder sogar der Bader übernehmen können, denn auch sie waren Heilkundige, aber das Zeugnis des Physikus wog schwerer, weil es amtlich war.

      »Ich weiß nicht, ich weiß nicht«, sagte Consul Raven ein ums andere Mal. Sein Gesicht war von Ekel verzerrt. Auch Tile Brandis spürte einen starken Druck im Magen, sagte aber nichts.

      »Was weißt du nicht?«, wollte Eggert Unverzagt wissen und zog unwillkürlich seinen gelben Umhang fester um sich. Er wandte den Blick von dem Toten mit der klaffenden Halswunde ab und seinem Ratskollegen zu. Der Stadtphysikus begann sein Werk.

      »Ich kann einfach nicht glauben, dass der Mörder unerkannt entkommen konnte«, erklärte Raven.

      »Aber Heinrich hat’s uns doch erklärt«, sagte Bürgermeister Sprenger. »Ich schließe auch die Augen, wenn ich ein Bad nehme.«

      »Aber die Mägde!«, sagte Raven.

      »Du weißt doch, wie sehr sie beschäftigt sind«, sagte Hinrich Einem mit einem wasserblauen Augenzwinkern und sprach damit aus, was Tile bereits in der Lovekenstube gedacht hatte.

      »Was meinst du damit?«, fragte Harmen Sprenger scheinbar entrüstet. Brandis schwieg weiterhin. Natürlich wusste der Bürgermeister ganz genau, was Einem gemeint hatte. Vermutlich nahm auch er die verschwiegenen Dienste der Bademägde gern in Anspruch und spielte vor allem aus diesem Grund den Empörten.

      Hinrich Einem wurde einer Antwort enthoben. Der alte Knecht des Knochenhauers von Alfeld brachte zwei Satteltaschen, das Gepäck des Peter Groper. Er wurde angewiesen, es auf einen weiteren Tisch in der Nähe des Fensters zu legen und sich sofort zu trollen. Alle Ratsherren drehten dem Toten den Rücken zu und nahmen die Taschen in Augenschein. Consul Brandis öffnete sie.

      In der einen Satteltasche befanden sich ein Regenumhang sowie ein Wams und Beinkleider zum Wechseln, in der zweiten ein Nachtgewand, die Schlafmütze, ein Lederbeutel für die Wegzehrung und ein Schlauch für Wasser oder Wein. Brandis breitete all dies auf dem Tisch aus. Dann fuhr er mit den Händen noch einmal in beide Taschen. Er tastete ihr Inneres gründlich ab und stutzte.

      »Keine Papiere«, stellte er fest.

      »Unmöglich«, meinte Raven. »Er war ein Kaufmann auf der Fahrt, Tile. Reist du ohne Papiere?«

      »Natürlich nicht.« Tile Brandis deutete auf die Kleidungsstücke des Toten, die ebenfalls aufs Rathaus gebracht worden waren. Gemeinsam mit Dirich Raven durchsuchte er auch sie. Die beiden Männer fanden dort zwar die Geldkatze des Holzhändlers und Brauers, die zwei Mariengroschen und drei Kreuzgroschen enthielt, ansonsten aber leer war.

      »Wir werden Heinrich von Alfeld fragen müssen, ob er etwas über den Verbleib der Papiere weiß«, sagte Brandis. Die Ratmannen nickten. Dann wurde die Tür geöffnet, und Christoph von Hagen betrat die Kammer. Er warf rasch einen Blick auf den Toten, zuckte nur die Achseln und widmete seine Aufmerksamkeit den Herren des Rates. Seine kotigen Stiefel hinterließen feuchte Spuren auf den Dielen, als er näher trat.

      »Wir haben ein paar zwielichtige Gestalten in Gewahrsam genommen«, verkündete er. »Zwei Bettler, die sich an der Stadtmauer beim Dammtor herumgetrieben haben, einen Tagelöhner, der laut grölend auf das Kreuztor zugewankt ist, obwohl er gar nicht in der Neustadt wohnt, und einen Wandergesellen, der in der Taverne Bunter Ochse lautstarke Reden wider Papst und Kaiser geführt hat.«

      »Die üblichen Verdächtigen also«, murmelte Tile Brandis.

      »Wie meinen?« In Christoph von Hagens Gesicht breitete sich Zornesröte aus.

      »Nichts.« Brandis winkte ab.

      »Wo sind sie?«, wollte Sprenger wissen.

      »Im Keller, wo sonst?«

      »Ich bin fertig«, meldete sich nun der Stadtarzt zu Wort. Alle drehten sich zu ihm um.

      »Zu welchem Ergebnis bist du gekommen?«, erkundigte sich Eggert Unverzagt.

      »Ich denke«, sagte der Stadtarzt und deutete auf ein Pergament neben dem Toten, das er nicht nur mit Maßen bekritzelt, sondern auch mit blutigen Fingerabdrücken versehen hatte, »drei Mariengroschen ist die Wunde wert.«

      Jacob Klingenbiel konnte wie so oft nicht schlafen. Er teilte sich die kleine, stickige Kammer neben den Lagerräumen des Hauses Blauer Schwan mit den Lehrjungen Michael und Jonas, die er um ihre unbeschwerte Jugend beneidete. Zwar waren Lehrjahre weiß Gott keine Herrenjahre, und die Burschen mussten nicht nur alle möglichen niedrigen Arbeiten verrichten, sie wurden auch für kleinste Verfehlungen an den Ohren gezogen, in den Hintern getreten oder gar mit dem Stock geprügelt. Wenn Michael und Jonas abends in das Bett fielen, das sie miteinander teilten, schliefen sie sofort ein. Aber niemand konnte ihnen ihre kindliche Fröhlichkeit nehmen, keine Drohungen und auch kein Wutausbruch des Meisters. Sie waren arbeitsam und zeigten sich anstellig, auch wenn sie manchmal noch etwas ungeschickt waren und zu harmlosen Streichen aufgelegt, doch immerhin hatten sie ein Ziel: ihre Lossprechung. In einigen Jahren konnten sie Gesellen werden. Allein die bloße Möglichkeit spornte sie an.

      Jacob war Geselle, doch was hatte er davon? Gar nichts. Wenn Klingenbiel an einer der Morgensprachen des Sankt-Andreas-Knochenhaueramtes teilnahm, um auf dieser Zusammenkunft mit den anderen Meistern über zünftische Angelegenheiten zu beraten, um einen neuen Meister in das Amt aufzunehmen, was aus Brotneid immer seltener geschah, oder um sich schlicht und einfach voll zu fressen und zu besaufen, dann fand seine junge Frau immer einen Grund, die Lehrlinge und das Gesinde mit Aufträgen aus dem Haus zu schicken. Jede Morgensprache dauerte lange und endete mit einer Zecherei, denn immer gab es Metzger, die gegen die Zunftordnung verstießen, indem sie zu viel schlachteten oder ihre Gewichte manipulierten oder schlechte Waren feilboten, und daher war die Kasse mit den Strafgeldern gut gefüllt.

      Waren Meister und Gesinde außer Haus, erwartete Marie den Gesellen in ihrer Schlafkammer. Sie lag nackt unter der Daunendecke, die sie anhob, wenn Jacob kam. Jacob schlüpfte zu ihr, und ihm war fast alles erlaubt. Er durfte die Gattin seines Meisters küssen und überall berühren, wo er nur wollte, allein von ihrem Nest, ihrer Höhle, vom Sitz der Sünde konnte er nur träumen, wenn er nachts in seinem Bett lag und den Atemzügen der Lehrjungen lauschte. Aber er wollte sie besitzen, so wie Klingenbiel sie besaß. Er wollte die Erlaubnis zum Betreten der fremden Welt zwischen den Schenkeln des Weibes, und zwar eine Erlaubnis nicht СКАЧАТЬ