Der Geselle des Knochenhauers. Frank Goyke
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Geselle des Knochenhauers - Frank Goyke страница 6

Название: Der Geselle des Knochenhauers

Автор: Frank Goyke

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Hansekrimi

isbn: 9783863935122

isbn:

СКАЧАТЬ er so dringend brauchte. Außerdem hatte Teteleben am Reichstag zu Speyer teilgenommen, wo er dem päpstlichen Gesandten am dritten März ein Memorial überreicht hatte, an dessen Abfassung Fannemann beteiligt gewesen war: ›Ich fand die hildesheimische Kirche verwahrlost in geistlicher und irdischer Hinsicht und beraubt aller bischöflichen Tafelgüter, so dass sie mir den Lebensunterhalt nicht bietet. Nichtsdestoweniger habe ich durch fleißige Reform meiner Kirche und Haltung einer bischöflichen Synode die erforderliche Ordnung im Bistum zurückgeführt; ich habe einen Weihbischof und Offizial, desgleichen Seelenhirten und Kirchen-Rektoren an Orten der Stadt und Diözese Hildesheim angestellt, die dem Volke im Dienste der gesunden Lehre und in Verwaltung der Sakramente durch Wort und Beispiel Führer und Helfer sind, so dass durch Gottes Gnade bis jetzt meine Kirche mit genügend gutem Erfolge regiert ist.‹ Auf diese Schrift, die er seinem Bischof quasi in die Feder diktiert hatte, war Fannemann nicht wenig stolz. Und stolz war er auch auf seine Stellung innerhalb des Bistums, die er allein Eusebius zu Ehren an diesem Tag nicht betonen wollte. Fannemann regierte das Stift. Das wurde von Tag zu Tag schwieriger, aber noch gelang es ihm, das Schiff um alle Klippen zu steuern. Die größte und gefährlichste Klippe waren die Protestanten. Es wurden immer mehr.

      »Auch wir sind erpicht, von Rom zu hören«, sagte Domherr Friedag. Fannemann schaute Eusebius an und zuckte die Schultern. Er wusste, dass Friedag ihm nur nach dem Munde redete. Was den Weihbischof bewegte, das bewegte scheinbar auch das Kapitel. Aber Fannemann war schon seit langem klar, dass die Domherren nur ihren eigenen Interessen folgten, die mit Lehen und Pfründen zu tun hatten und nicht mehr mit dem Glauben. Der größte Fehler bestand darin, ihnen zu vertrauen. Fannemann vertraute niemandem, nicht einmal dem Bischof, sondern nur sich selbst. Und er vertraute Eusebius, weil der ihm nicht gefährlich werden konnte.

      Der Mönch tunkte seinen Löffel in die Suppe.

      »Am meisten hat den Hof unseres Pontifex und wohl auch ganz Rom ein Fresko erregt«, sagte er, bevor er den Löffel zum Mund führte.

      »Ein Fresko?«, fragte Johann Caspari. Weihbischof Fannemann nickte. Er hatte schon davon gehört.

      »Eine Wandmalerei von ungeheurer Wucht und Größe«, erklärte Eusebius. »Paul hat einen sehr berühmten Florentiner Maler damit beauftragt, die Sixtinische Kapelle auszumalen. Michelangelo Buonarroti heißt dieser Maler, und er arbeitete sechs Jahre an einem Jüngsten Gericht. Am Abend vor Allerheiligen Anno Domini 1541 wurde es enthüllt.« Der Dominikanerpater nahm rasch noch einen Löffel von der Gurkensuppe, bevor die Magd sie forttrug. Wenige Augenblicke später wurde gesottener Karpfen in Rosinensoße aufgetischt. Da Fannemann sich in erster Linie als Ordensbruder sah, achtete er streng auf die Speisegebote. Die Verlotterung der Sitten in den Klöstern und beim Klerus allgemein bekämpfte er, soweit es in seiner Macht lag, und deshalb kam bei ihm kein Vierfüßlerfleisch auf den Tisch. Er war sicher, dass Eusebius diese Strenge zu schätzen wusste. Dieser schien gerade mehr mit der Sättigung seines gesunden Appetits beschäftigt und blickte hungrig auf den Karpfen. Allzu viele Berichte aus der ewigen Stadt konnten sie wohl nicht von dem weit gereisten Mönch erwarten, sonst würde dieser am vollen Tisch des Weihbischofs verhungern.

      »Und was machte dieses Fresko zum Gesprächsgegenstand der Kurie?«, wollte Friedag denn auch wissen. Die Magd legte auf.

      »Nun, sehr vieles. Man warf dem Maler Unzüchtigkeit vor, ja sogar Ketzerei. Christus ist dargestellt wie ein jugendlicher heidnischer Titan – und ohne Bart! Die Engel sehen aus wie Ringkämpfer, Johannes der Täufer gar ist vollkommen nackt. Bei der heiligen Katharina sieht man den baren Busen, und …«, Eusebius schluckte, »und bei vielen männlichen Figuren das Geschlechtsteil.«

      »Unerhört!«, rief der Offizial. »Das ist Blasphemie!« Weihbischof Fannemann zuckte nur die Achseln. Er freute sich über den Besuch seines Mitbruders Eusebius und war mild gestimmt. Davon abgesehen, wusste er über das Geschlechtsleben seines Offizials genau Bescheid. Es war mehr als blasphemisch, aber Fannemann schwieg dazu: Als Weihbischof setzte er seine Bediensteten wie Schachfiguren, und Schachfiguren hatten keine Seele. Er liebte dieses Spiel, und das Schachzabelbuch des Konrad von Ammenhausen kannte er beinahe auswendig. Die Dombibliothek besaß eine Abschrift, die aber in den Listen des Küsters als ständig ausgeliehen erschien: Fannemann las neben der Heiligen Schrift Konrads Werk als Einschlafhilfe. Von Ammenhausen war ein Benediktiner gewesen und hatte dieses wunderbare Buch im Sankt-Georgen-Kloster in Stein am Rhein verfasst. Eigentlich handelte es weniger vom Schach als von der Moral. Moral konnte die Menschheit dringend gebrauchen. Sie war notwendiger als Nahrung, denn ein großer Teil der Geschöpfe Gottes hatte keine mehr.

      »Nun ja«, Eusebius gelang es, rasch ein Stück Fisch in den Mund zu schieben, das er hastig verschluckte, denn die Magd war mit dem nächsten Gang erschienen. Wenn man ihm noch weiter Löcher in den Bauch fragte, würde er vermutlich an der reich gedeckten Tafel seines Ordensbruders verhungern.

      Fannemann hatte es immerhin zum Weihbischof gebracht. Trotz dessen aufmunterndem Lächeln fühlte sich Eusebius ziemlich klein neben ihm. Und Eusebius liebte das Werk dieses verrückten Michelangelo ebenso wie sein Papst. Es war vermutlich nicht ganz der Schrift treu, aber es war erhebend. »Der Heilige Vater jedenfalls sank vor dieser gewaltigen Arbeit sofort auf die Knie.« Eusebius warf einen verstohlenen Blick auf den kross gebratenen Kapaun.

      Doch bevor sich die Herren dem verschnittenen Hahn widmen konnten, erschien ein bischöflicher Beamter.

      »Da sind zwei Weltgeistliche, Eminenz, die Euch dringend zu sprechen wünschen«, meldete er.

      »Später«, sagte der Weihbischof mit säuerlicher Miene. »Wir essen jetzt.«

      »Das sehe ich, Herr«, sagte der Beamte. »Aber die beiden Priester wirken ziemlich abgehetzt. Es scheint sich um eine wichtige Angelegenheit zu handeln.«

      Eusebius griff schnell nach einem Flügel und brach ihn ab. Fannemann nickte ihm aufmunternd zu, während er zu dem Beamten sagte: »Dann bitte sie in Gottes Namen herein.«

      Nachdem sie mit Heinrich von Alfeld und den Bademägden gesprochen hatten, konnten sich die Ratsherren ein ungefähres Bild von der Tat machen. Irgendjemand hatte sich in die Badestube geschlichen, den Vorhang hinter seinem Opfer beiseite geschoben, ihm mit einem schnellen, kräftigen Schnitt die Kehle durchtrennt und war dann unerkannt hinausgelaufen in Regen und Sturm. Der Mörder war ein ziemlich hohes Risiko eingegangen, denn immerhin hatte der Ratmann von Alfeld direkt neben seinem Opfer gesessen, oder der Bader und sein Knecht hätten ihn überraschen können. Sie befanden sich zwar in einem Nebenraum, wo sie den Knochenhauer Waldemar Klingenbiel zur Ader ließen, aber es hätte immerhin sein können, dass einer von ihnen die eigentliche Badestube betrat, um sich nach dem Befinden der Gäste zu erkundigen. Waldemar Klingenbiel hatte übrigens von dem Ereignis nichts mitbekommen. Erschöpft vom Aderlass, war er eingeschlafen, und er schlief immer noch.

      »Und Ihr habt wirklich nichts gesehen?«, fragte Bürgermeister Sprenger den Ratskollegen Meister Alfeld.

      »Ich sagte doch schon, dass ich die Augen geschlossen hielt«, erwiderte Heinrich. »Ich wollte das Bad genießen …«

      Mehr wohl die geschickten Hände und Lippen der Magd, dachte Tile Brandis, sagte jedoch nichts; er behielt seine Meinung lieber für sich, solange ihm nicht ausdrücklich ein Kommentar abverlangt wurde.

      »Aber du?« Sprenger deutete auf die jüngere der Bademägde. Sie trug eine sehr offenherzige Bluse, und Brandis war sicher, dass sie Männern für Geld in jeglicher Hinsicht dienstbar war. »Oder du?« Sprenger zeigte auf die andere Magd, die weitaus älter und bereits grauhaarig war und züchtig tat. Beide schüttelten den Kopf. Sie sahen noch immer verheult aus, weinten aber nicht mehr.

      »Warum ist Peter Groper überhaupt nach Einbeck gekommen?«, fragte Tile Brandis von Alfeld.

      »Wir СКАЧАТЬ