Kafir. Amed Sherwan
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Kafir - Amed Sherwan страница 8

Название: Kafir

Автор: Amed Sherwan

Издательство: Bookwire

Жанр: Афоризмы и цитаты

Серия:

isbn: 9783960542391

isbn:

СКАЧАТЬ sah es noch lustiger aus. Sie mussten mir meistens nicht mal ein Bein stellen. Ich fiel ganz von alleine hin und dann traten sie auf mich ein, bis meine große Schwester es sah und dazwischenging.

      »Es wäre einfacher, wenn ich schneller laufen könnte«, sagte ich und guckte auf meine Füße.

      »Gott hat sich etwas dabei gedacht«, sagte meine Mutter. »Gott prüft dich, du musst geduldig sein. Erinnere dich an den Propheten Ayyūb, der jede Prüfung ertrug und dafür von Gott belohnt wurde.«

      Ich nickte und ging ins Haus. Ja, Gott hatte mich halt so geschaffen. Aber ich konnte nicht verstehen, was sein Plan damit war.

      Ich versuchte immer, mich zu konzentrieren. Aber meine Augen, Ohren und Gedanken machten, was sie wollten. Ich bemühte mich auch, die Füße geradezubiegen, bekam sie aber genauso wenig in den Griff. Manchmal ging ich abends allein raus und übte Fußballspielen, aber ich kriegte weder meine Aufmerksamkeit noch die Füße auf den Ball gerichtet. Er flog in alle Richtungen, doch nie dorthin, wo er sollte.

      In meiner Freizeit ging ich daher lieber in die Moschee als zum Ballspiel. Und als wir in den Schulferien die Möglichkeit bekamen, uns für Ferienkurse anzumelden, wählte ich ganz selbstverständlich lieber die Koranschule als den Sportkurs und kam am Ende der Ferien stolz mit meinem Zertifikat nach Hause: »Zor basha, sehr gut!«

      Während der Schulzeit war der schulfreie Freitag mein Lieblingstag. Ich achtete genau auf die Uhrzeit, und sobald die Abfahrtzeit sich näherte, rannte ich aufgeregt durch das Haus und erinnerte meinen Vater und meine Brüder daran, dass sie sich für das Gebet fertig machen sollten. Meine Brüder hatten oft keine Lust mitzukommen, ich aber ließ kein Freitagsgebet in der Moschee ausfallen.

      Manchmal freute ich mich so sehr darauf, dass ich mich nicht zurückhalten konnte und auf dem Weg zur Moschee laut aus dem Auto rief und Leute dazu anhielt, uns zu folgen.

      In der Moschee angekommen, zog ich die Schuhe aus und stellte sie ins Regal, wusch mich gewissenhaft, betrat den Gebetsraum und stellte mich neben die Männer in die Reihe. Während des Gebets konnten meine Gedanken fliegen, wohin sie wollten, und meine Füße dahin zeigen, wohin es ihnen passte.

      Niemand lachte über mich. Und der Imam mochte und lobte mich. Hier gehörte ich dazu. Denn vor Gott waren wir alle gleich.

       DER URIN

      »Meine alte Heimat riecht nach Benzin, meine neue nach Urin«, sage ich und reiche meinem Freund, dem Computerfachmann, und meiner Freundin jeweils ein Bier.

      Das Kneipenkollektiv hat die Schicht ausfallen lassen. Deshalb haben wir unser Bier im Kiosk gegenüber gekauft und stehen damit nun vor einem leerstehenden Supermarkt.

      »Wir sind in der Gosse gelandet«, stellt der Computerfachmann fest und legt einen kleinen Stepptanz hin.

      »Das ist ein Zeichen«, sagt meine Freundin. Er fragt sie, wofür das ein Zeichen sein soll.

      »Dafür, dass wir es uns lieber auf dem Sofa bequem machen sollten.«

      Es stinkt wirklich erbärmlich hier. Aber so ist es halt, wenn weit und breit keine öffentliche Toilette in Sicht ist. In Irakisch-Kurdistan ist an jeder Ecke eine Moschee mit Waschgelegenheit und Klo. Aber vermutlich gibt es in jedem anderen Land mehr öffentliche Toiletten als in Deutschland.

      »Ob die Überwachungskamera wohl noch aufzeichnet?«, fragt der Computerfachmann und zeigt auf ein Gerät oben am verrammelten Eingang.

      »Das ist mir wurscht«, entgegne ich und baue einen Joint direkt vor der Kamera.

      »Du hast echt einen Sockenschuss«, meckert meine Freundin.

      Mein deutscher Wortschatz besteht aus einer eigentümlichen Mischung aus komplizierten Fachbegriffen und seltsamen Schimpfwörtern. Das passiert, wenn man sein Deutsch von angetrunkenen Linksintellektuellen lernt.

      »Sockenschuss ist kein schönes Wort«, entgegne ich und reiche dem Computerfachmann den Joint.

      Meine Freundin stapft derweil missmutig in Richtung Innenstadt. Wir gehen ihr nach und stehen in wenigen Minuten in der Fußgängerzone. Hewlêr hat etwa zehn Mal so viele Einwohner wie das Provinzkaff, in dem ich am Ende meiner Flucht gelandet bin. Man ist hier irgendwie immer im Zentrum.

      »Ich gehe nach Hause«, meine Freundin dreht sich um und schaut mich an. »Kommst du mit?«

      »Hey, so kenne ich dich ja gar nicht!« Wie so oft rettet der Computerfachmann die Situation. »Lass uns tanzen gehen.« Er hakt sie unter und schleift sie durch eine kleine Seitenstraße in Richtung unserer Lieblingsbar.

      Wir manövrieren uns durch den überfüllten Eingangsbereich vor der Theke nach hinten. Unterwegs bleiben die beiden auf der Tanzfläche hängen und hüpfen begeistert los.

      Ich schlendere weiter zum Kicker und plaudere auf Arabisch mit einigen der Jungs, die zum festen Inventar gehören.

      »Was machst du denn noch hier, Habibi?«, frage ich meinen Kumpel, den Spieler, der seit Wochen davon redet, dass er Deutschland verlassen will.

      »Ich gehe nächsten Monat in die Türkei zu meinen Eltern«, sagt er. »Hast du was zu kiffen?«

      »Nein, aber willst du ein Bier?«, biete ich ihm an.

      »Nein, ich trinke nicht mehr. Das ist harām.«

      »Das ist jetzt nicht dein Ernst. Wolltest du nicht gerade kiffen?«

      »Von Cannabis hat der Prophet nicht gesprochen«, sagt er ernst.

      »Seit wann interessierst du dich für den Koran? Außerdem sind alle Drogen harām«, ich klopfe ihm auf die Schulter. »Glücksspiel übrigens auch, Habibi!«

      Früher ist Basketball seine große Leidenschaft gewesen, nun sucht er offensichtlich Halt in der Religion. Das werde ich nicht mit ihm diskutieren. Ich gehe zurück zur Tanzfläche und geselle mich zu meiner Freundin und dem Computerfachmann. Sie singen lautstark ein Lied mit, das ich noch nie gehört habe.

      »Ich gehe mal ein bisschen vor die Tür, oder wollen wir nach Hause?«, frage ich meine Freundin.

      »Du bist gut«, sie lacht. »Nun bleibe ich erst mal hier.«

      Ich stehe vor der Bar. Drei blonde Typen mit zerzausten Bärten taumeln an mir vorbei, klettern in ein schrottreifes Auto, fahren los und hinterlassen eine Fahne Dieselgeruch.

       DIE BERGE

      Der Ölgeruch war allgegenwärtig. Ich nahm ihn nicht bewusst wahr, genauso wenig wie das Rauschen der Autos oder das Rattern der dieselbetriebenen Stromgeneratoren. Mir fiel nur auf, wenn etwas davon fehlte. Wenn wir zum Beispiel einen der seltenen Ausflüge in die Berge von Şeqlawe machten.

      Meine Eltern hatten Freunde in den Bergen. Auf ihren Feldern wuchsen Bäume – Granatäpfel, Maulbeeren, Birnen, Pflaumen und Oliven. Meine Geschwister und ich kletterten in den Bäumen oder gingen in die Felder. Wir pflückten Tomaten zum Kochen und naschten Kichererbsen und Weintrauben. Wir ernteten Tirozî, lange gurkenähnliche Melonen, und dippten sie in Sumach, die gemahlenen Früchte der Essigbäume, die überall СКАЧАТЬ