Keine Panik, ehrliche Spiegel altern immer mit!. Arno Backhaus
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Название: Keine Panik, ehrliche Spiegel altern immer mit!

Автор: Arno Backhaus

Издательство: Bookwire

Жанр: Афоризмы и цитаты

Серия:

isbn: 9783775174893

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      Im Rückblick kann ich diese Erfahrungen fachlich einordnen: »In Zeiten, in denen wenig Interessantes geschieht, sind AD(H)S-Betroffene energetisch auf einem niedrigen Niveau und fühlen sich dabei unwohl. Dieses negative Gefühl verschwindet in dem Moment, wo wieder etwas los ist.«1

      Und solche Momente schaffte ich mir selbst: Ich störte, wo es nur ging – mal aggressiv, mal auf die komische Art. Ob im Unterricht oder in der Pause – ich betätigte mich im Klassenzimmer, auf dem Schulhof, im Treppenhaus und in der Turnhalle.

      Und damit hatte ich den Stempel, den ich zeit meines Schullebens nicht mehr loswurde (es waren eigentlich gleich mehrere): Arno, der Störenfried. Arno, der Klassenclown. Arno, der Gefürchtete. Arno, der Grenzüberschreiter.

      DASS MEIN VERHALTEN GANZ BESTIMMTE URSACHEN HATTE, WURDE MIR ERST VIEL SPÄTER BEWUSST:

      »Wie Arno sind viele AD(H)S-Betroffene […] unbewusst auf der Suche nach starken Reizen und ständig in Bewegung.«2

      imageDas hatte zur Folge, dass ich von anderen bewundert wurde. Wenigstens heimlich. Viele Klassenkameraden beneideten mich darum, dass ich einfach das tat, was sie sich nicht trauten. Trotzdem hatte ich keine Freunde, weil niemand so richtig etwas mit mir zu tun haben wollte. Ich war ein Einzelgänger auf der Suche nach Anerkennung.

      Als ich zum wiederholten Mal aus Showgründen meinen Schultornister unsere circa 30 Meter lange Schultreppe hinunterwarf, bekam ich nicht nur Probleme mit der Schulleitung, sondern auch mit meiner Mutter. Sie war nämlich nicht sehr erbaut davon, die dabei zu Bruch gegangenen Schulutensilien – wie beispielsweise meine Schiefertafel – ersetzen zu müssen.

      Meine Mitschüler waren begeistert. Zumindest aus der Ferne erntete ich einigen Applaus und bewundernde Blicke. Gleich im Anschluss musste ich jedoch die Konsequenzen meines Verhaltens auf mich nehmen. Der Strafenkatalog der Kirchditmolder Grundschule sah Folgendes vor: Entweder ich musste für den Rest der Stunde in der Ecke stehen oder ich wurde zum Müll-Aufsammeln auf dem Schulgelände verdonnert. Manchmal auch beides hintereinander.

      Unser Schulhof zählte damals zu den saubersten in der ganzen Region, so oft habe ich dort mit der Zange den Müll meiner Mitschülerinnen und Mitschüler weggeräumt. Natürlich musste ich auch öfter nachsitzen. D. h., wenn meine Klassenkameraden nach Unterrichtsschluss nach Hause durften, musste ich in anderen Klassen, die noch Unterricht hatten, bis zum Schluss bleiben.

      In meinem Zeugnis standen in den ersten vier Schuljahren unter »Bemerkungen« Sätze wie:

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      »Arno ist noch etwas verspielt und macht auch gern noch mal ein Schwätzchen.«

      »Arno kann sich nicht gut in die Gemeinschaft einordnen, er geht zuweilen wüst mit den Kindern um. Sein Fleiß hat sehr nachgelassen, er hat öfter die Aufgaben nicht gemacht, die Hefte sind nicht sehr ordentlich.«

      »Arno hat die letzten Wochen wieder in den Leistungen nachgelassen, die Schulaufgaben zuweilen nicht gemacht.«

      »Arno könnte bei mehr Fleiß mehr leisten. Arno stört den Unterricht, er fügt sich nicht der Schulzucht, […] er ist nicht unbegabt, nutzt aber leider seine Gaben nicht, sonst wären seine Leistungen bedeutend besser.«

      Irgendwie bekam ich die vier Grundschuljahre trotzdem ohne Ehrenrunde herum und wechselte dann auf die Realschule. Andere Kinder, andere Lehrer, doch die Sätze im Zeugnis blieben gleich. Schon in der fünften Klasse hieß es in den Bemerkungen meines Halbjahreszeugnisses: »Arnos Betragen gibt oft Anlass zu klagen.«

      Ein gereimter Satz auf Schuldeutsch, der im Kern nichts anderes aussagte als: »Arnos Verbleib in unserer Schule steht auf der Kippe.« Das beunruhigte mich wenig, meine Eltern aber umso mehr.

      Meine Schwester hat die Schule deutlich problemloser hinter sich gebracht. Bereits mit 15 Jahren ist sie nach Hamburg gezogen, um eine Ausbildung zur Krankenschwester zu beginnen. Daraufhin bekam ich endlich ein eigenes Zimmer, ein wunderbarer Rückzugsort. Aber die elterliche Aufmerksamkeit fokussierte sich gleichzeitig noch mehr auf mich und meine schulischen Leistungen.

      Noch in der fünften Klasse verließ ich die Schule in Kirchditmold auf Wunsch der Schulleitung und des Lehrerkollegiums und kam auf die Herkulesschule im Vorderen Westen von Kassel.

      AUCH HIER GAB ES NEUE SCHULKAMERADEN, NEUE LEHRER UND GENAU DIE GLEICHEN PROBLEME WIE VORHER.

      Und doch habe ich dort zum ersten Mal eine Ahnung davon bekommen, dass einige Pädagogen wirklich die Bezeichnung »Pädagoge« verdienen.

      Denn meine Englischlehrerin war super! Eine wirklich tolle Frau.

      Ich benahm mich in der neuen Schule nicht anders als vorher und störte den Unterricht, wo es nur ging. Da mein Ruf mir vorauseilte, wussten Lehrer und Schüler sofort, mit wem sie es zu tun hatten, und benahmen sich mir gegenüber entsprechend: meine Klassenkameraden innerhalb kürzester Zeit mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Verachtung und die Lehrer fast von der ersten Unterrichtsstunde an mit einer ganz klaren »Typisch Arno Backhaus!«-Haltung. Sie machten sich nicht die Mühe, tiefer zu blicken, um mich wirklich wahrzunehmen.

      Obwohl ich in jungen Jahren manches noch nicht so genau reflektieren konnte, wusste ich doch intuitiv, wie die Leute reagieren würden, wenn ich diverse Verhaltensweisen an den Tag legte. Auch das ist ein Merkmal der AD(H)S-Auffälligkeit: Ich kann Stimmungen sehr schnell und ziemlich genau erspüren. Wenn man das richtig einzusetzen weiß, ist es eine Gabe. Es ist aber auch eine Grenze, wenn man andere mithilfe dieser Begabung manipuliert.

      JETZT, VIELE JAHRZEHNTE SPÄTER, KANN ICH MIT DEN EIGENARTEN VON AD(H)S UMGEHEN.

      Aber als Kind habe ich viel Ablehnung erfahren und unter der Unwissenheit und Unsicherheit der Menschen in meiner Umgebung gelitten.

      Ich weiß, dass ich für mein ganzes schulisches Umfeld ein schwerer Brocken war. Mit Kindern wie mir ist es nicht einfach. Das war es damals nicht und ist es heute ebenso wenig. Deshalb mache ich niemandem einen Vorwurf.

      imageIch wusste ja selbst lange nicht, was mit mir los ist. Erst, als wir bei unserem Sohn Fabian dieselben Verhaltensauffälligkeiten feststellten, die ich aus meiner eigenen Kindheit und Jugend kannte, sind Hanna und ich auf Spurensuche gegangen. Als wir dem AD(H)S auf die Schliche gekommen waren, kam es uns so vor, als würde sich ein dicker Knoten entwirren. Ich werde später noch genauer auf diese wichtige Phase eingehen und möchte an dieser Stelle nur so viel sagen: Die Phase, in der sich die vielen Fragezeichen und der Nebel der Unwissenheit verzogen haben, war schmerzhaft und entlastend zugleich.

      Rückblickend wurde mir klar: Es gab einige Menschen, die mich entweder von Anfang an oder mit der Zeit als Person wahrgenommen und akzeptiert, herausgefordert und geliebt haben. Und dazu gehörte zum Beispiel diese Englischlehrerin.

      Sie hat ebenso unter meinen Eskapaden gelitten wie alle anderen Lehrer. Und sie hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass sie dieses Verhalten nicht toleriert. Geholfen hat es leider nicht viel, aber ich habe immer gespürt, dass sie mich wirklich annimmt und nicht verachtet. Ja, ich habe sogar eine Art СКАЧАТЬ