Fundstücke. Georg Markus
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Название: Fundstücke

Автор: Georg Markus

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783903083813

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СКАЧАТЬ den im Nebenzimmer wartenden und zu seiner persönlichen Dienstleistung zur Verfügung stehenden Offizier zu sich kommen, um mit ihm die Planung des Tages durchzugehen. Bis Mittag empfängt der Kaiser Regierungsmitglieder, Militärs und andere Gäste, meist acht bis zehn Personen. »Von 8 Uhr früh bis 1 Uhr 15 waren fast ununterbrochen Empfänge. Ist zum Staunen, dass Seine Majestät diesen Anstrengungen in seinem Alter gewachsen ist … Mit kurzer Pause um ½ 12 Uhr, um welche Zeit Seine Majestät ein kleines Frühstück nehmen – nur Schinken und Tee, sonst nichts. Um 5 Uhr ist Diner, Seine Majestät fast immer allein – alle Mahlzeiten werden auf seinem Schreibtisch serviert – es geht alles sehr rasch: Frühstück 10–12 Minuten, Diner höchstens 25 Minuten.« Nach dem Diner geht der Flügeladjutant ins Billardzimmer und wartet, bis Seine Majestät aus dem Schreibzimmer heraustritt und mit den Worten »Danke sehr, brauche heute nichts mehr, Gute Nacht wünsch ich« den Adjutanten entlässt. Oberstleutnant Spanyi staunt immer wieder nach einem langen Arbeitstag: »Dabei ist Seine Majestät nicht im geringsten müde … Um 8 Uhr geht Seine Majestät zur Ruhe.«

       »Um 8 Uhr geht Seine Majestät zur Ruhe«

      Dass sich die Monarchie in einem blutigen Krieg befindet, ist im Schloss des Kaisers vorerst kaum spürbar. »Im lieben Schönbrunn ist alles wie es war, still und traumverloren, dieselben Menschen, dieselbe Tageseinteilung«, notiert Spanyi. Noch ist alles voll Optimismus: »Auf den Kriegsschauplätzen steht es sehr gut, Seine Majestät dementsprechend in bester Stimmung«, so die Tagebucheintragung vom 26. August 1915. Auch zu Weihnachten ist »Seine Majestät frisch und in guter Stimmung – hoffentlich bringt das neue Jahr Sieg und Frieden.«

       Eine Kopie des 45 Seiten umfassenden Tagebuchs

      Es war im Herbst 2016, als mich Adalbert von Spanyis Enkel Georg Graf Walterskirchen anrief und mir mitteilte, dass er im Besitz des noch nie veröffentlichten Tagebuchs seines Großvaters sei. Und Walterskirchen fragte mich, ob ich Interesse hätte, Auszüge aus der Niederschrift des letzten Flügeladjutanten Kaiser Franz Josephs abzudrucken.

      Die Frage musste er mir nicht zweimal stellen, und so trafen wir uns in seinem niederösterreichischen Schloss Walkersdorf, wo er mir eine Kopie des 45 Seiten umfassenden Tagebuchs übergab, das sich als wahrhaftiges Fundstück erweisen sollte. Das Tagebuch wurde zwischen 26. Mai 1915 und 21. November 1916 von seinem Großvater mütterlicherseits verfasst und später mit Schreibmaschine transkribiert. Das handschriftliche Original ging laut Österreichischem Kriegsarchiv im Jahr 1945 verloren.

       Die letzten Lebensmonate des Kaisers und die Atmosphäre bei Hof

      Der Adjutant beschreibt ruhig und ohne aufsehenerregenden Geheimnisverrat, aber sehr treffend die letzten Lebensmonate Kaiser Franz Josephs und die Atmosphäre bei Hof.

      Niemand in der Umgebung des Monarchen scheint in dieser Zeit zu erkennen, dass das alte Kaiserreich am Rande des Abgrunds steht. Franz Joseph lädt zu Diners und Empfängen, einmal kommt der deutsche Kaiser, dann kommen Familienmitglieder wie Thronfolger Karl mit Ehefrau Zita, laut Adalbert von Spanyi »in reizender Toilette, sieht ganz mädchenhaft aus, und dem kleinen Erzherzog Otto, ein süßer, lockiger Blondkopf, der mir gleich die Händchen gab.«

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       »Ist zum Staunen, dass Seine Majestät diesen Anstrengungen in seinem Alter gewachsen ist«: Kaiser Franz Joseph in seinem letzten Lebensjahr

       Der nahe Untergang des Kaiserreichs ist kein Thema

      Am 6. August 1915 verzeichnet der Adjutant eine besonders gehobene Stimmung, da des Kaisers Obersthofmeister Fürst Montenuovo mit dem Chef der Militärkanzlei »um eine Zigarettentasche gewettet hat, dass Warschau fallen wird«. Montenuovo gewinnt Wette und Zigarettentasche und alle freuen sich. Am Heiligen Abend des Jahres 1915 schenkt der Kaiser seinem Generaladjutanten Graf Paar einen Spieltisch, »den wir mit einer Partie Whist eingeweiht haben – diese Partien sind äußerst gemütlich.« Der nahe Untergang des Kaiserreichs ist nach wie vor kein Thema.

       Joseph Ritter von Kerzl, 1841–1919, Leibarzt des Kaisers

      Adalbert von Spanyi betont immer wieder die robuste Gesundheit des Monarchen, bis am 29. Februar 1916 das erste Warnsignal erfolgt: »Seine Majestät hatte einen Ohnmachtsanfall, wäre fast vom Sessel gefallen, konnte aber von den anwesenden Herren aufgefangen werden. Nach dem Kammerdiener geläutet, mit dessen Hilfe Seine Majestät gelabt wurde. Das Fenster geöffnet, es waren schauerliche Minuten. Ich berief telefonisch (den Leibarzt) Dr. Kerzl, er fand bereits Seine Majestät außer jeder Gefahr.«

      Der Kaiser erholt sich wieder und setzt seine Arbeit pflichtbewusst fort. An den Nachmittagen werden Dokumente unterschrieben und Mitarbeiter empfangen. »Er ist ungemein rüstig – schließlich würde der Dienst selbst einen viel Jüngeren anstrengen, umso mehr als es für ihn keinen freien Tag gibt«, ist der Adjutant voll der Bewunderung.

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      »Schauerliche Minuten«: Franz Josephs Flügeladjutant Adalbert von Spanyi stand dem Kaiser in seinem letzten Lebensjahr praktisch Tag und Nacht zu Diensten.

       »Es herrscht große Not in der Bevölkerung«

      Von der russischen Front werden hohe Verluste gemeldet. »Seine Majestät war sichtlich niedergeschlagen, die Last der Sorgen ist groß.« Und die Lage spitzt sich weiter zu, am 1. August 1916 sind »die ganze Bukowina und ein Teil Ost-Galiziens in russischem Besitz – es scheint, dass auch Lemberg bedroht ist … Es herrscht große Not in der Bevölkerung.« Dennoch spricht »Seine Majestät vom Kriege mit viel Zuversicht« – zuletzt noch am 15. Oktober 1916, fünf Wochen vor seinem Tod.

      Während Spanyi dem Kaiser bis zu dessen letztem Atemzug loyal dient, beginnt er an der Regierung zu zweifeln. »Vorgestern Abend«, schreibt er am 13. Mai 1916, »waren in Wien und auch hier vor dem Schlosse Demonstrationen – das Volk hungert, man bekommt weder Mehl noch Fett oder Milch. Fleisch unerschwinglich, wovon sollen die Leute leben? Dabei sollen aber hinreichende Vorräte vorhanden sein – mangelnde Organisation, ganz unfähige Regierung und schamlose Gewinnsucht sind Schuld an diesen betrübenden Zuständen. Seine Majestät hat auch das Lärmen (der Demonstranten, Anm.) gehört und sich berichten lassen.« Das Essen im Schloss sei kaum besser: »Das Hofmischbrot ebenso miserabel wie jenes bei den Bäckern in Wien.«

       »Die rote Erzherzogin« Elisabeth, 1883–1963, Enkelin Kaiser Franz Josephs

      Der Kaiser hat auch private Sorgen. Die Ehe seiner Enkelin Elisabeth – die später als »rote Erzherzogin« bekannt gewordene Tochter des Kronprinzen Rudolf – scheint gescheitert zu sein. Sie und ihr Mann, Otto Fürst Windisch-Graetz, kommen getrennt zum Kaiser. »Es scheint sich zu bewahrheiten, dass eine Scheidung bevorsteht, denn dass die Familienmitglieder einzeln und an verschiedenen Tagen empfangen werden, ist abnorm«, vermutet der Adjutant.

       Der Kaiser freut sich besonders, dass es ein Bub ist

      Am 31. Mai 1916 herrscht Aufregung bei Hof. Erzherzogin Zita erwartet ihr viertes Kind, muss aber infolge überraschend auftretender Komplikationen in ein Sanatorium gebracht werden, »man will eben für alle Fälle vorsorgen«. Alles geht gut, Spanyi meldet am selben Tag noch dem Kaiser, »dass Erzherzogin Zita von einem Jungen glücklich entbunden wurde. Seine Majestät hat sich über diese Nachricht sichtlich gefreut und mich beauftragt, in Seinem Namen Erzherzogin Zita zu gratulieren. Er freut sich besonders, dass es ein Bub ist. Dann musste ich dem Papa, Erzherzog Karl, ein Glückwunschtelegramm im Namen Seiner Majestät absenden.« Das vierte Kind des Thronfolgerpaares СКАЧАТЬ