Wie die Zeit vergeht. Georg Markus
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Название: Wie die Zeit vergeht

Автор: Georg Markus

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

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isbn: 9783902998590

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СКАЧАТЬ Graf Wallis, zu sich und sagte ihm: »Ich will Sie, lieber Graf, für Ihre treuen Dienste belohnen. O’Donnell ist tot, Sie sollen sein Nachfolger werden.«

      »Ich bitte Eure Majestät«, meinte der Verwalter, »allergnädigst bedenken zu wollen, dass ich vom Finanzwesen nichts verstehe und mich auch darum nie gekümmert habe.«

      »Das macht gar nichts«, entgegnete der Kaiser, »genau solche Leute brauche ich. Sie waren ein treuer Burggraf und werden ein nicht minder treuer Finanzminister sein.«

      Es folgte, was zu erwarten war: der Staatsbankrott.

      Dem Kaiser blieb wenig Zeit, das Regieren zu erlernen: Gleich nach seinem Amtsantritt erklärte ihm das revolutionäre Frankreich den Krieg, in dessen Folge Österreich erhebliche Gebietsverluste erlitt. Zwei Persönlichkeiten prägten die Regierungszeit des »guten Kaisers Franz«: Metternich auf der einen und Napoleon auf der anderen Seite. Beide hatten wesentlichen Anteil am Zustandekommen des wohl wichtigsten politischen Ereignisses dieser Epoche, dem »Wiener Kongress«, zu dem ab September 1814 Monarchen und Staatsmänner sonder Zahl nach Wien reisten, um nach dem vermuteten Ende der Herrschaft Napoleons – der nach der verlorenen Schlacht bei Leipzig im Exil auf Elba saß – über eine »Neuordnung Europas« zu verhandeln.

      Und zu tanzen, wie es heißt. Ja, gefeiert wurde viel, wobei der 28. Juni 1815 den festlichen Höhepunkt bildete: Der König von Dänemark hatte Geburtstag, die Königin von Bayern, der Herzog von Sachsen-Weimar und der Großherzog von Baden hatten Namenstag. Wie es das Zeremoniell vorschrieb, wurde Zar Alexander als Europas ranghöchster Monarch während des Diners neben Maria Ludovika, die Frau des österreichischen Kaisers, platziert. Leider hat man bei der Tischordnung nicht bedacht, dass sowohl Zar als auch Kaiserin auf je einem Ohr taub waren. Nun saßen die beiden unglücklicherweise so, dass sie nicht hören konnten, was ihr Gesprächspartner gerade sagte. Boshafte Wiener stellten die Konversation der Kaiserin mit dem Zaren so dar:

      »Wie schmeckt’s Euer Majestät?«

      »Schrecklich müde.«

      »Freut mich sehr.«

      Der Kongress kostete, vor allem wegen seiner vielen Feierlichkeiten, ein Vermögen, was ein geflügeltes Wort zur Folge hatte: »Der Zar von Russland liebt für alle, der König von Preußen denkt für alle, der König von Dänemark spricht für alle, der König von Bayern trinkt für alle, der König von Württemberg frisst für alle und der Kaiser von Österreich zahlt für alle.«

      Aber der »Kongress« brachte auch ein politisches Ergebnis: Die Großmächte stellten ihr Gleichgewicht wieder her, mit anderen Worten: Alles war, wie es vor dem Kongress gewesen ist.

      Typisch für den Eigensinn des Kaisers Franz war auch, wie er die Frage seiner Nachfolge löste: Obwohl sein Sohn Ferdinand weder über die geistigen noch über die körperlichen Fähigkeiten verfügte, das Amt eines Monarchen auszuüben, dachte Franz nicht daran, eine Änderung in der Thronfolge herbeizuführen. Dabei hatte er mehrere Kinder, die die Voraussetzungen weitaus besser erfüllt hätten. Franz beharrte aber darauf, seinen erstgeborenen Sohn Ferdinand »von Gottes Gnaden« an die Spitze des Staates zu stellen.

      Als Kaiser Franz I. am 2. März 1835 starb, stand eine große Menschenmenge weinend am Burghof. Ein Beamter wurde zur Bevölkerung geschickt, um zu beruhigen. »Weint nicht«, sprach er, »es bleibt ja alles beim Alten.«

      Da rief einer aus der Menge: »Deswegen weinen wir ja!«

      Sein Sohn Ferdinand litt zeitlebens, als bedauernswertes Produkt der Verbindung doppelter Cousins ersten Grades, unter epileptischen Anfällen. Infolge seiner Erkrankung erhöhte sich die Allmacht des Fürsten Metternich beträchtlich. Das war wohl mit ein Grund, dass der Staatskanzler dafür sorgte, den schwachen Ferdinand so lang wie möglich auf dem Thron zu halten. Dadurch hatte Metternich die Möglichkeit, die Regierungsgeschäfte fast im Alleingang abzuwickeln. Immerhin blieb Ferdinand 13 Jahre an der Spitze des Staates, den man nun als »Monarchie ohne Kaiser« bezeichnete.

      Von Wohlmeinenden »Ferdinand der Gütige« genannt, gelangten infolge seiner eingeschränkten Fähigkeiten zahllose Anekdoten in Umlauf. So wurde erzählt, dass bei einem Hauskonzert in der Hofburg der berühmte Pianist Thalberg seine Meisterschaft zeigte. Kaiser Ferdinand war hingerissen und animierte den Künstler zu etlichen Draufgaben, bis dieser schwitzend und ermattet abbrechen musste. »Mein lieber Thalberg«, bedankte sich der Kaiser, »bei mir haben schon viele Künstler gespielt, aber so wie Sie …«

      »Majestät«, neigte der Meister in tiefer Dankbarkeit beschämt sein Haupt –

      »… aber so wie Sie«, setzte der Kaiser fort, »hat noch keiner geschwitzt.«

      Im März 1848 brach in Wien die Revolution aus. Das Elend der Massen war so groß, dass Studenten, Bürger und Arbeiter sich mit der kaiserlichen Armee heftige Straßengefechte lieferten. Noch gravierender wurde die zweite Revolution im Oktober, deren Kämpfe rund zweitausend Tote forderten und Kaiser Ferdinand I. und seinen Hofstaat zwangen, die Residenzstadt zu verlassen und in Olmütz Zuflucht zu suchen. Als »Entgegenkommen« sicherte die Regierung den Aufständischen die Aufhebung der Zensur, uneingeschränkte Pressefreiheit und eine neue Verfassung zu. Das Ende der Grundherrschaft und des Zunftzwanges und die Einführung der Gewerbefreiheit führten zu dem Schlagwort, in Österreich sei das Mittelalter erst im 19. Jahrhundert zu Ende gegangen.

      Am 2. Dezember 1848 verzichtete Kaiser Ferdinand schließlich zugunsten seines Neffen Franz Joseph auf den Thron – ein Coup, den dessen Mutter Sophie eingefädelt hatte.

      Die Übergabe der Regierungsgewalt in Olmütz wurde nach den strengen Vorschriften des Zeremoniells vollzogen. Zu ihnen gehört, dass der zurücktretende Kaiser die Abdankungsformel spricht. Die aber hatte Ferdinand vergessen, weshalb er zu seinem vor ihm knienden Neffen nur sagte: »Sei brav, es is gern g’schehn.«

      Allerdings werden Ferdinands Fähigkeiten oft geringer dargestellt, als sie gewesen sind. Immerhin verstand er es, nach der Abdankung sein gewaltiges Vermögen durch geschickte Investition in gewinnbringende Unternehmungen erheblich zu steigern – auch wenn an diesen Transaktionen natürlich Berater beteiligt waren. Jedenfalls erwarb der Ex-Kaiser in der Zeit, als Europas Eisenbahnnetz immer dichter wurde, große Anteile an drei Eisenbahnlinien. Solange Ferdinand lebte, war der nunmehr regierende Kaiser relativ »arm«. Seinen Reichtum erlangte Franz Joseph erst, als sein Onkel und Vorgänger – der ihn zu seinem Universalerben bestimmt hatte – 1875 in seinem Exil am Prager Hradschin starb.

      Ein neuer Kaiser. Franz Josephs legendäres Pflichtgefühl, seine Pedanterie und Regelmäßigkeit waren ihm schon als Kleinkind aufgezwungen worden – und diese Eigenschaften bestimmten seine Zukunft und die des Reiches. Kaum hatte der 18-Jährige den Thron bestiegen, wurde schon darüber diskutiert, ob er überhaupt imstande sein würde, die Last der Krone zu tragen. Als man dem eben zurückgetretenen Staatskanzler Metternich die Frage stellte, weshalb ein Mann seiner Meinung nach früher regierungsfähig als heiratsfähig sein könne, antwortete er: »Weil es leichter ist, ein Volk zu regieren als eine Frau!«

      Die Wiener waren davon anfangs nicht ganz so überzeugt, sie tauschten ein »n« gegen ein »t« aus und nannten ihren neuen Kaiser in seinen ersten Regierungsjahren »Fratz Joseph«.

      Niemand konnte damals ahnen, dass dieser Mann im Laufe einer langen Regentschaft zum Symbol der Donaumonarchie werden sollte. Sein Tagesablauf war genau eingeteilt und kannte kaum irgendwelche Abweichungen – egal, ob er in der Hofburg, in Schönbrunn oder während des Sommers in Bad Ischl residierte: Franz Joseph wurde um halb vier von seinem Kammerdiener Ketterl mit den Worten »Ich leg mich zu Füßen Eurer Majestät« geweckt. Nach dem Einseifen durch den »Badewaschel«, dem Ankleiden und der Morgenrasur setzte sich Franz СКАЧАТЬ