C'est la vie. Peter Turrini
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Название: C'est la vie

Автор: Peter Turrini

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783902998163

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      7.

      Meine Mutter erzählte uns Buben vor dem Einschlafen Geschichten, denen eines gemeinsam war: In ihnen herrschte Gerechtigkeit, wurde Aggressivität bestraft und Gutsein belobigt, gute Taten, auch wenn sie im Verborgenen blühten, bekamen ihren gerechten Lohn, und schlechte Taten, selbst der geheimste Diebstahl, wurden früher oder später entdeckt. Meine Mutter hatte die Fähigkeit, die Dramaturgie der Geschichten zu kürzen oder zu strecken, je nachdem ob wir müde waren oder munter. Die Moral der Geschichte, Strafe oder Lob, stellte sich früher oder später ein, sie kam unausbleiblich. Die Gerechtigkeit hatte etwas Selbstverständliches und gleichzeitig Überirdisches. Sie traf ein wie ein Naturgesetz, die Menschen mochten sich verhalten, wie sie wollten, es kam der Moment des Gerichts und des Einschlafens.

      8.

      Mein älterer Bruder

      schlief auf einem Notbett

      hinter einer Bretterwand.

      Mein jüngerer Bruder und ich

      schliefen mit den Eltern

      in einem Raum.

      Manchmal erwachte ich durch ein Geräusch.

      Es klang wie Jammern und Reiben.

      Wie Weinen und Stoßen.

      Wie Keuchen und Drücken.

      Es wurde immer heftiger

      und erfüllte den dunklen Raum.

      Es klang als würde mein Vater schlagen.

      Es klang als würde meine Mutter erschlagen.

      Dieser Kampf endete mit einer plötzlichen Stille.

      Ich hielt den Atem an

      und drückte die Hand auf meine Brust.

      Das laute Pochen meines Herzens

      durfte mich nicht verraten.

      9.

      Beim Durchsehen der alten Fotos

      fällt mir auf

      daß alle Abgebildeten

      lächeln.

      Die ganze Familie

      steht vor der Baracke

      in der es kein Wasser

      und kein Klo gab

      und lächelt.

      Das liegt am Vogerl.

      Im Augenblick des Fotografiertwerdens

      springt ein Vogerl aus der Linse

      und sagt: Nicht bewegen.

      Lächeln.

      10.

      Was ich mir wünsche:

      Daß er mich an der Hand nimmt.

      Daß er mit mir zum Bauern Milch holen geht.

      Daß er in der Kirche neben mir sitzt.

      Daß er sich mitten unter die Bauern setzt

      und auf den Tisch haut.

      Daß er zum Elternsprechtag geht.

      Daß er mir antwortet

      wenn ich ihn etwas frage.

      Daß ich einen Vater habe

      den ich herzeigen kann.

      Mein Vater war ein Italiener.

      Er sprach wenig.

      Ging nie fort.

      Sperrte sich in seine Werkstätte ein

      und schnitzte Barockstühle und Madonnen.

      Selbst in der Heiligen Nacht

      wenn alle Bauernkinder an der Hand ihrer Väter

      zur Christmette gingen

      blieb er in der verschlossenen Werkstatt

      und arbeitete.

      Was ich mir noch immer wünsche:

      Daß ich ihn endlich treffe.

      11.

      Die Kindheit

      ist ein schreckliches Reich.

      Die Hände

      die dich streicheln

      schlagen dich.

      Der Mund

      der dich tröstet

      brüllt dich an.

      Die Arme

      die dich hochheben

      erdrücken dich.

      Die Ohren

      die dir zuhören

      verstehen alles falsch.

      Die Decke

      die dich wärmt

      gehört deinem älteren Bruder.

      Die Wand

      der du ein farbiges Zeichen von dir gibst

      wird einmal im Jahr übermalt.

      Der Satz

      den du endlich sagst

      ist kindisch.

      Wenn du mit deinen Sätzen und Zeichen

      woanders hingehen willst

      dann heißt es

      das geht die fremden Leute nichts an.

      Wohin soll ich gehen

      wenn die eigenen Leute

      so fremd zu mir sind?

      Ich gehe nirgendwohin.

      12.

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